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Rechte und Regeln

7. Juni 2011

Mehr Nord-Süd-Gerechtigkeit ist das Ziel von Germanwatch. Mehr Unternehmensverantwortung will das Netzwerk CorA. Was will die neue, gemeinsame Kampagne erreichen? Fragen an Johanna Kusch.

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Johanna Kusch (Foto: Karoline Kraft / Germanwatch)
Johanna Kusch fordert UnternehmensverantwortungBild: Germanwatch

DW-WORLD.DE: Frau Kusch, sie arbeiten für Germanwatch und engagieren sich auch im Netzwerk CorA - beide koordinieren und unterstützen eine Kampagne unter dem Titel "Rechte für Menschen - Regeln für Unternehmen". Um was geht es dabei ?

Johanna Kusch: Es geht um die Rechte der betroffenen Menschen und dafür braucht es Regeln von Unternehmen, weil derzeit Unternehmen, wenn sie weltweit tätig sind, nicht nur Gutes tun, sondern auch Menschenrechte verletzten und dafür noch nicht in dem Maße haften müssen, wie sie es unserer Meinung nach müssten. Wir sind dafür, dass Unternehmen für die negativen Auswirkungen ihrer Tätigkeiten haftbar gemacht werden können.

Chinesische Arbeiterinnen in einer Näherei in Peking (Foto: AP)
Wie sind die Arbeitsbedingungen in asiatischen Zulieferbetrieben?Bild: AP

Neben Haftungs- und Sorgfaltspflichten fordern wir die Offenlegung von Informationen: Wie produziert das Unternehmen, von dem ich mein Handy kaufe oder von dem ich ein Kleidungsstück trage? Wie werden die Sachen konkret hergestellt? Dafür brauche ich Informationen, die häufig nicht zur Verfügung gestellt werden.

Das heißt, ich kann als Verbraucher nicht erkennen ob das, was ich kaufe, unter Verletzung von Menschenrechten hergestellt worden ist. Aber ist denn die Gewährleistung der Menschenrechte durch die Globalisierung stärker in Gefahr?

Ja, das glaube ich, weil in den letzten Jahrzehnten die unternehmerische Tätigkeit extrem zugenommen hat, gerade durch die Verbreitung in verschiedenen Ländern. Parallel dazu sind die staatlichen Steuerungsmaßnahmen nicht im gleichen Maße mit angezogen. Das heißt: Unternehmen haben an Möglichkeiten gewonnen, müssen sich aber weniger Kontrollen aussetzen. Und das geht häufig zu Lasten der Menschenrechte. Auch die von der Bundesregierung betriebene Außenwirtschaftsförderung ist unserer Meinung nach viel zu wenig an Menschenrechtsfragen gekoppelt, so dass Investitionen vergeben werden ohne zu fragen, welche Auswirkungen diese Tätigkeit im Ausland auf die dort lebenden Menschen hat. Da sehen wir auch eine ganz große Gefahr.

Bedeutet das, dass es staatliche Exportförderung in Deutschland auch für Unternehmen gibt, die im Ausland Menschenrechte verletzen und Umweltschäden verursachen? Gibt es dafür Beispiele?

Luftaufnahme: großes Bauprojekt in der Bucht von Sepetiba, Brasilien (Foto: ThyssenKrupp Steel, CSA)
Umstrittenes Megaprojekt von ThyssenKrupp in der Bucht von Sepetiba, BrasilienBild: ThyssenKrupp

ThyssenKrupp beispielsweise hat im Rahmen der Außenwirtschaftsförderung Gelder erhalten - ich glaube in Höhe von etwa 200.000 Euro - und die brasilianische ThyssenKrupp-Tochter CSA wurde jetzt vor gar nicht so langer Zeit vor brasilianischen Gerichten zu einer extrem hohen Umweltstrafe verurteilt, weil das Tochterunternehmen bestimmte Umweltauflagen nicht eingehalten hat. Hier hat man Umweltschäden festgestellt.

