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Zacken aus der Krone?

Alexander Musik4. September 2008

Was der Springer-Verlag in Deutschland war, ist die „Kronenzeitung“ in Österreich. Ohne Unterstützung durch das populistische, kleinformatige Blatt sei in Österreich gar nichts möglich, sagen viele.

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Ein Verkaufsstand für die österreichische Kronen Zeitung (08.12.2007/dpa)
Die Kronen Zeitung verkauft täglich 850.000 ZeitungenBild: picture-alliance/ dpa

Eine Zeitung für alle will die Kronenzeitung sein. Laut Herausgeber Hans Dichand ist das Blatt weder nur für Junge, noch nur für Alte bestimmt. Und so bloggt der 87-Jährige seit einiger Zeit auch im Internet. Im Online-Portal „youtube“ lädt er alle ein, einmal nachzulesen, was er von Georgien oder der Türkei hält.

Ein kleines heiles Weltbild

Zeitungsherausgeber Hans Dichand (13.02.2002/AP)
Hans Dichand gibt die Kronen Zeitung herausBild: AP

Dort lässt sich auch nachschauen, warum Dichand gerne „Onkel Hans“ genannt wird, denn Österreichs erfolgreichster Medienmacher gibt sich ganz wie der gutmütige alte Herr von nebenan. Der durchschnittliche Krone-Leser allerdings geht nicht online. Er freut sich, dass die kleinformatige Zeitung ihm jeden Tag neu sein Weltbild bestätigt, sagt Bernard Odehnal, Österreich-Korrespondent für den Schweizer „Tagesanzeiger“.

In der Zeitung arbeiteten die gleichen Journalisten wie vor 30 Jahren und das Layout sei gleich geblieben, was sie zu einer Konstante in diesem Land mache. Selbst der Herausgeber sei derselbe. Und weil die Kronenzeitung erfolgreich laufe, gebe es auch keinen Grund für diese Zeitung, etwas zu ändern. „Sie ist so effizient, sie ist so billig gemacht und hat gleichzeitig eine so große Auflage, da wäre jede Änderung dumm,“ sagt der Korrespondent. Vielleicht hänge es auch damit zusammen, dass sich in einer globalisierten Welt so viel ändere, dass die Leser froh seien, etwas in der Hand zu haben, das vor 30 Jahren genauso aussehe wie jetzt.

Erst die Meldung, dann das Ereignis

Österreichs Kanzler Alfred Gusenbauer und Chef der SPÖ Werner Faymann (07.07.2008/AP)
Ein offener Brief der SPÖ an die Kronen Zeitung hatte den Koalitionsstreit mit der Volkspartei ÖVP eskalieren lassenBild: AP

Die verkaufte Auflage der Kronenzeitung beträgt 847.000 Exemplare und erreicht damit fast drei Millionen Leser. So verfügt Dichand, der seine Redakteure seit Jahrzehnten an der kurzen Leine hält, im kleinen Österreich über eine außerordentliche Meinungsmacht. Die Krone mache ja oft ordentlichen Journalismus und habe ein gutes Gespür dafür, was die Leute lesen wollen. Das bestätigt nicht nur Korrespondent Ohdenal dem Boulevardblatt, das seine Namen von einer Postille aus der Kaiserzeit hat. Diese wurde ab 1900 billig – für eine Krone eben – verkauft.

Doch das Gefährliche an der Zeitung sei, so Odehnal, dass sie nicht berichten könne, ohne damit gleich eine Kampagne für oder gegen loszutreten. Derzeit versucht die Krone, die SPÖ bei den Wählern 28. September an die Regierung zu bringen: Was die Kronenzeitung im Moment mit dem Spitzenkandidaten der SPÖ mache, das sei geradezu schon ein neostalinistischer Personenkult. Die Krone drucke Lobeshymnen. Und anlässlich einer TV-Diskussion zwischen SPÖ und Grünen, habe die Kronenzeitung schon berichtet, dass die SPÖ gewonnen habe, bevor das TV-Duell überhaupt ausgestrahlt wurde.

Der Politiker-Schreck

Das Goldene Dachl in Innsbruck von oben gesehen (26.02.2008/dpa)
Regiert in Österreich in Wahrheit die Kronen Zeitung?Bild: picture-alliance/ dpa

Eine andere Seite der Kronenzeitung sind ein Anti-EU-Kurs sowie ausländerfeindliche und antisemitische Untertöne. Legendär sind ihre Kampagnen für den Aufstieg des rechtsextremen Jörg Haider und gegen ein Kernkraftwerk in Zwentendorf, das gebaut, aber nie in Betrieb genommen wurde. Viele Politiker fürchten sich vor der Krone, die Hans Dichand 1959 zum ersten Mal herausgab, damals noch mit Kapital aus der sozialdemokratischen Gewerkschaftskasse.

Professor Roland Burkart, Kommunikationswissenschaftler an der Uni Wien, hält die oft zitierte Allmacht der Krone allerdings für eine Halbwahrheit. „Wirkungsmacht heißt mit Sicherheit, dass solche großen Medien die Chance haben, über ihre Themen den Stoff zum Nachdenken zu bestimmen.“. Aber aus vielen Untersuchungen wisse er, dass in der medialen Vielfalt die Macht nie von einem Medium alleine ausgeübt werden könne. Es stimme schlicht und einfach nicht, dass ohne die Krone in Österreich nichts möglich sei.

Herausgeber Hans Dichand mache die Identität der Krone zu 99 Prozent aus, sagt der Wissenschaftler. Was wird, wenn der 87-Jährige der Zeitung nicht mehr seinen autoritären Stempel aufdrücken kann? Über eine Krone ohne „Onkel Hans“ wird im Land viel spekuliert. Als Chefredakteur hat Hans Dichand jedenfalls bereits seinen Sohn eingesetzt.