Zum Tod von Bernhard Heisig
10. Juni 2011Als in den 1990er Jahren in Deutschland kontrovers über den Umgang mit Kunst debattiert wurde, da stand eines seiner Bilder im Mittelpunkt. Was war geschehen? Bernhard Heisigs Gemälde "Zeit und Leben" sollte in der Cafeteria des Bundestages im ehemaligen Reichstagsgebäude aufgehängt werden. Das Bild zeigt - abstrakt gemalt und gegenständlich zugleich - Szenen aus der deutschen Geschichte. Doch es ging weniger um den Inhalt des Bildes, sondern um die Vita des Künstlers.
Staatskünstler der DDR
Heisig war lange Jahre einer der großen, bekannten und auch geehrten Maler der DDR. In vielfältiger Funktion, in Amt und Würden, war er einer der Vorzeigekünstler des Regimes. Er malte Lenin und andere Politiker der sozialistischen Welt, entwarf Szenen linker Geschichtssicht, wurde ausgestellt und gewürdigt von Honecker und anderen Oberen der DDR.
Doch Bernhard Heisig war auch das: ein Verstoßener des Regimes, ein abgesetzter Hochschullehrer, ein nicht-linientreuer Maler Ostdeutschlands. Einer, der - wenn auch spät - nationale Preise zurückgab und aus der SED austrat. Heisig, der zwei Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg in den Osten übersiedelte und in die Staatspartei eintrat, war Staatskünstler und kritischer Geist zugleich.
Auslöser des Bilderstreits
Konnte man so einem die Ehre zuteil werden lassen, im Bundestag höchst offiziell ein Bild ausstellen zu dürfen? Im sogenannten "Bilderstreit", in dem es eben darum ging, wie man mit dem Werk von "Staatskünstlern" umzugehen habe, wandten sich die Kritiker gegen Heisig. Dem langjährigen Rektor der Leipziger Hochschule wollte man diese Ehre nicht gewähren.
Die andere Seite setzte sich schließlich durch. Das hatte auch damit zu tun, dass Heisigs Befürworter gute Argumente hatten. Sein Rang als Künstler war unumstritten, als Leiter der Hochschule war er eine Autorität und galt als einer der bedeutendsten Vertreter und Gründerväter der "Leipziger Schule". Zu seinen Meisterschülern gehörte auch Neo Rauch, später sein Assistent, und heute einer der weltweit gefragtesten Künstler überhaupt. Und schon vor der Wende hatte der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt Heisig ausgewählt als seinen Portätisten für die Kanzlergalerie in Bonn - auch das ein Zeichen dafür, dass dieser Maler beide Seiten zu verbinden wusste.
"Opfer der Zeitläufe"
"Heisig hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er Täter und Opfer der Zeitläufe war. Seine künstlerische Leistung liegt in der lebenslangen Auseinandersetzung mit den Traumata einer Biographie, die aus Krieg und Diktatur in eine weitere Diktatur und den Kalten Krieg überging", schrieben die Kuratoren der großen Bernhard Heisig-Ausstellung, die im Jahre 2005 in Berlin, Leipzig und Düsseldorf zu sehen war. Damit nahmen sie nicht nur Bezug auf die Jahre in der DDR, sondern ganz ausdrücklich auch auf Heisigs freiwillige Kriegsteilnahme in den Jahren 1942 bis 1945 für die Nationalsozialisten. Damals wurde Heisig, der an der West- wie an der Ostfront als Soldat kämpfte, mehrfach schwer verwundet. Vor allem auch diese Erlebnisse sollten später zu einem großen Thema seiner Kunst werden.
Krieg und die Rolle des einzelnen Individuums darin, das war in vielen seiner Gemälde ein wichtiges Aspekt. Heisigs Bilder waren dabei immer abstrakt und gegenständlich zugleich, expressionistisch in der Pinselführung, von großem Temperament und Engagement geprägt. Da stand er in der Tradition deutscher Künstler wie Oskar Kokoschka und Max Beckmann. Jetzt ist Bernhard Heisig im Alter von 86 Jahren gestorben. Kulturstaatsminister Bernd Neumann würdigte Heisig in einer ersten Reaktion als einen der bedeutendsten zeitgenössischen Maler und Grafiker.
Autor: Jochen Kürten
Redaktion: Sabine Oelze