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Nicaraguas Kleinbauern leiden unter Überschwemmung und Dürre

Lise J Hermann
12. Juni 2019

Im mittelamerikanischen Trockenkorridor häufen sich die Extremwetterereignisse. Deshalb kämpfen in Nicaragua, dem ärmsten Land der Region, Kleinbäuerinnen wie Blanca Landero Betarco ums tägliche Überleben.

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Nicaragua Landleben im Zeichen des Klimawandels
Bild: Manuel Esquivel Urbina

Trockene, brennende Hitze liegt auf dem Dorf La Grecia im Nordwesten Nicaraguas. Etwas kühler ist es in dem kleinen roten Backsteinhäuschen, wo Blanca Landero Betarco auf ihre magere Ernte roter Bohnen zeigt. Die 60-Jährige lebt von dem, was sie selbst anbaut - genau wie ihre Eltern und deren Eltern zuvor. In Subsistenzwirtschaft pflanzt sie Bohnen, Reis, Mais und Weizen. Doch seit einigen Jahren bringt das Land nicht mehr das hervor, was Betarco zum Leben braucht.

"Ich weiß nicht, wie lange ich unter diesen Umständen noch von diesem Stück Land leben kann. Wer weiß, vielleicht verhungere ich eines Tages", sagt Betarco der DW. "Genau das ist es, was dieses Land für uns vielleicht noch hergibt: den Tod."

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La Grecia liegt in der Region Chinandenga und ist Teil des mittelamerikanischen Trockenkorridors, der sich von der Pazifikküste Zentralamerikas über Guatemala, El Salvador, Honduras und Nicaragua erstreckt.

Als El Niño zwischen 2014 und 2016 wütete, gab es entlang des gesamten Trockenkorridors enorme Ernteausfälle aufgrund von Dürren. Betarco und ihre Familie schlugen sich mit dem wenigen Geld, das zwei ihrer vier Kinder in einer örtlichen Fabrik verdienten, gerade so durch. Doch der Hunger war in dieser Zeit ein täglicher Begleiter. "In diesen Jahren haben wir wirklich alles verloren, unsere gesamte Ernte an Bohnen, Reis und Mais", sagt sie. "Manchmal haben wir einfach eine oder zwei Mahlzeiten ausgelassen, damit die Vorräte länger halten. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie wir es geschafft haben zu überleben."

Nicaragua - Landleben im Zeichen des Klimawandels
Die durchschnittliche, jährliche Niederschlagsmenge ist binnen 10 Jahren um die Hälfte gesunkenBild: Manuel Esquivel Urbina

Für so manchen wurde das Leben in dem Dorf unerträglich. "Manche Menschen sind verhungert. Einige sind stark abgemagert", sagt sie. "Diese Jahre waren wirklich extrem schwierig für uns. Viele sind nach Costa Rica, Panama oder Spanien abgewandert."

Viele Menschen verlassen Nicaragua

Laut der lokalen Nichtregierungsorganisation Centro Humboldt gingen 2016 bis zu 90 Prozent der Maisernte und 60 Prozent der Bohnenernte verloren. Die deutsche Organisation Germanwatch, die sich nach eigenen Angaben für globale Gerechtigkeit und den Erhalt der Lebensgrundlagen einsetzt, ordnet Nicaragua in die Reihe von Ländern weltweit ein, die am anfälligsten für den Klimawandel sind. Niederschläge gibt es in dem ärmsten Land Zentralamerikas in immer unregelmäßigeren Abständen.

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"Der Klimawandel hat die Voraussetzungen für eine landwirtschaftliche Produktion im Trockenkorridor zunichte gemacht", so Victor Campos, Direktor des Centro Humboldt. "Das führt zu Nahrungsmittelknappheit. Wenn es keine andere Einkommensquelle in den Familien gibt, führt das zu Hungersnöten."

Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat ausgerechnet, dass mehr als 55.500 Menschen bereits aus Nicaragua nach Costa Rica geflohen sind. Politische Unruhen werden als Hauptgründe für die Migration angeführt, aber der Klimawandel wird mehr und mehr von internationalen Organisationen, wie den Vereinten Nationen (UN), als Fluchtursache innerhalb Zentralamerikas anerkannt.