Die Möglichkeit, sich an nationale Gerichte zu wenden gibt es also - aber nur selten hat man gehört, dass es zu Gerichtsverfahren und im Ergebnis zu solchen Entschädigungen kam. Woran liegt das ?

Das Problem ist häufig Korruption und mangelnder Durchsetzungswille von Behörden - so dass auf jeden Fall mit Einflussnahme auf ein Gerichtsverfahren zu rechnen ist. Außerdem besteht auch die Gefahr von zivilen, privaten Wachschutz-Firmen verfolgt oder zusammengeschlagen zu werden. Das lässt die Betroffenen vor Klagen zurückschrecken. Was Betroffene aber derzeit noch nicht können, ist beispielsweise vor europäischen Gerichten zu klagen, wenn ein Zulieferer eines europäischen Unternehmens für eine Menschenrechtsverletzung verantwortlich ist. Das ist das, wofür sich das europäische Netzwerk für verbindliche Unternehmensverantwortung einsetzt: "Rechtszugang für Betroffene".

Wie viel Engagement gibt es denn bei weltweit operierenden Unternehmen in Europa, eine solche Regelung zu forcieren?

Insgesamt gibt es eine Tendenz bei Unternehmensvertretern zu sagen: Wir setzen auf freiwillige Maßnahmen. Wir halten zum einen natürlich die Gesetze ein und darüber hinaus engagieren wir uns auch noch. Auch das CorA-Netzwerk sagt: Das ist durchaus eine mögliche Aktivität, sie reicht halt nur nicht aus, gerade wenn es um schwere Menschenrechtsverletzungen geht.

Es gibt auch Unternehmen, die stärker sehen, dass ein Engagement wichtig ist, dass es auch zum Kerngeschäft gehören muss, und dass wir es auf verschiedenen Ebenen mitdenken müssen; auch in den Einkaufspraktiken und ähnlichem. Aber das hört immer an einer bestimmten Grenze auf.

Was ist das für eine Grenze?

Sweatshop in Manila (Bild: AP)
Weit verzweigte Zuliefererketten: Sweatshop in ManilaBild: AP

Wenn die Zulieferkette zu weit verzweigt ist. Das ist aber bei vielen Produkten der Fall und viele der gravierenden Menschenrechtsverletzungen passieren dann in der dritten oder vierten Zulieferkette. Das sind dann die kleineren Textilproduktionsstätten, die kleineren Elektronikzusammenschraubbuden, wo die Menschenrechtsverletzungen tatsächlich stattfinden, zum Beispiel wenn Arbeiterinnen mit giftigen Chemikalien arbeiten müssen und kein sicherer Schutz zu Verfügung steht.

Welche Chancen sehen Sie, diese unfairen, gesundheitsschädlichen und menschenrechtswidrigen Arbeitsbedingungen in naher Zukunft verbessern zu können?

Also wir sehen einen konkreten Lichtblick darin, dass die Debatte überhaupt geführt wird. Und auf europäischer Ebene sehen wird, dass von dem Dogma der ausschließlich freiwilligen Verantwortung von Unternehmen Abstand genommen wird und stärker verbindliche Regeln diskutiert werden. Der UN-Berichterstatter für Menschenrechte und Wirtschaft, Professor John Ruggie, hat kürzlich Leitlinien für Menschenrechte und Unternehmen herausgegeben. Dieses Rahmenwerk, die "Guiding Principles", setzt ganz klar an der Pflicht von Staaten an, dass es nicht zu Menschenrechtsverletzungen kommen darf, auch nicht durch Unternehmen. Das heißt der Staat muss da aktiv werden und die Menschen schützen. Das interpretieren wir so, dass dann auch der Staat verantwortlich ist, bestimmte Regeln zu schaffen, dass Menschenrechtsverletzungen nicht möglich sind.

Johanna Kusch ist Referentin für Unternehmensverantwortung bei Germanwatch, Berlin.

Interview: Ulrike Mast-Kirsching
Redaktion: Wim Abbink