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Zuckerbrot und Peitsche

Udo Bauer19. September 2002

In Sachen Irak drängt US-Präsident Bush den amerikanischen Kongress und die UNO zur Eile. Er will möglichst schnell freie Hand für einen Waffengang gegen Saddam Hussein.

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Thomas Daschle ist ein besonnener Politiker. Er ist Vorsitzender der Demokraten im US-Senat und alles andere als begeistert von einem überstürzten Krieg gegen den Irak. Aber er kann auch nicht typisch amerikanische Politikweisheiten ignorieren.

Eine lautet: Du bist ein schlechter Patriot, wenn Du den Präsidenten in Kriegs- und Krisenzeiten kritisierst! Deshalb musste Daschle dieser Tage dem Wunsch des Präsidenten zustimmen, noch vor den Zwischenwahlen zum Kongress Anfang November über eine Resolution abzustimmen, die dem Präsidenten die Möglichkeit gibt, einen Krieg vom Zaum zu brechen.

Die Demokraten hoffen darauf, dass sie, wenn das Thema erst einmal vom Tisch ist, im Wahlkampf wieder mit dem punkten können, was die wahren Probleme Amerikas sind: Die lethargische Wirtschaftslage, die angeschlagenen Aktienmärkte und die Kriminalität der Wirtschaftsführer. Genau davon hatte George Bush nämlich in den letzten Wochen mit seinem Kriegsgetrommel abgelenkt. Eine einzigartige politische Strategie war damit aufgegangen, die Macchiavelli glatt in den Schatten stellt.

Agieren statt Reagieren

Bushs Wadenbeißer vom Dienst, namentlich Verteidigungsminister Rumsfeld und Vizepräsident Cheney, hatten in der Sommerpause des Kongresses die Peitsche geschwungen. Sie haben scheinbar eigenmächtig mit unilateralen Kriegs-Szenarien hantiert und durchblicken lassen, dass man weder die Zustimmung der UNO, noch die Zustimmung des Kongresses für einen Irak-Krieg brauche.

Der Präsident wartete getrost die öffentlichen Proteste ab und positionierte sich fürs Erste neutral. Er sei ein geduldiger Mann, liess er mehrmals wissen. Dann reichte er Zuckerbrote: Natürlich werde der Kongress mit einbezogen in eine Kriegsentscheidung, und natürlich werde der Weg über die UNO versucht. Die Demokraten hatten erkannt, dass Bush sie allesamt ausgetrickst hatte, dass er jetzt Herr der Agenda ist.

Präsidentenberater Andrew Card machte dann auch keinen Hehl aus seiner Freude über diesen gelungenen Schachzug. Sinngemäss zog er den Vergleich zu einer Produktkampagne, bei der auch immer eins entscheidend sei: das Timing.

Spiel über Bande

Eine ähnliche Strategie fährt Bush auch in Sachen UNO. Groß war in der Generalversammlung die Freude darüber, dass Bush die Irakfrage im UN-Sicherheitsrat diskutieren lässt. Aber Vorsicht! Die USA spielen Pool-Billard. Sie spielen über die Bande (UNO), weil sich die Kugel ansonsten nicht so einfach im Loch (Irak) versenken lässt. Sie wollen eine (Pseudo-)Legitimation für einen Krieg vom Sicherheitsrat, und sie werden sie bekommen.

Alles Verhandlungssache, alles eine Sache von Zuckerbroten für die ständigen Mitglieder mit Vetorecht, China, Frankreich, Russland und Großbritannien. In jedem dieser Länder warten große Ölkonzerne nur darauf, dass es im Irak zu einem Machtwechsel kommt. Es gilt jetzt für die Amerikaner nur noch einen Weg zu finden, wie man die nachgewiesenen 112 Milliarden Barrel Rohöl im irakischen Boden möglichst gerecht untereinander aufteilt.

Duell in der Wüste

Saddam Hussein ist gefährlich, er ist ein skrupelloser Diktator und ein überführter Mörder - das sind Fakten. Vieles andere ist unbewiesen. Er ist möglicherweise im Besitz von Massenvernichtungswaffen, die er
möglicherweise an Terroristen verkauft, die sie dann möglicherweise gegen die USA einsetzen. Das ist für George Bush Grund genug für einen Präventivkrieg.

Es ist wie in einem schlechten Western: Der schwerbewaffnete amerikanische Sheriff fordert einen Gangster in der Wüste zum Duell. Der Gangster trägt keine Pistole im Holster, hat aber möglicherweise eine Waffe unterm Jacket versteckt. Also zieht und
schießt der Sheriff zuerst. Und er sieht sich im Recht. "Better safe than sorry!", sagt er, "auf jeden Fall ist Dodge City jetzt ein bisschen sicherer."