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Alle wollen nur den "Dicken"

22. Dezember 2009

Zwei Tage vor Heiligabend ist in Spanien schon mal Bescherung: Die Weihnachtslotterie schüttete 2,3 Milliarden Euro an Gewinnen aus, und rund 80 Prozent der Spanier machten mit. Größter Gewinner aber ist der Staat.

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Ein Schulmädchen bei der Weihnachtslotterieziehung (Foto: AP)
Schulkinder als GlücksfeenBild: AP

In Spanien nennen sie ihn nur liebevoll "El Gordo", den Dicken. Er ist der Hauptgewinn der größten Lotterie der Welt, der spanischen Weihnachtslotterie. Eigentlich ist der "Dicke" nur eine Zahl - eine aus 85.000. Da jedes Los 195 mal verkauft wird, freuen sich gleich mehrere über den "Dicken", der auch in diesem Jahr drei Millionen Euro schwer ist.

Demonstanten schwenken katalonische und spanische Gewerkschaftsfahnen (Foto: dpa)
19 Prozent Arbeitslose: Die Krise trifft Spanien hartBild: picture-alliance/ dpa

Der "Dicke" entfiel in diesem Jahr auf die Lose mit der Nummer 78.294. Die Gewinne gingen überwiegend an Loskäufer in Madrid. Millionen von Spaniern verfolgten die Ziehung der Glückslose im Fernsehen mit. Doch bei aller Euphorie im Vorfeld der dreistündigen Gewinnausschüttung der Weihnachtslotterie am Dienstag (22.12.2009), die Wirtschaftskrise hat selbst den glücksspielverliebten Spaniern die Lust am Loskauf etwas getrübt. "Die Vermutung, die Leute gäben in schweren Zeiten mehr Geld für Glücksspiele aus, stimmt nicht", sagte Juan Antonio Gallardo von der staatliche Lotteriegesellschaft LAE.

Rekordarbeitslosigkeit dämpft Freude am Glückspiel

Die Gründe für die Zurückhaltung beim Glücksspiel sind in der desaströsen Wirtschaftslage in Spanien zu suchen. Die Arbeitslosenquote ist auf 19,3 Prozent geklettert - unrühmlicher Rekord in Europa. Der Arbeitsplatzmangel führt immer mehr Menschen in die Armut: Rund 3,9 Millionen Spanier beziehen mittlerweile Sozialleistungen vom Staat.

Der Besitzer einer Losbude hält 2005 stolz eines der Gewinnerlose hoch, das bei ihm gekauft worden war (Foto: AP)
Der Besitzer einer Losbude hält 2005 stolz eines der Gewinnerlose hoch, das bei ihm gekauft worden warBild: AP

Da ein Los stolze 200 Euro kostet, leisten sich die meisten Spanier nur ein "décimo", ein Zehntellos oder teilen sich ein Los gleich mit ihrer ganzen Dorfgemeinschaft oder dem Straßenzug. So knallen dann auf dem Dorfplatz schon mal eine gute Woche vor Silvester die Sektkorken, wenn das große Los gezogen wurde. Diese Aufgabe übernehmen bei der Weihnachtslotterie traditionell keine Schönheitsköniginnen, sondern Schulkinder, die die Zahlen und die dazugehörigen Gewinne in einem zumindest gewöhnungsbedürftigen Singsang vortragen.

Todesdatum von Michael Jackson ein beliebtes Los

Besonders beliebt waren bei den Spaniern dabei ausgerechnet Losnummern, die Unglück symbolisieren: So war das Todesdatum von Michael Jackson ebenso rasch vergriffen wie das Jahr des erstmaligen Auftretens der Spanischen Grippe. Die Hoffnung der Lottospieler ist, dass auf jedes Unglück auch ein großes Glück folgt.

Eine Frau kauft ein Lottolos (Foto: dpa)
Vier von fünf Spaniern spielen mitBild: picture-alliance/ dpa

Das größte Los haben aber erneut nicht die Gewinner des "Gordo" gezogen, sondern der Staat. Denn wie schon zu ihren Gründertagen anno 1763 dient die spanische Weihnachtslotterie vor allem der Aufbesserung der Staatsfinanzen. 25 Prozent der gesamten Einsätze gehen an den spanischen Fiskus. Obendrein fließen alle Gewinne, die auf nicht verkaufte Lose entfallen, in die Staatskasse. In Letzterer herrscht derzeit Ebbe: Spanien kommt auf ein sattes Defizit von 9,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Den vorweihnachtlichen Geldregen von mehreren Hundert Millionen Euro kann der spanische Staat also ebenso gut gebrauchen wie die Gewinner den "Gordo".

Autor: Joscha Weber (mit dpa, afp)

Redaktion: Sabine Faber