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5G in den USA: Zugeständnisse am Flughafen

Andreas Spaeth
18. Januar 2022

Kurz vor der Einführung 5G-Mobilfunkrequenzen in den USA haben die Betreiber auf Sorgen der Luftfahrt reagiert. Damit wurde womöglich großes Chaos an den Flughäfen abgewendet.

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USA, Chicago |  O’Hare International Airport
Start einer Maschinen am Airport ChicagoBild: Brian Cassella/Chicago Tribune/TNS/ABACA/picture alliance

In letzter Minute haben die Telekommunikationsunternehmen Verizon und AT&T Zugeständnisse bei der Einführung neuer 5G-Frequenzen an Flughäfen gemacht. Kurz zuvor hatten die Chefs zehn großer amerikanischer Passagier- und Frachtfluggesellschaften in einem Brandbrief vor einer "katastrophalen Krise" gewarnt. Diese hätte laut Brief dazu führen können, dass "potenziell Zehntausende Amerikaner in Übersee stranden" und "Chaos" im US-Inlandsnetz ausbricht.

Dies könne Hunderttausend Passagiere an einem Tag betreffen und einen Großteil des fliegenden Publikums und der Luftfracht am Boden lassen. "Um es deutlich zu sagen: Der Handel der Nation wird zum Stehen kommen", hieß es in dem Schreiben an das Weiße Haus, die Luftfahrtbehörde FAA, das US-Verkehrsministerium und die Federal Communications Commission (FCC), die die Frequenzen für Mobilfunk vergibt. Über den Brief hatte zuerst die Nachrichtenagentur Reuters berichtet.

Streit schwelte schon länger

Hintergrund ist ein seit längerem schwelender Streit zwischen der Luftfahrtbranche in den USA und den Telekommunikationsunternehmen Verizon und AT&T um die Nutzung neuer sogenannter C-Band-Frequenzen für das 5G-Datennetz. Die beiden Unternehmen hatten sich im Februar 2021 in einem Bieterwettbewerb um die Frequenzen durchgesetzt und dafür 80 Milliarden US-Dollar gezahlt. Seitdem gab es Warnungen der Flugbranche, dass die Nutzung des neuen Datennetzes mit den Radar-Höhenmessern der Flugzeuge in Konflikt geraten könnte, die diese unter anderem für automatische Landungen bei schlechter Sicht nutzen.

USA O'Hare International Airport Chicago
O'Hare International Airport Chicago: Was geht hier noch ab Mittwoch?Bild: Kiichiro Sato/AP Photo/picture alliance

Die für Dezember geplante Einführung auch in Flughafennähe war mehrfach verschoben worden. Die Fluggesellschaften forderten in ihrem Schreiben vom Montag erneut, "dass 5G überall im Land eingeführt wird außer in einem Radius von zwei Meilen (3,2 km) um die Start- und Landebahnen" von 50 großen Flughäfen. Dem hatten die Kommunikationsanbieter bisher nur für eine Frist von sechs Monaten Übergangszeit zugestimmt und argumentiert, dass auf C-Netzen basierender 5G-Standard bereits erfolgreich in über 40 Ländern eingeführt worden seien ohne störende Auswirkungen auf die Luftfahrt.

Kurz vor der Freischaltung am Mittwoch teilte Verizon schließlich mit, beide Betreiber hätten sich freiwillig entschieden, die Einführung des neuen Mobilfunkstandards in der Nähe von Flughäfen zunächst zu begrenzen. US-Präsident Joe Biden dankte den Konzernen für ihr Entgegenkommen.

Lieferketten könnten noch mehr gestört werden

Nach Aussagen der FAA sei in den vergangenen zwei Wochen ermittelt worden, dass der Einfluss der neuen 5G-Frequenzen auf die Radarhöhenmesser ein Umschalten der Triebwerke und Bremsen auf den Landemodus verhindern könne. Die Airlines fordern sofortige Maßnahmen, um drohende erhebliche Auswirkungen auf den Passagier- und Frachtverkehr sowie die Lieferketten auch für dringend benötigte medizinische Güter zu verhindern.

"Vielfältige moderne Sicherheitssysteme in den Flugzeugen werden dadurch unbrauchbar gemacht, was zu viel größeren Problemen führen wird als bisher bekannt", schreiben die Airline-Chefs in ihrem Brief. "Die Flugzeughersteller haben uns informiert, dass große Teile unserer Flotten auf unbestimmte Zeit am Boden bleiben müssen." Und das nicht nur bei schlechter Sicht.

Nach Aussagen der FAA habe die Behörde die Nutzung zweier Radar-Höhenmesser freigegeben, die in einigen Flugzeugen von Airbus und Boeing installiert seien. Etwa 45 Prozent der US-Passagierflugzeuge seien damit ohne Auflagen nutzbar, so die FAA, und hat 48 von 88 betroffenen Pisten auch für automatische Landungen bei geringer Sicht freigegeben - allerdings gehörten dazu gerade viele große Flughäfen nicht, monieren die Airlines.

Australien Sydney Boeing 787 Dreamliner
Besonders gefährdet: Boeing 787 "Dreamliner"Bild: Getty Images/Boing Australia/J. Morgan

Vorwürfe gegen Luftfahrtbranche

Auch die FAA gibt zu, dass selbst mit den erteilten Genehmigungen "Flüge auf manchen Flughäfen immer noch betroffen sein könnten". Man arbeite mit den Herstellern zusammen, um zu verstehen, wie die Daten von Radar-Höhenmessern auch von anderen wichtigen Flugsteuerungssystemen genutzt würden. Die Chefs der beiden Telekommunikationsunternehmen wiederum werfen der Luftfahrtbranche vor, die Auswirkungen der neuen Frequenzen nur mit Verzögerung geprüft zu haben. Erst vergangene Woche hatte die FAA für hundert US-Flughäfen ein Verbot für automatische Landungen und automatische Flugmanöver erlassen, die sich auf Daten des Radar-Höhenmessers stützen.

Große Fragezeichen stehen derzeit hinter zwei wichtigen Boeing-Typen - denn sowohl das weit verbreitete Großraumflugzeug Boeing 777 als auch die moderne Boeing 787 Dreamliner werden unter den neuen Bedingungen von der Behörde bisher nicht als einsatzbereit eingestuft. United Airlines, viertgrößte Fluggesellschaft der USA, warnte bereits vor "signifikanten Einschränkungen bei den Mustern Boeing 777, 787, 737 und Regionalflugzeugen an wichtigen Drehkreuzen wie Houston, Newark, Los Angeles, San Francisco und Chicago."

Das könne innerhalb eines Jahres über 15.000 Flüge und 1,25 Millionen Passagiere allein bei United betreffen. Die Boeing 787 fliegt mit 137 Exemplaren bei US-Airlines, und von der 777 betreiben allein die drei größten Fluggesellschaften United, American Airlines und FedEx zusammen 188 Maschinen.

In Europa besteht das in den USA vorhandene Problem nach Aussagen der Europäischen Luftsicherheitsbehörde EASA bisher nicht. Hierzulande liegen die 5G-Frequenzbänder nicht so nahe an denen, die Flugzeuge nutzen wie in den USA. Bisher gab es in Europa nach EASA-Angaben auch keine derartigen Vorfälle. Man beobachte aber die Situation weiter genau und tausche sich mit der FAA aus, so die EASA.

Hinweis: Wir haben den Artikel nachträglich um die Zugeständnisse der US-Telekommunikationsunternehmen ergänzt und hierzu mehrere Textpassagen inhaltlich aktualisiert.