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Afrikas Frauen-Teams als Gewinnerinnen der WM 2023

Kalika Mehta aus Australien und Neuseeland
8. August 2023

Obwohl keine afrikanische Mannschaft bei der Fußball-WM das Viertelfinale erreicht, haben Nigeria, Südafrika, Marokko und Sambia das Potential des Kontinents unterstrichen - trotz aller Widerstände der eigenen Verbände.

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Spielszene| Frankreich gegen Marokko
Als letztes afrikanisches Team scheidet Marokko im Achtelfinale gegen Frankreich ausBild: James Gourley/Shutterstock/IMAGO

Als die Gruppen für die Fußball-Weltmeisterschaft ausgelost wurden, gab es Zweifel, was die Chancen der afrikanischen Mannschaften bei diesem Turnier anging. Alle vier Teams - Nigeria (40), Südafrika (54), Marokko (72) und Sambia (77) - waren in der FIFA-Weltrangliste so schlecht platziert, dass sie in Gruppen mit europäischen und nordamerikanischen Mannschaften eingeteilt wurden - vermeintlich stärkeren Gegnerinnen also.

Zur sportlichen Herausforderung kamen weitere Schwierigkeiten, diese allerdings verursacht im eigenen Land: Kampf um Anerkennung und gegen Vorurteile, Streitigkeiten mit den Verbänden über WM-Prämien und Bezahlung sowie - im Falle Sambias - sogar Vorwürfe gegen den Cheftrainer wegen sexueller Übergriffe. Dennoch zeigten die afrikanischen Spielerinnen auf dem Spielfeld genau das, was sie ausmacht: großes Talent, Können und - in vielen Fällen - noch ungenutztes Potenzial.

Diskriminierende Anfeindungen gegen Marokkanerinnen

"Geht zurück in eure Küchen!" Das musste sich die 23-köpfige marokkanischen Mannschaft, die nach Australien und Neuseeland reiste, häufig anhören oder lesen. Trotz des historischen WM-Erfolgs der Männer-Nationalmannschaft Marokkos in Katar mit Platz vier war die Begeisterung für das Frauenteam nur sieben Monate später in der Öffentlichkeit kaum zu spüren. Eine verwunderliche Entwicklung angesichts der großen Unterstützung, die die Frauenmannschaft noch als Gastgeber-Team beim Afrika-Cup 2022 erhalten hatte. Doch die "Löwinnen vom Atlasgebirge" schoben das diskriminierende Getöse in der Heimat beiseite und schrieben bei der WM nach den Männern ein eigenes Stück Geschichte auf der größten Bühne des Fußballs.

Marokkos Nouhaila Benzina im Hidschab
Marokkos Innenverteidigerin Nouhaila Benzina lief als erste WM-Spielerin im Hidschab auf - sie machte drei WM-SpieleBild: James Gourley/Shutterstock/IMAGO

Obwohl ihre Erfolgsstory im Achtelfinale mit einer 0:4-Niederlage gegen Favorit Frankreich endete, erreichten die Marokkanerinnen bei ihrer ersten WM-Teilnahme eine Reihe von Meilensteinen: Sie gewannen gegen Südkorea ihr erstes WM-Spiel, Nouhaila Benzina war die erste Spielerin, die bei dem Turnier einen Hidschab trug, und mit dem 1:0-Sieg gegen Kolumbien zogen sie und nicht der vermeintliche WM-Favorit Deutschland ins Achtelfinale ein.

Nach dem Einzug in die erste K.o.-Runde schaltete der deutsche Suppenhersteller Knorr, der auch in Marokko gut im Geschäft ist, eine Anzeige mit dem Bild des WM-Pokals und der Botschaft: "Nichts anderes als Knorr gehört in die Küche. Herzlichen Glückwunsch an die Löwinnen des Atlas!". Auch Benzina sorgte für noch mehr Anerkennung für Sportlerinnen und junge Mädchen, die Hidschabs tragen, denn die 25-Jährige wurde in das populärste Fußball-Videospiel "FIFA 23" aufgenommen - mit Kopftuch.

Ashleigh Pumptre: "Eine Menge Respektlosigkeit"

Anders als bei WM-Neuling Marokko waren die Erwartungen an Nigeria deutlich höher. Schließlich haben die "Super Falcons" an allen neun Ausgaben der Frauen-Weltmeisterschaft teilgenommen. Allerdings wurde die Vorbereitung auf das Turnier durch die Absage des Trainingslagers in Nigeria zunichte gemacht, und es herrschte Ungewissheit darüber, ob die Spielerinnen bezahlt werden würden. Es wurde sogar behauptet, sie seien schon seit zwei Jahren nicht mehr entlohnt worden.

