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Zurück ins Reich der Mitte

Frank Sieren7. April 2014

Für chinesische Studenten im Ausland ist es schwierig nach dem Abschluss auch dort Arbeit zu finden. Macht nichts: Denn zu Hause locken längst viel lukrativere Angebote, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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Drei junge chinesische Studierende in Köln
Bild: DW/Lu Yi

Ausländer, die für das Studium oder zum Arbeiten nach China kommen, schimpfen gern über das Gastland: Der Smog, die Lebensmittelsicherheit, der Verkehr, die gewöhnungsbedürftigen Manieren. Das alles nervt nach einer Weile, oft so sehr, dass sie China früher oder später den Rücken kehren.

Und was sagen Chinesen, die im Ausland studieren? Erstaunlicherweise das gleiche: Für sie ist wiederum der Westen die Fremde, über die sie sich leidenschaftlich aufregen können. Zum Beispiel über die miese Wirtschaftslage in den USA und vielen Ländern Europas. Am meisten ärgert sie, dass der Westen wirtschaftlich viele Fehler macht und die Westler dennoch herablassend gegenüber den Chinesen sind. Da hilft dann auch die relativ gute Luft in London, New York und Paris nicht.

Hinzu kommen noch die strengen Visaregeln, die den Chinesen kaum Zeit lassen, sich in Ruhe auf dem Arbeitsmarkt umzusehen. Selbst die Briten greifen inzwischen hart durch: War es chinesischen Absolventen bis vor kurzem noch möglich, nach Ende des Studiums ihren Aufenthalt um zwei Jahre zu verlängern, müssen sie heute direkt zurück nach Hause. Ähnliche Regeln gibt es in Kanada und den USA. Und selbst wenn es gelingt, einen Job zu ergattern, geht es mit der Karriere erstmal nur sehr langsam voran. Ausländer sind eben nicht die erste Wahl.

Frank Sieren (Foto: privat)
Sieren: Trotz besserer Luft im Ausland gibt es Grund zum KlagenBild: Frank Sieren

Lockender Ruf der Heimat

Das nervt die jungen, hochqualifizierten Chinesen und deshalb packen sie immer häufiger die Koffer. Die Zahl der chinesischen Studenten im westlichen Ausland steigt, die Zahl derjenigen, die dem Westen als Arbeitskräfte erhalten bleiben, sinkt. Zwischen 1978 und 2013 haben mehr als 2,6 Millionen junge Chinesen im Ausland studiert. Die meisten von ihnen lernen in den USA, Großbritannien, Kanada oder Australien. Aber auch Frankreich, Spanien und Deutschland sind beliebt.

2013 waren rund 25.000 junge Chinesen an deutschen Hochschulen und Universitäten immatrikuliert. Über die Hälfte wählen Wirtschaftswissenschaften, gefolgt von Ingenieurswesen und Künsten. Und danach geht's nach Hause. Kehrten bis 2007 – also bis kurz vor Ausbruch der Finanzkrise – noch lediglich 50 Prozent eines Jahrgangs in die Heimat zurück, sind es mittlerweile um die 80 Prozent. Alleine 2013 sind über 350.000 Chinesen mit erfolgreichem Abschluss nach Hause zurückgekehrt – ein neuer Rekord.

Rückkehrerschwemme

Doch anders als junge Leute aus dem Westen, die sich nach einem Aufenthalt in China zurück in der Heimat erst einmal fragen müssen, wie es für sie weiter geht, ist der Weg für Chinas Heimkehrer vorgezeichnet. Die Wirtschaft daheim boomt und Karriere lässt sich im eigenen Land inzwischen viel besser machen als in der alten Welt. Städte wie Peking, Shanghai oder Guangzhou stehen dabei an erster Stelle. China hat seinen jungen Auslandsabsolventen einiges zu bieten. Wer Unternehmer werden will, wird vom Staat großzügig unterstützt. Wissenschaftler bekommen viel Geld zum Aufbau von Forschungseinrichtungen. Chinas Regierung bemüht sich um diese Talente, denn sie nützen der chinesischen Wirtschaft.

Allerdings: Inzwischen kommen so viele zurück, dass die Wirtschaft Probleme hat, sämtliche Absolventen adäquat unterzukriegen. Deshalb haben sie einen neuen Spitznamen bekommen. Bislang werden Studenten, die aus dem Ausland zurückkehren in China "Haigui" genannt. "Hai" bedeutet Ausland, "Gui" heißt Rückkehr. Neuerdings werden sie "Haidai" genannt – und "Dai" bedeutet warten.