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A380: Der Traum vom fliegenden Riesen endet

Andreas Spaeth
16. Dezember 2021

An diesem Donnerstag wurde der letzte Airbus A380 ausgeliefert. Wirtschaftlich war der größte Passagierjet der Welt ein milliardenteurer Flop. Trotzdem hat er sich gelohnt.

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Airbus liefert letzten A380 an Emirates aus
Die letzte A380 rollt im Airbus-Werk Hamburg-Finkenwerder auf die StartbahnBild: Christian Charisius/dpa/picture alliance

Eigentlich wollte Emirates-Chef Sir Tim Clark in diesen Tagen in Hamburg einem historischen Ereignis beiwohnen - der Auslieferung des letzten Airbus A380, dem 251. und finalen gebauten Riesenflugzeug an seine Gesellschaft. Insgesamt 123 davon gingen an die Airline aus Dubai, und ohne Emirates, da waren sich alle einig, wäre das Programm schon vor Jahren eingestellt worden. Airbus-Testpiloten hatten sich bereits am Sonntag von dem Flugzeug verabschiedet und waren eine Route in Herzform geflogen, wie das Unternehmen am Montag twitterte: 

So wurde 2019 verkündet, dass die Produktion 2021 enden würde. Sir Tim, inzwischen 72 und eine Branchenlegende, hat es nicht leicht mit seinem Lieblingsflugzeug. Niemand hat so an den Airbus A380 geglaubt wie er, der frühzeitig erkannte, dass das größte Passagierflugzeug der Welt, das bei Emirates bis zu 615 Passagiere fasst, maßgeschneidert für das Geschäftsmodell der Gesellschaft war, die über Dubai die ganze Welt miteinander verbindet. Mit der Übergabe der letzten Maschine ist dieses Kapitel nun geschlossen.

Geparkter Airbus A380 von Lufthansa  in Teruel / Spanien
Ende eines Traums: Geparkter Airbus A380 von Lufthansa in Teruel / SpanienBild: ATC Pilot/Sebastian Thoma

Streit um die Duschkabinen

Erst musste er auf eigene Kosten Kabinenmodelle bauen lassen, um Airbus beizubringen, dass es möglich war, vorn im Oberdeck zwei Duschen einzubauen -  genau dort, wo er sie haben wollte. Dann weigerten sich Airbus und die Triebwerkshersteller, eine verbesserte Version mit effizienteren Antrieben anzubieten als jene vier spritdurstigen Aggregate, die die A380 seit langem für die meisten Airlines unwirtschaftlich haben werden lassen.

Und zu guter Letzt konnte Sir Tim nicht einmal die finale Lieferung einer A380 so gebührend begehen, wie er sich das gewünscht hatte. Airbus weigerte sich von vornherein, das Ende eines Programms zu feiern, und dann machte auch noch die Corona-Lage in Deutschland alle weiteren Pläne von Emirates zunichte, das Ereignis zu würdigen.

Keine Beerdigung - trotzdem traurig

"Ich habe Airbus-Chef Guillaume Faury gesagt: Für uns ist die A380 voller Leben, das ist keine Beerdigung hier, sondern das letzte dieser großartigen Flugzeuge", erklärte Sir Tim gegenüber der DW. "Wir werden die A380 als sehr potentes Flugzeug noch bis Mitte der 2030er Jahre fliegen, also sind es noch 14 oder 15 Jahre, bis wir sie ausmustern." Doch nun wird die letzte A380, Baunummer 272, ganz unfeierlich Ende dieser Woche leer vom Airbus-Werk Hamburg-Finkenwerder nach Dubai geflogen. Emirates wird dann 118 einsatzbereite A380 haben, von denen aber rund die Hälfte zur Zeit noch stillgelegt im Dornröschenschlaf auf bessere Zeiten wartet.

Die Pandemie hatte den verbliebenen Riesen den Rest gegeben, der A380 und den noch fliegenden Boeing 747, deren Produktion 2022 ebenfalls eingestellt wird nach über 50 Jahren und mit der die A380 einst konkurrieren sollte. Im Herbst 2021 allerdings stiegen die Verkehrszahlen so sprunghaft, dass sich einige Airlines darauf besannen, dass sie mit der eigentlich schon abgeschriebenen A380-Flotte etwas haben, das jetzt perfekt zur akuten Problemlösung taugt. Ein zweiter Frühling für das Riesenflugzeug mitten im Spätherbst. Ein gutes Beispiel ist British Airways, die seit November zunächst vier ihrer zwölf eingemotteten Riesen wieder fliegt. Auch A380-Erstbetreiber Singapore Airlines, der 2007 die Weltpremiere des Riesen gefeiert hatte, verfährt ähnlich und setzt einige der Vierstrahler wieder ein, unter anderem nach London und Sydney.