Nicaragua Landleben im Zeichen des Klimawandels
Wegen der Trinkwasserknappheit hat Blanca Landero Betarco Probleme, ihre Tiere und Pflanzen ausreichend zu versorgenBild: Manuel Esquivel Urbina

Tania Guillén, eine nicaraguanische Wissenschaftlerin am Climate Service Center Germany (kurz GERICS), stellt ebenfalls einen Zusammenhang zwischen den mageren Ernten der Kleinbauern und Migration her. GERICS ist eine von der deutschen Bundesregierung gegründete Wissenschaftsorganisation, die zu Methoden der Anpassung an den Klimawandel forscht.
Die Lebensmittelknappheit könnte "ein entscheidender Grund sein, warum Menschen in andere Länder auswandern", so Tania Guillén.

Mit Auslandsüberweisungen helfen

Der 25-jährige Sohn von Betarco, Norlan Alberto Martinez Silvia, verließ unter anderem auch wegen der lange anhaltenden, extremen Dürre seine Heimat. In Nicaragua sah er keine Zukunft mehr für sich. Jetzt arbeitet er als Sicherheitsmann in einer Privatschule in Cartago, unweit von San José, der Hauptstadt Costa Ricas. Um 6 Uhr morgens endet seine Nachtschicht. "Ich bin nach Costa Rica gegangen, auf der Suche nach besseren wirtschaftlichen Bedingungen", sagt er der DW. "Zuvor habe ich zusammen mit meiner Mutter geschuftet, aber das hat uns kein Geld eingebracht, nur so viel, um uns selbst mehr oder weniger zu ernähren."

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Jetzt kann er mehr zum Einkommen seiner Familie beitragen, als er es zu Hause hätte tun können. Sein Gehalt in der Fabrik betrug umgerechnet etwa 177 Euro pro Monat. In Costa Rica verdient er umgerechnet 532 Euro, die Hälfte davon kann er seiner Mutter schicken. Für Betarco war es nicht leicht, ihren Sohn ziehen zu lassen. Doch das Geld, das er ihr jeden Monat überweist, ist wichtig: "Er schickt mir Geld, damit ich hier überleben kann", sagt Betarco.

Warten und Hoffen

El Niño war ein absoluter Tiefpunkt für die Menschen im Trockenkorridor, doch auch in den Jahren danach hatten es die Gemeinden nicht leicht. Die neuesten wissenschaftlichen Untersuchungen des Centro Humboldt belegen, dass die Temperaturen weiter steigen und es in Zukunft häufiger Hitzerekorde geben wird. Betarco kann das bestätigen. Ihre letzten beiden Ernten waren kaum besser als die im El-Niño-Jahr 2016. Sie glaubt mittlerweile, dass die Umwelt sich nicht mehr erholen wird und macht das am Wasser fest: "Einst hatten wir einen wunderschönen, großen Fluss in Chinandenga. Da gibt es heute aber keinen Fluss mehr, es ist eher eine Pfütze." Die Trinkwasserknappheit macht es ihr immer schwerer, sich ausreichend um ihre Tiere zu kümmern.

Nicaragua Landleben im Zeichen des Klimawandels
Der Anbau von Bohnen, Reis, Mais und Weizen ist wegen der häufigen Dürren und Überschwemmungen schwer planbar gewordenBild: Manuel Esquivel Urbina

Trotz fast ausgetrockneter Flüsse kommt es im gesamten Trockenkorridor auch immer häufiger zu Überschwemmungen. Zwar hat es vor zehn Jahren noch an doppelt so vielen Tagen im Jahr geregnet wie heute. Doch zu viel Niederschlag in kurzer Zeit ist ein großes Problem. So fiel im Mai diesen Jahres innerhalb von nur fünf Tagen so viel Regen wie sonst innerhalb eines ganzen Jahres. Das bedeutet, dass die erste Ernte des Jahres mit hoher Wahrscheinlichkeit verloren sein wird, so die Experten vom Centro Humboldt. Diese Unsicherheit ist eine der größten Herausforderungen für Kleinbäuerinnen wie Betarco. "Der Klimawandel hat unsere Produktion stark in Mitleidenschaft gezogen. Heute regnet es, morgen wieder nicht. Und dann ist da noch diese Hitze."

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Seit 2016 misst Betarco die Niederschläge des Tages mit einem Regenmesser, einem kleinen, länglichen Plastikbehälter. Sie achtet genau auf den Beginn der Regenzeit und auf die Beschaffenheit ihres Bodens, um den bestmöglichen Zeitpunkt für die Aussaat zu bestimmen. Das gibt ihr ein klein wenig das Gefühl, gegen die Unsicherheit gewappnet zu sein. Die Prognosen für das anstehende Jahr sehen allerdings nicht gut aus. Sie kann nur warten und hoffen, dass ihre Ernte entgegen aller widrigen Vorhersagen doch noch besser ausfallen wird: "Wir müssen abwarten und sehen, was dieses Jahr bringt."