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Fragen nach Reaktor-Zwischenfall

15. Juni 2021

An einem gemeinsam betriebenen französisch-chinesischen Kernkraftwerk in Taishan ist erhöhte Radioaktivität gemessen worden. Was ist bisher über den Zwischenfall bekannt?

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China Kernkraftwerk Taishan
Das Kernkraftwerk von Taishan arbeitet mit zwei Europäischen Druckwasserreaktoren (EPR)Bild: Xinhua/picture alliance

An einem der größten und modernsten Kernkraftwerke Chinas  in Taishan kam es nach Angaben des US-Fernsehsenders CNN zu einem Zwischenfall, bei dem radioaktive Edelgase ausgetreten sind. CNN beruft sich in seinem Bericht vom 14. Juni auf ein Schreiben des französischen Konzerns Framatome an die US-Atombehörde Department of Energy. Darin sei vor einer "unmittelbaren radiologischen Bedrohung" gewarnt worden. 

Nun gibt sich Framatome in einer Pressemitteilung  jedoch bedeckt. Die Firma bestätigt zwar, dass sie "die Lösung eines Problems im Betriebsablauf" unterstütze. Das Kernkraftwerk arbeite jedoch "innerhalb der Sicherheitsparameter". Auch Behörden geben Entwarnung.

Das ist bisher über den Vorfall bekannt:

Was für ein Reaktor steht in Taishan?

Das Kernkraftwerk arbeitet mit einem der modernsten und auch leistungsstärksten Reaktortypen, die derzeit existieren. Es ist ein Modell des Europäischen Druckwasserreaktors (EPR),  der von Framatome sowie dem Staatskonzern Électricité de France (EDF) entwickelt wurde. Framatome, eine Tochter des Areva-Konzerns, war 2001 mit der Reaktorsparte von Siemens fusioniert.

In Taishan, in der dichtbesiedelten Provinz Guangdong und nur 135 Kilometer von Hong Kong entfernt, stehen die zwei ersten Reaktorblöcke dieser Baureihe. Sie sind erst zwei und drei Jahre jung und bislang weltweit die einzigen, die Strom produzieren. Bauherr und Betreiber ist die Taishan Nuclear Power Joint Venture Company (TNPJVC),  die zu 70 Prozent der chinesischen Guangdong Nuclear Power Group (CGNPC)  gehört und zu 30 Prozent der EDF.  Reaktoren dieses Typs liefern eine Leistung von über einem Gigawatt.

Infografik - Atomkraft weltweit Überblick

Was für Radioaktivität ist wurde freigesetzt?

EDF erklärte, dass es in dem ersten der beiden Reaktorblöcke einen erhöhten Austritt von Edelgasen gegeben habe, und zwar im ersten Kühlkreislauf. Nach Aussagen eines Pressesprechers handele es sich um gering-radioaktives Xenon und Krypton, die ausgetreten seien, weil die Umhüllung von Brennstäben korrodiert sei. "Wir befinden uns nicht in einem Szenario mit einem geschmolzenen Reaktorkern", stellte der Pressesprecher klar. 

Brennelemente-Pellets in einem durchgeschnittenen Hüllrohr - nicht radioaktives Modell am Karlsruhe Institut für Technologie (KIT)
Brennelemente sind von einem Hüllrohr umgeben, wie bei diesem Modell. Kommt es beim Hüllrohr zu Korrosion, können die Brennelemente beschädigt werden. Bild: DW/F. Schmidt

Dies sei ein bekanntes Phänomen und für so einen Fall seien Handlungsanweisungen festgelegt. Der Austritt der Edelgase sei in einem üblichen Rahmen und nicht gefährlich. Die EDF habe eine Sitzung des Joint-Venture-Aufsichtsrates einberufen, um alle Daten zu dem Vorfall zu sichten, hieß es in einem Pressestatement.   

Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) erklärte in einer Stellungnahme gegenüber Reuters, ihr lägen bislang keine Hinweise auf einen Zwischenfall vor. CNN berichtet zudem, dass auch ungenannte US-Regierungsvertreter derzeit nicht von einer schweren Gefahrenlage ausgehen.

Ist Radioaktivität auch in die Umwelt gelangt? 

Zhao Lijian, Sprecher des chinesischen Außenministeriums, sagte am 15. Juni, dass es "keine Unregelmäßigkeiten bei der Strahlenbelastung um die Atomanlage" gebe. "Die Sicherheit ist garantiert", fügte er hinzu.

Karte: Standort des Kernkraftwerks in Taishan, China

Auch der Wetterdienst von Hong Kong hat bislang keine signifikant erhöhten Radioaktivitätswerte gemessen. 

Bereits am 9. April hatte die chinesische Nationale Nuklear-Sicherheitsbehörde, nach Angaben von Associated Press über einen Austritt von radioaktiven Gasen innerhalb der Anlage von Taishan berichtet, dies allerdings als "Vorfall ohne Sicherheitsrelevanz" eingestuft. Demnach seien auch damals keine signifikanten Mengen radioaktiver Gase nach außen gedrungen. 

Wie steht es um die Transparenz bei Zwischenfällen?

Im Fall der Druckwasserreaktoren von Taishan haben internationale Experten durchaus Zugang über die Kooperation und das französisch-chinesische Joint Venture. Insofern ist eine strikte Geheimhaltung unerwünschter Nachrichten durch Peking kaum möglich. Allerdings bemängeln Beobachter des chinesischen Atomprogramms bei anderen Anlagen oft einen Mangel an Transparenz. So formuliert das Portal Futurezone etwa den Verdacht, dass China spezielle Reaktoren baut, um darin Plutonium für sein Waffenprogramm zu brüten.  Verifizieren lassen sich solche Berichte indes kaum.  

Schmidt Fabian Kommentarbild App
Fabian Schmidt Wissenschaftsredakteur mit Blick auf Technik und Erfindungen