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"Ich war immer aufrichtig"

17. Februar 2012

"Ich war immer aufrichtig", betonte der Bundespräsident bei seinem letzten Auftritt. An seiner Seite - Ehefrau Bettina. Das Paar wirkt erleichtert. Und wahrscheinlich stimmt der Eindruck sogar.

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Berlin/ Bundespraesident Christian Wulff gibt am Freitag (17.02.12) im Schloss Bellevue in Berlin neben seiner Frau Bettina eine Erklaerung ab. Bundespraesident Wulff hat am Freitag in Berlin seinen Ruecktritt erklaert. (zu dapd-Text) Foto: Michael Gottschalk/dapd
Der Rücktritt von Christian WulffBild: dapd

Festen Schrittes betritt Christian Wulff den Großen Saal im Schloss Bellevue. Nach wenigen Metern bleibt er am Rednerpult stehen, hinter sich die schwarz-rot-goldene deutsche Fahne, neben sich seine Frau Bettina im marineblauen Kostüm. Die First Lady, die sie in diesem Moment noch ist, wirkt genauso gefasst wie ihr Mann. Mehr noch - ein sanftes Lächeln umspielt ihren Mund. Die Mimik bildet einen merkwürdigen Kontrast zu dem ernsten Anlass. Alle wissen, dass der erste Mann im Staat gleich seinen Rücktritt erklären wird.

Gespannt sind die kurzfristig eingeladenen Medienvertreter nur noch auf die Begründung für seinen Schritt, der aus Sicht der anwesenden Journalisten schon längst überfällig war. Darüber besteht Einigkeit im Kollegenkreis, von denen viele ungewohnt früh ins Schloss geeilt sind, um einen guten Sichtplatz zu ergattern. Das gilt besonders für die Kameraleute der TV-Sender und Pressefotografen, die das Präsidentenpaar kurz nach elf Uhr mit einem Blitzlichtgewitter empfangen. Drei Minuten und 40 Sekunden später werden sie Hunderte Fotos gemacht haben, die sich - abgesehen von der Perspektive - kaum voneinander unterscheiden dürften. Denn Christian Wulffs Gesichtausdruck verändert sich während seiner Rücktritterklärung kaum. Das Gleiche gilt für seine Frau, die bis zuletzt lächelt.

Wulffs Herzensanliegen Integration

Ob betont absichtlich oder rein zufällig, die Beiden erwecken den Eindruck, als verließen sie erhobenen Hauptes ihren Arbeitsplatz. Gerne habe er die Wahl zum Bundespräsidenten angenommen und sich "mit ganzer Kraft dem Amt gewidmet", beginnt Christian Wulff seine Erklärung. Und gleich im nächsten Satz spricht er das Thema an, von dem Bundeskanzlerin Angela Merkel eine halbe Stunde nach dem Rücktritt des Bundespräsidenten sagen wird, es werde mit seinem Namen verbunden bleiben: Integration. Im Gegensatz zu Wulff verwendet Merkel diesen Begriff zwar nicht, meint aber dasselbe, wenn sie sein Engagement für ein "modernes, weltoffenes" Deutschland würdigt. Beim zurückgetretenen Staatsoberhaupt klingt das so: "Es war mir ein Herzensanliegen, den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu stärken."

Alle sollen sich zugehörig fühlen, "ganz gleich welche Wurzeln sie haben, wir gestalten unsere Zukunft gemeinsam", betont Wulff. Es dürfte kein Zufall sein, dass er diese Gedanken an den Anfang seiner letzten Rede als Bundespräsident stellt. Vielleicht schwingt dabei die Hoffnung mit, später einmal auch mit dem für Deutschland so wichtigen Thema Integration positiv in Verbindung gebracht zu werden. Der Wunsch, nicht nur als der Präsident mit der kürzesten Amtszeit und einem angekratzten Image in die Geschichte einzugehen, ist menschlich verständlich. Ob er sich erfüllen wird, darf bezweifelt werden. Auch seine Vorgänger Horst Köhler und Johannes Rau haben die Bedeutung der Integration immer wieder angesprochen.

Eine letzte große Rede bleibt ihm verwehrt

Berlin/ Bundespraesident Christian Wulff steht am Donnerstag (12.01.12) im Schloss Bellevue in Berlin beim Neujahrsempfang neben Bettina Wulff (Foto:dapd)
Bettina und Christian WulffBild: dapd

Um einen ganz besonderen Akzent zu setzen, hätte Christian Wulff ein paar Tage länger im Amt bleiben müssen. Am 23. Februar sollte er die zentrale Rede bei der Gedenkfeier für die Opfer der Neonazi-Mordserie halten. Das wird nun die Bundeskanzlerin tun. Von dieser Rede wird ein starkes gesellschaftspolitisches Signal erwartet. Es hätte die Rede Christian Wulffs werden können. Womöglich wäre sie als entscheidende Wende im Wirken und in der Wahrnehmung eines lange Zeit angeschlagenen, dann aber doch würdigen Präsidenten wahrgenommen worden. Die Chance bleibt Wulff am Ende verwehrt.

Der Präsident fühlt sich "verletzt"

Nun kann es für den Ex-Präsidenten nur noch darum gehen, rechtlich vom Vorwurf der Vorteilsnahme entlastet zu werden. Er habe sich in seinen Ämtern "stets rechtlich korrekt" verhalten, betont Wulff. "Ich habe Fehler gemacht, aber ich war immer aufrichtig." Wie sehr ihn die vergangenen zwei Monate mitgenommen haben, lässt Wulff nur kurz, aber deutlich durchblicken. "Die Berichterstattung der vergangenen zwei Monate haben meine Frau und mich verletzt."

Mit Worten des Dankes an seine Mitarbeiter im Bundespräsidialamt und seine Familie sowie dem Wunsch für eine "gute Zukunft" aller Menschen im Lande beschließt Christian Wulff seine Rücktrittserklärung. Im nächsten Moment wendet er sich seiner Frau Bettina zu, die er als einen "überzeugenden Repräsentanten eines menschlichen und eines modernen Deutschland" wahrgenommen habe. Festen Schrittes, so wie das Paar den Großen Saal im Schloss Bellevue vier Minuten zuvor betreten hat, geht es nun hinaus. Die ehemalige First Lady scheint immer noch sanft zu lächeln.

Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Kay-Alexander Scholz