1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Olympic Moments

Lutz Kulling

Als Teenager übersprang sie die Weltelite – und sie wiederholte diesen Triumph bei Olympia sagenhafte 12 Jahre später: Ulrike Meyfarth - eine einmalige Leichtathletik-Karriere mit Höhen und Tiefen.

https://p.dw.com/p/EXg1
Ulrike Meyfarth überspringt bei den Olympischen Spielen 1972 in München die Höhe von 1,92 Meter und gewinnt die Goldmedaille (AP Photo)
Mit 1,92 Meter zum Olympia-Gold: Ulrike Meyfarth 1972 in MünchenBild: AP

„Jetzt wird er noch schneller, der Anlauf. Das Abdrücken, die Drehung – sie hat es geschafft, sie hat es geschafft!“ Die Stimme des Radio-Reporters überschlug sich fast an diesem 4. September 1972. Eine erst 16-jährige Schülerin aus Wesseling bei Köln feierte in München einen Sensationssieg, dazu noch gekrönt mit neuem Weltrekord.

Kein Experte hatte Ulrike Meyfarth damals auf der Rechnung, trotz ihres Schwindel erregenden Werdegangs: Mit 14 Jahren war sie deutschen Schülerrekord mit 1,68 Meter gesprungen, mit 15 deutsche Vizemeisterin mit 1,80 Meter. „Mit 16 Jahren wurde ich dann Olympiasiegerin mit 1,92 Meter. Das ging also relativ flott bei mir bergauf“, schmunzelt die Senkrechtstarterin noch heute.


Von der Schulbank auf den Olymp

Ihren frühen Höhenflug verdankte sie auch dem Flop – einer Hochsprungtechnik, die US-Olympiasieger Richard „Dick“ Fosbury vier Jahre zuvor erstmals gezeigt hatte. Doch selbst Ulrike Meyfarth brauchte etwas Anlauf, bis sie ihren Weg rücklings über die Latte fand: Dem Wunsch ihrer Eltern nach sportlicher Betätigung folgend, fand sie erst im Alter von 12 Jahren und über Umwege zur Leichtathletik. „Dort habe ich eigentlich alles mögliche gemacht – ob Kugelstoßen, Staffellaufen, Hürdenlaufen oder Sprinten“, erinnert sich Meyfarth. Doch schnell wurde klar, wo das wahre Talent des groß gewachsenen Mädchens lag. Und die Entscheidung für den Hochsprung brauchte in der Folge wohl nur noch die Konkurrenz zu bereuen.

Aber nach dem ersten Olympiasieg ging es für den 1,86 Meter langen Schlaks zunächst einmal bergab, stagnierende Leistung und eher mittelmäßige Resultate sorgten für Frust. Dazu brachte der Tod ihres Trainers notgedrungen den Wechsel zu einem neuen Coach. Und auch sonst musste Ulrike Meyfarth hart an sich arbeiten.


Lange Durststrecke vor Comeback

„Sie hat sehr vieles umgestellt, auch in ihrem Anlaufverhalten, in der Anlaufschnelligkeit“, analysiert Norbert Stein, Leichtathletik-Dozent und Trainer an der Deutschen Sporthochschule in Köln. „Und erst viel später hat sie es tatsächlich geschafft, ihren Erfolg zu wiederholen - dann allerdings auch auf einer höheren Leistungsebene.“

10. August 1984 in Los Angeles: Ulrike Meyfarth gewinnt beim olympischen Hochsprung-Wettkampf mit einer Höhe von 2,02 Meter ihre zweite Goldmedaille bei Olympischen Spielen (AP Photo)
Ulrike Meyfarth springt 1984 in Los Angeles zum zweiten Gold.Bild: AP

Zehn Zentimeter und 12 lange Jahre sollten zwischen ihrem ersten Triumph und dem zweiten Gold liegen. Die großen Erfolge stellten sich dabei erst wieder nach den verpassten Boykott-Spielen von Moskau ein: 1982 verbesserte Meyfarth als Europameisterin den Weltrekord auf 2,02 Meter, um ein Jahr später noch einen Zentimeter draufzulegen.

1984 in Los Angeles reichten dann 2,02 Meter – für eine, die eben kein „junger Hüpfer“ mehr war. „Im Alter von 28 Jahren ist man eine gereifte Athletin, austrainiert und erfahren, auch und gerade im Umgang mit Misserfolgen“, kommentiert Ulrike Meyfarth ihren Wiederholungs-Coup. „So hat sich dann der Kreis geschlossen in Form eines zweiten Olympiasieges.“ Zum Ausklang ihrer einmaligen Karriere wurde sie 1984 auch - zum vierten Mal in Folge - als „Deutschlands Sportlerin des Jahres“ geehrt.


Vorzeigesportlerin mit kritischem Blick

Ulrike Meyfarth bejubelt 1984 bei der Siegerehrung den Gewinn der Godmedaille.
Siegerehrung in Los AngelesBild: AP

Und die zweifache Mutter, die seit ihrer Heirat Nasse-Meyfarth heißt, ist dem Metier treu geblieben: Bei ihrem Verein Bayer Leverkusen arbeitet sie mit jungen Athleten und fungiert auch als eine Art Botschafterin ihres Sports. „Sie ist bei vielen Gelegenheiten in der Leichtathletik präsent, eben nicht nur bei Gala-Empfängen“, lobt ihr ehemaliger Studienkollege Norbert Stein. „Sie ist eine natürliche Sportlerin geblieben, sehr sympathisch, sehr offen.“

Aber auch durchaus Nachdenkliches gibt Ulrike Meyfarth dem hiesigen Nachwuchs mit auf den Weg: „Manchmal scheinen unsere Athleten gar nicht zu schätzen zu wissen, was sie hier für Möglichkeiten haben – wir sind verwöhnt!“ Anders als in anderen Staaten, sei Leistungssport in Deutschland auch kein gängiges Mittel zur Existenzsicherung mehr. Am Ende bekommt die Stimme der Vorzeigesportlerin fast einen prophetischen Unterton. „Wenn diese Länder uns überholt haben, wird es wahrscheinlich auch bei uns wieder wichtiger werden, Erfolge zu haben."