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Überwachung "Made in Germany"

Bettina Marx15. April 2014

In Diktaturen werden mit Hilfe von Überwachungstechnologie Oppositionelle und Journalisten ausgespäht und verfolgt. Die Software kommt auch aus Deutschland. Ein Bündnis fordert nun bessere Exportkontrollen.

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Symbolbild Internet- und Telefonüberwachung (Foto: DPA)
Bild: picture-alliance/dpa

Menschenrechtsaktivisten in Bahrain haben keine Chance. Sie werden von ihrem Staat gnadenlos verfolgt und überwacht. Werden sie verhaftet, müssen sie mit Folter und hohen Gefängnisstrafen rechnen, so wie Abdulhadi al Khawajja, einer der Gründer und früherer Präsident des Bahrain Centre for Human Rights. Im April 2011 wurde er verhaftet, im Gefängnis schwer gefoltert und im Juni 2011 zu lebenslanger Haft verurteilt. Auch sein Nachfolger an der Spitze der Menschenrechtsorganisation, Nabeel Rajab, sitzt im Gefängnis. Er wurde im Dezember 2012 zu zwei Jahren Haft verurteilt. Sein Stellvertreter Yusuf al-Muhafdha hat Bahrain inzwischen verlassen. Seit kurzer Zeit lebt er in Berlin.

"Ich bekam Schwierigkeiten, weil ich über Twitter Informationen verbreitet habe", berichtet er. Dabei benutzte der Menschenrechtsaktivist seinen eigenen Namen. Die meisten Oppositionellen in Bahrain aber, die sich über soziale Netzwerke äußern wollen, nutzen Decknamen, um der Verfolgung durch die Sicherheitsbehörden zu entgehen. Doch selbst dies bietet ihnen inzwischen keinen Schutz mehr, denn die Inselmonarchie verfügt über die notwendige Technologie, um die falschen Identitäten zu knacken und die Meinungsäußerungen zu den wahren Absendern zurückzuverfolgen. Sie werden dann beschuldigt, den König beleidigt oder Lügen verbreitet zu haben. "Viele Menschen wurden aufgrund dieser Technologie verhaftet und bestraft, die von Unternehmen aus der Europäischen Union, auch aus Deutschland kommt", sagt al-Muhafdha. Er fordert daher eine strengere Kontrolle der Ausfuhr von Überwachungstechnologie.

Sayed Yusuf al-Muhafhda, Menschenrechtsaktivist aus Bahrain (Foto: Reporter ohne Grenzen)
Menschenrechtsaktivist aus Bahrain: Sayed Yusuf al-MuhafdhaBild: Reporter ohne Grenzen

Bündnis "CAUSE": Exporte kontrollieren!

Diese Forderung erhebt auch ein neues Bündnis von Menschenrechtsorganisationen und Netzaktivisten mit dem Namen "Coalition Against Unlawful Surveillance Exports" (CAUSE). Mitglieder sind unter anderem Reporter ohne Grenzen, Amnesty International, Human Rights Watch und der Verein Digitale Gesellschaft. Sie rufen die Bundesregierung auf, zügig umfassende Exportkontrollen für digitale Überwachungstechnologien einzuführen.

Ohne Regulierung könnten immer mehr repressive Staaten mit Hilfe westlicher Produkte Menschenrechtsaktivisten, Journalisten und Oppositionelle ausforschen, verfolgen und vor Gericht stellen, erklärten Vertreter des Bündnisses bei einer Pressekonferenz in Berlin. "Wir warnen schon lange vor der Überwachung im Internet", sagte Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen (ROG). Überwachung und Ausspähung von Journalisten sei in vielen Ländern längst Realität. Auch Facebook-Einträge würden gescreent und den Verhafteten dann während der Folter als belastendes Material präsentiert.

In Deutschland sei der Einsatz von Überwachungstechnologien illegal. Ihre Ausfuhr in Diktaturen aber werde durch Exportbürgschaften abgesichert. Dies sei "ein doppelter Skandal", so Mihr. "Wenn also westliche Demokratien selbst hemmungslos überwachen und die dazu gehörige Technik auch noch in Diktaturen und autoritäre Regime exportieren, dann machen sich Länder wie Deutschland als Vorkämpfer für Menschenrechte extrem unglaubwürdig." Die Bezeichnung "Made in Germany", oftmals fast eine Garantie für Qualität, werde damit in Misskredit gebracht.

Christian Mihr, Geschäftsführer von ROG (Foto: Reporter ohne Grenzen)
Christian Mihr, Geschäftsführer von ROGBild: Reporter ohne Grenzen

Führungsrolle Deutschlands

Deutschland komme eine besondere Rolle zu, denn viele der Unternehmen, die Spähprogramme entwickelten, hätten ihren Sitz in Deutschland, erläutert Alexander Sander vom Verein "Digitale Gesellschaft". Zum Beispiel die britisch-deutsche Firma Gamma International GmbH in München. Sie hat den Trojaner FinFisher entwickelt, der auch als FinSpy bekannt wurde. Enttarnt wurde er von dem kanadischen "Citizen Lab" der Universität Toronto. Die Forscher hatten entdeckt, dass die Software auf Computern von Demokratie-Aktivisten in Bahrain eingesetzt wurde. Mehrere Organisationen, darunter auch Reporter ohne Grenzen und das Bahrain Center for Human Rights reichten daher im vergangenen Jahr bei der OECD Beschwerde gegen die Firma ein. Sie warfen ihr vor, mit ihren Produkten zu Menschenrechtsverletzungen beigetragen zu haben.

Alexander Sander, Geschäftsführer von Digitale Gesellschaft e.V. (Foto: Alexander Sander)
Netzaktivist Alexander Sander, Digitale Gesellschaft e.V.Bild: privat

Auch der äthiopische Menschenrechtsaktivist Tadesse Kersmo wurde offenbar von dem Trojaner ausgespäht. Der Hochschullehrer war im Jahr 2009 nach Großbritannien geflohen, um von dort aus seinen Kampf für Freiheit und Menschenrechte in seiner Heimat fortzusetzen. Vor wenigen Wochen entdeckte er die Spionagesoftware auf seinem Computer, nachdem Auszüge aus Telefongesprächen und Emails von ihm im Internet in manipulierter Form veröffentlicht worden waren, um ihn zu diskreditieren.

"Dual Use": zivil und militärisch im Einsatz

In Deutschland prüfe das BKA ebenfalls den Einsatz von FinFisher, so ROG-Geschäftsführer Mihr. Wenn eine solche Software jedoch in Deutschland zum legalen Einsatz komme, bedeute dies nicht, dass sie auch an Unrechtsstaaten verkauft werden dürfe, wo sie zur Unterdrückung von Menschenrechten eingesetzt werden könne. Sie falle dann unter den Begriff des "Dual Use", also einer Technik, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke eingesetzt werden könne. Die Ausfuhrkontrolle solcher Güter wird im sogenannten Wassenaar-Abkommen von 1996 geregelt, dem auch Deutschland angehört.

Im letzten Jahr beschlossen die 41 Unterzeichnerstaaten, auch Überwachungstechnologien und Software in die Liste der Dual Use-Güter aufzunehmen. Die CAUSE-Mitglieder fordern die Bundesregierung auf, diese Beschlüsse zielgerichtet umzusetzen und damit für eine wirksame Kontrollen der Exporte von Überwachungstechnologien zu sorgen.