Airbus A380 von Qatar Airways
Unzufriedener Kunde: Qatar AirwaysBild: Airbus - photo by master films/ H. Goussé

Qatar Airways Kehrtwende

Besonders kurios die Kehrtwende in Sachen A380 bei Qatar Airways, die früher zehn davon betrieben hatte. Noch im Mai gab ihr exzentrischer Chef Akbar Al Baker zu Protokoll: "Rückblickend war das der größte Fehler unser Firmengeschichte, die A380 zu kaufen." Und Al Baker fuhr fort den Riesen zu schelten: "Wir haben die A380 gegroundet (außer Betrieb genommen, d. Red.) und wollten sie nie wieder fliegen, weil sie im Verbrauch und bei den Emissionen ein sehr ineffizientes Flugzeug ist, und ich glaube nicht dass es in absehbarer Zukunft einen Markt dafür gibt", kritisierte Al Baker. "Ich weiß zwar, dass die Passagiere die Maschine lieben, es ist ein sehr ruhiges, ein smartes Flugzeug, aber den Schaden, den es an der Umwelt anrichtet, sollte die Priorität sein, nicht der Komfort", verkündete der Qatar Airways-Chef.

Und jetzt? Plötzlich herrscht wegen eines Problems bei der moderneren A350 Flugzeugknappheit – "unglücklicherweise haben wir keine Alternative als die A380 wieder zu fliegen", musste Al Baker Ende September ankündigen. Seit November starten wieder fünf der bei Qatar grau lackierten Riesen.

Montage eines A380 für Thai Airways in Toulouse (2012)
Montage eines A380 für Thai Airways in Toulouse (2012)Bild: em company/P. Masclet

Was ließ den Riesenvogel sterben?

Woran lag es nun, dass die A380, die geschätzte 30 Milliarden Euro vor allem an europäischen Steuergeldern kostete, zumindest wirtschaftlich ein völliger Flop war? Gründe gibt es viele. "Die Triebwerkshersteller haben uns überrumpelt", zürnt John Leahy, legendärer Airbus-Flugzeugverkäufer im Ruhestand im Interview mit dem Autor für dessen Buch "A380 - Der letzte Riese". Erst zehn Jahre später wollten sie verbesserte Antriebe anbieten - doch die wurden heimlich entwickelt und kamen dann schon viel schneller beim kleineren und effizienteren Konkurrenten Boeing 787 Dreamliner zum Einsatz.

Das Hauptproblem waren die jahrelangen Verzögerungen bei der Entwicklung und Fertigung der A380. Es zeigte sich schmerzlich, dass die Airbus-Werke in Deutschland und Frankreich nicht mit kompatiblen Computersystemen arbeiteten. Als die A380 dann endlich ab 2008 auf den Markt kam, war das Timing extrem schlecht: die damals grassierende SARS-Pandemie und die weltweite Finanzkrise ließen die Nachfrage nach Großflugzeugen kollabieren.

 A 380 von All Nippon Airways (ANA) mit Sonder-Lackierung
Zur Feier des zehnjährigen Jubiläums: A 380 von All Nippon Airways (ANA) mit Sonder-LackierungBild: Airbus

Schließlich erfüllte sich Boeings Prognose und der Markt verlangte nach kleineren effizienten Flugzeugen, die auch ab sekundären Flughäfen Nonstop-Langstrecken wirtschaftlich bedienen können. Dank der 787 und des Airbus-Wettbewerbers A350 gab es plötzlich Flüge ohne Zwischenlandung etwa zwischen Düsseldorf und Tokio oder München und Bogotá; die Passagiere wollten möglichst nicht mehr an großen Drehkreuzen umsteigen. Airbus hatte mit den Riesen für solchen Massenverkehr das Nachsehen.

Trotzdem, das versichern Flugzeughersteller und Branchenkenner einhellig, war die A380 trotz ihres wirtschaftlichen Misserfolgs nicht sinnlos. Airbus war gezwungen zusammenzuwachsen und erstmals als ein einheitliches Unternehmen zu handeln und aufzutreten. Der Lerneffekt war immens: "All das Fiasko um die A380 hat die A350 zum besten Flugzeugprogramm gemacht, dass wir je hatten", sagt John Leahy, ehemals oberster Airbus-Verkäufer. Man sei "endlich die vielen kleinen Königreiche in den Partnerländern losgeworden. Für diesen Erziehungseffekt allerdings 25 oder 30 Milliarden Euro auszugeben, erscheint mir doch als eine sehr ineffiziente Methode", räumt er ein.