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Politik

AfD: Gerangel um Anerkennung

Kay-Alexander Scholz
12. Dezember 2019

Die Rechtspopulisten sitzen zwar inzwischen in allen Parlamenten. Doch der Zugang zu manchen Gremien dort bleibt versperrt. Auch an anderer Stelle wird darum gerungen, ob und welchen Einfluss die AfD haben darf.

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Bundesverfassungsgericht verhandelt ueber Verfassungsklagen gegen das neue Wahlrecht
Bild: dapd

Schafft es eine Partei in den Bundestag, ist noch eine ganz andere Hürde geschafft. Daran gekoppelt sind Posten in Ausschüssen und Gremien des Bundestags oder in der vielfältigen sogenannten Zivilgesellschaft mit Vereinen, Stiftungen und Organisationen. Räte gehören dazu wie beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder bei Stiftungen und Museen. Es geht auch um Delegierte für Versammlungen von Nato oder Europarat - die Liste ist lang. Normalerweise werden die Plätze nach dem Proporz-Prinzip vergeben, möglichst alle Parteien sollen Einfluss haben. 

Die AfD schaffte es 2017 als drittstärkste Partei in den Bundestag und hat demzufolge auch Zugriff auf solche Plätze - eigentlich. Wie aber umgehen mit einer Partei, die in Teilen einen Extremismus pflegt, der das bestehende Wertesystem infrage stellt? Oder die zum Kulturkampf gegen das - wie es immer wieder heißt - von 1968 geprägte Establishment antritt? Der Verfassungsschutz hat Teile der Partei bereits im Blick.

Rote Karten für Scharfmacher der AfD

Über manche Personalien entscheidet das Plenum des Bundestags in geheimer namentlicher Abstimmung. Zur Halbzeit der vierjährigen Legislaturperiode sind noch immer manche Plätze unbesetzt. Zwar fanden Wahlen statt, aber die Kandidaten der AfD fielen durch.

Deutschland | Abstimmung Bundestagsvizepräsident | Paul Viktor Podolay
AfD-Politiker Paul Viktor Podolay fiel am 12. Dezember auch im dritten Wahlgang als Kandidat für das Bundestagspräsidium durchBild: picture-alliance/dpa/F. Sommer

Der prominenteste Fall ist der Posten eines einflussreichen Vizepräsidenten des Bundestags - gerade fiel auch der vierte Bewerber wieder durch. Andere Fälle betreffen die "Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas", zuständig unter anderem für das Holocaust-Mahnmal und die "Bundesstiftung Magnus Hirschfeld", dem Vorkämpfer der deutschen Homosexuellen-Bewegung. Schon zehnmal wurde "gewählt". Doch bis auf den ersten Versuch, als CDU/CSU dafür waren, stimmten immer alle anderen Parteien gegen die AfD-Vorschläge oder enthielten sich.

Nicole Höchst von der AfD kandidierte bereits mehrfach für beide Sitze. Vor allem ihre Kandidatur für die Hirschfeld-Stiftung wurde in der LGBTI-Szene als gezielte Provokation interpretiert. Schließlich kämpft die Stiftung gegen Diskriminierung. Höchst aber kritisierte die Homo-Ehe, behauptete, unter homosexuellen Männern gebe es mehr Pädophile und machte gegen LGBTI-Themen in Schulplänen Stimmung. Auch Petr Bystron - ebenfalls als Scharfmacher bekannt - hatte sich beworben.

Deutschland | Mahnmal für die ermordeten Juden in Berlin
AfD-Politiker Björn Höcke hatte das Holocaust-Mahnmal in Berlin als "Mahnmal der Schande" bezeichnetBild: DW/M. Gwozdz

Blockade - oder nicht?

Für das Vertrauensgremium im Bundestag, verantwortlich für die Haushaltspläne der Nachrichtendienste, fanden bereits elf Wahlgänge statt. Laut Bundeshaushaltsordnung stünde der AfD ein Sitz in dem Gremium zu. Im Bundesfinanzierungsgremium, zuständig für die Schuldenpolitik, hätte die AfD Anrecht auf zwei Sitze - auch hier liefen nun schon elf Wahlgänge ab. Gleiches gilt für das Euro-Rettungsschirm-Gremium.

Der DW liegen die Abstimmungsergebnisse im Einzelnen vor. Noch Anfang 2018 fehlten vergleichsweise wenige Ja-Stimmen. Inzwischen werden die Ja-Stimmen von Wahlgang zu Wahlgang eher immer weniger, die Nein-Stimmen überwiegen klar, schwanken aber. Dennoch bekommt die AfD immer auch Stimmen aus anderen Parteien. Eine abgestimmte Blockade lässt sich daraus nicht ablesen.

"Wir werden aus Prinzip nicht gewählt", vermutet dennoch der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion Bernd Baumann. Das alles sei ein "Skandal und ein Affentheater". Die Gleichrangigkeit der Fraktionen werde verletzt. Trotzdem werde die AfD ihre Abgeordneten weiterhin zur Wahl stellen, so Baumann.

Von Fall zu Fall

Es gibt Konfliktfälle auch in den Bundesländern, wo die Konfliktlinien analog verlaufen. In Brandenburg wurde dem AfD-Politiker Christoph Berndt der Vorsitz des Kulturausschusses im Landtag verwehrt. Berndt ist Initiator eines Vereins, bei dem es laut Verfassungsschutz Überschneidungen mit der rechtsextremen Szene gibt.

In Bayern schafft es die AfD - anders als im Bund - nicht, einen der ihren ins Parlamentarische Kontrollgremium, zuständig für die Geheimdienste, zu wählen. 

Doch nicht immer sind die Türen für die AfD versperrt. Im Kuratorium der "Bundeszentrale für politische Bildung" sitzen drei AfD-Politiker. Einer davon ist Götz Frömming - ein eher gemäßigter AfD-Vertreter, der bislang jedenfalls nicht durch gezielte öffentliche Provokationen auffiel. "Von einer 'Blockade' kann keine Rede sein", sagte er der DW. Der Umgang der Kuratoriumsmitglieder untereinander sei "insgesamt freundlich und sachlich". Dennoch sei zu "spüren, dass für einige die Anwesenheit der AfD noch gewöhnungsbedürftig ist".

Gerichte sollen entscheiden

Gerichtshammer
Bild: picture-alliance/dpa/C. Klose

Inzwischen befassen sich bereits Gerichte mit den AfD-Personalien. Der aktuellste Fall: Mitte November reichte die AfD-Bundestagsfraktion Klage beim Bundesverfassungsgericht ein. Es geht um das Euro-Rettungsschirm-Gremium. Schließlich soll in diesem Gremium jede Fraktion vertreten sein. Nun klagt die AfD wegen Benachteiligung.

In einer anderen Klage entschied das Gericht bereits gegen die AfD: Die Gedenkstätten-Stiftung im Bundesland Niedersachsen hatte 2018 ihr Stiftungsgesetz dahingehend geändert, dass nicht mehr alle Parteien des Landtags einen Abgeordneten entsenden sollen. Zuvor hatte sich die KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen vehement gegen die Präsenz eines AfD-Vertreters im Stiftungsrat ausgesprochen. Das zuständige Landesverfassungsgericht wies die Klage der AfD ab - auch die DW berichtete.

Rückblickend sei der Weg richtig gewesen, obwohl sich die AfD als Opfer präsentieren konnte, sagte Stiftungsvertreter Jens Binner der DW. Für die Überlebenden des Holocaust wäre es unzumutbar gewesen. Außerdem hätte die AfD die Richtung der Stiftungsarbeit mitbestimmen können. Für die klare Abgrenzung zur AfD habe die Stiftung, so Binner, viel positive Resonanz bekommen.