Jubel der Spielerinnen von Nigeria nach einem Tor gegen Australien
Nigerias "Super Falcons" besiegten in der Vorrunde Co-Gastgeber AustralienBild: James Whitehead/Sports Press Photo/IMAGO

Nachdem die FIFA angekündigt hatte, dass jede Spielerin, die das Achtelfinale erreicht, mindestens 50.000 US-Dollar erhalten werde, äußerte Stürmerin Uchenna Kanu gegenüber der DW Zweifel, ob der nigerianische Fußballverband (NFA) dieses Geld an die Spielerinnen weitergeben würde. Obwohl die Auseinandersetzungen abseits des Spielfelds während des gesamten Turniers ein Thema waren, bot die Mannschaft starke Leistungen und besiegte in der Vorrunde sogar Co-Gastgeber Australien. Gegen Europameister England waren sie im Achtelfinale einer Sensation nahe, scheiterten letztlich aber knapp im Elfmeterschießen.

Trotzdem hat das Spiel nach Ansicht der Verteidigerin Ashleigh Pumptre der Welt endlich gezeigt, dass afrikanische Mannschaften zu mehr fähig sind, als nur ihre "Stärke" einzusetzen. "Ich habe das Gefühl, dass viele Leute den afrikanischen Nationen gegenüber sehr respektlos sind", sagte Pumptre der DW. "Sie sagen, sie seien nur physisch oder nur schnell, aber man kann sehen, dass wir auch unglaublich technische Spielerinnen haben. Ich denke, dass jetzt mehr Leute darüber sprechen sollten, was wir als Fußballnation insgesamt leisten."

Südafrikas Liga verdient Investitionen

Auch Südafrika hatte seinen Moment der Abrechnung: Vor dem Turnier gab es Streit wegen ausstehenden Bezahlungen. Der Verband weigerte sich, in die WM-Verträge konkrete Geldsummen einzutragen. Es kam zum Spielerinnen-Streik beim letzten Testspiel. Erst als der südafrikanische Milliardär Patrice Motsepe - Besitzer der Mamelodi Sundowns, des südafrikanischen Rekordmeisters, sowie Präsident des afrikanischen Kontinentalverbands CAF - intervenierte und dem Team 320.000 Dollar (291.000 Euro) spendete, war die Finanzierung gesichert.

Als die Mannschaft dennoch eine Entschädigung forderte, sorgte das in Südafrika für Unmut und tat dem Ansehen der "Banyana Banyana" nicht gut. Als das Team im Gruppenspiel gegen Argentinien einen Zwei-Tore-Vorsprung verspielte, ergoss sich in den sozialen Medien eine Welle der Kritik über die Spielerinnen. Doch ein sensationeller Last-Minute-Treffer von Ersatzkapitänin Thembi Kgatlana brachte Südafrika dann doch ins Achtelfinale.

Südafrikas Thembi Kgatlana klatscht nach Abpfiff in Richtung der Zuschauer
Südafrikas "Banyana Banyana" und Thembi Kgatlana können sich erhobenen Hauptes verabschiedenBild: Zhang Chen/Xinhua/IMAGO

"Wir haben viel Kritik einstecken müssen", sagte Kgatlana anschließend und nannte ihr eigenes Schicksal als Beweis für die Aufopferungsbereitschaft des Teams. "Ich habe in den letzten zwei Wochen drei Familienmitglieder verloren und hätte nach Hause fahren können, aber das [die WM-Teilnahme - Anm. d. Red.] war zu wichtig", so Kgatlana.

Auch wenn die Mannschaft nach der Niederlage gegen die Niederlande im Achtelfinale ausschied, richtete Cheftrainerin Desiree Ellis einen Appell an die Sponsoren. "Ich weiß nicht, wie man so etwas Besonderes ignorieren kann", sagte Ellis. "Ich verstehe nicht, wie ihr uns nicht dabei helfen könnt, in der Weltrangliste zu klettern. Wir haben immer noch Spielerinnen, die einen normalen Job haben und abends zum Training gehen. Das ist inakzeptabel."

Unterstützung aus ganz Afrika 

Für Sambia und ihre Starspielerin Barbra Banda war die WM von Vorwürfen wegen sexuellen Missbrauchs überschattet. Am Vorabend des Turniers war bekannt geworden, dass die FIFA gegen Cheftrainer Bruce Mwape wegen vermeintlichen sexuellen Fehlverhaltens gegenüber Spielerinnen ermittelt. Am Ende der Gruppenphase wurde ein weiterer Vorwurf laut: Der Cheftrainer habe eine seiner Spielerinnen während der Weltmeisterschaft unangemessen an den Brüsten berührt, hieß es.

Sportlich lief es für den WM-Neuling nicht so gut wie erhofft. Sambia schied nach der Vorrunde aus, schaffte gegen Costa Rica im letzten Gruppenspiel aber immerhin seinen ersten Sieg bei einer Weltmeisterschaft. Was begeisterte, war die Unterstützung für die Sambierinnen durch Fans aus verschiedenen afrikanischen Ländern, nicht nur aus Sambia selbst. "Die Mädchen sollen wissen, dass wir hier sind, um sie anzufeuern", sagte die in Simbabwe geborene Joyce Chitepo der DW. "Sie haben die Unterstützung von ganz Afrika, wie jede Mannschaft. Wir sind stärker, wenn wir uns gegenseitig unterstützen."

Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert.