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Politik

Österreichs Geld für Russlands Fußballklub

18. Mai 2020

Der halbstaatliche österreichische Öl- und Gaskonzern OMV sponsert den Gazprom-Fußballklub Zenit St. Petersburg mit Millionen. Doch jetzt lässt der Aufsichtsrat das Finanzgebaren von OMV-Chef Rainer Seele überprüfen.

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Vladimir Putin, Alexey Miller und Rainer Seele
Rainer Seele (l.) beim Treffen mit Wladimir Putin (r.) und dem Gazprom-Chef Alexej Miller (2.v.r.) in Moskau 2017 Bild: picture-alliance/Kremlin Pool

Rainer Seele wollte es den russischen Oligarchen anscheinend gleichtun. Er flog im Privatjet zu Geschäftsterminen, veranstaltete rauschende Feste, sponserte Fußballklubs. Und dies alles auf Kosten des halbstaatlichen österreichischen Öl- und Gaskonzerns OMV, dessen Vorstandsvorsitzender der 59-jährige deutsche Top-Manager seit 2015 ist.

Österreich ist aber nicht Russland, und so hat Rainer Seele nun eine interne Überprüfung seiner Reisekosten und Sponsoringaktivitäten am Hals, nachdem das Investigativportal Dossier.at gleich zwei kritische Berichte über ihn veröffentlicht hat. Die Prüfung hat der OMV-Aufsichtsrat initiiert und Konzernsprecher Andreas Rinofer versichert auf DW-Anfrage: "Das ist ein jährlicher Routinevorgang." Allerdings unterrichtet normalerweise nicht Aufsichtsratschef Wolfgang Berndt persönlich die Nachrichtenagentur Reuters über eine Prüfung dieser Art. Der Vorgang soll bis Ende Juni dauern.

Enge Kontakte und Luxusparty mit Gazprom

Mit den Gepflogenheiten russischer Oligarchen dürfte sich Rainer Seele bestens auskennen. Schon vor dem Wechsel zur OMV pflegte er als Vorstandsvorsitzender des deutschen Öl- und Gasunternehmens Wintershall intensive Kontakte nach Russland, vor allem zum wichtigsten Geschäftspartner Gazprom und dessen mächtigen Chef Alexej Miller, einem engen Vertrauten Wladimir Putins. Zudem ist Seele seit 2012 Präsident der Deutsch-Russischen Außenhandelskammer (AHK) in Moskau.

Screenshot Rainer Seele: Aus dem Luxusleben eines Ölprinzen
Ein Screenshot des Beitrags auf dem Investigativportal Dossier.at Bild: dossier.at

So ist es nicht verwunderlich, dass vieles in der Recherche von Dossier.at unter dem Titel "Aus dem Leben eines Ölprinzen" einen Russlandbezug aufweist. Da wären beispielsweise die vielen Flüge mit gecharterten Privatflugzeugen, für die die OMV seit 2016 mehr als 400.000 Euro bezahlt haben soll. "Beliebte Destinationen: die Emirate sowie Russland und Irland", heißt es in dem Bericht. Seinem Autor Ashwien Sankholkar fällt hier nicht nur die Diskrepanz zu den Konzernrichtlinien in Sachen Dienstreisen auf. "Die OMV präsentiert sich als klimafreundliches Unternehmen, das schonend mit Ressourcen umgeht. Bosse, die mit dem Privatjet fliegen, passen da nicht ins Bild", sagt Sankholkar im Gespräch mit der DW.

Auch bei der "teuersten Party in der jüngeren Firmengeschichte" ging es um Russland. Im Juni 2018 wurden in der Wiener Hofburg unter dem Motto "Golden Wedding" 50 Jahre österreichisch-russische Gaslieferverträge gefeiert, mit Ehrengästen aus Moskau, darunter Gazprom-Chef Alexej Miller. "Um die Leute bei Laune zu halten, wurden keine Kosten gescheut. Die Rechnung für die Jubiläumssause ist sieben Seiten lang und summiert sich auf 868.558,97 Euro", schreibt Ashwien Sankholkar. Auch hier fällt dem Journalisten auf, dass die strengen Einkaufsrichtlinien der OMV "nicht so eng gesehen wurden".

Undurchschaubarer Deal mit Zenit St. Petersburg

Doch zum heißesten Eisen in dieser Geschichte könnte sich "der geheimnisvolle Zenit-Deal" entwickeln, dem Ashwien Sankholkar unter diesem Titel einen Extrabeitrag bei Dossier.at widmet. Es geht um den Gazprom-Fußballklub Zenit St. Petersburg, mit dem die OMV seit 2018 einen Sponsoringvertrag hat. Und dem seit 2019 als Präsident Alexander Medwedew vorsteht - jener Mann, der vorher als Chef von Gazprom Export jahrelang Rainer Seeles unmittelbarer russischer Gesprächs- und Geschäftspartner war, noch zu Seeles Wintershall-Zeiten.  

Fußball Zenit St Petersburg Teamfoto
Fußballklub Zenit St. Petersburg in der Gazprom-Arena, 2019Bild: picture-alliance/TASS/P. Kovalev

"Die Wiener fördern Wladimir Putins Lieblingsklub mit einem kleinen Vermögen. Doch die Details der Zusammenarbeit werden nicht verraten", wundert sich der Investigativjournalist, der spärliche Informationen zu diesem Engagement lediglich auf der russischen Website des österreichischen Konzerns findet.

Dabei sollen nach Recherchen von Dossier.at jährlich fünf Millionen Euro nach St. Petersburg fließen. Über einen Zeitraum von fünf Jahren, schreibt Ashwien Sankholkar, wären das 25 Millionen Euro für Zenit: "Für österreichische Verhältnisse ein Riesenbetrag." Denn die Kicker von Rapid Wien sponsert die OMV ebenfalls - aber in den Jahren 2019 bis 2021 lediglich mit 1,2 Millionen Euro jährlich.

Imagepflege für 25 Millionen Euro

Was sind also die Motive für das Engagement beim Gazprom-Klub? Das will auch die Wiener Zeitung "Kurier" von Rainer Seele wissen und fragt: "Die OMV sponsert Putins Lieblingsklub Zenit St. Petersburg, der Ex-Gazprom-Manager Medwedew ist dort Präsident. Wir verstehen ja, dass die OMV die Wiener Oper sponsert, aber Fußball in Russland? Was ist die Leistung dafür?"

Die Antwort des Konzernchefs klingt so: "Wir haben in allen Ländern, wo wir aktiv sind, unterschiedliche Sponsorings in verschiedenen Bereichen. Wir verkaufen die Hälfte unserer Gasproduktion in Russland im Inland, 50 Prozent unseres Erdgases kommen aus Russland. Es geht um unser Image."

Allerdings wird Imagepflege in diesem Fall sehr dezent betrieben. "In Russland fallen die Österreicher nicht wirklich auf. Die Zenit-Kampfmannschaft läuft nicht mit OMV-Logo aufs Spielfeld. Dafür ist es auf den Shirts der Nachwuchskicker zu finden", schreibt Ashwien Sankholkar und stellt fest: "Großes Geld für kleine Kinder."

Der Investigativjournalist vermutet, es könnte sich hier um "ein Geschenk für Gazprom" handeln mit dem Ziel, dem russischen Gasriesen die Umgehung der internationalen Fair-Play-Regeln zu erleichtern. Sprich: das Schummeln bei der Fußballfinanzierung - reiche Klubbesitzer und potente Sponsoren sollen den Vereinen keine Wettbewerbsvorteile verschaffen können. Aber auch ein Versickern der Gelder in Korruptionskanälen kann im heutigen Russland sicherlich nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Die konzerninterne Untersuchung der Spendierfreudigkeit Rainer Seeles könnte also noch richtig spannend werden.