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Wohnungs-Schwemme an der Oder

Michael Brückner1. September 2003

Was tun, wenn massenhaft Wohnungen leer stehen? "Jedem, der kommt, würde ich eine Wohnung geben", sagt der Bürgermeister der deutsch-polnischen Grenzstadt Frankfurt, Martin Patzelt. Nur darf er es wahrscheinlich nicht.

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Abreißen heißt jetzt "Rückbau"Bild: AP

Für die in Frankfurt/Oder frei gewordenen Wohnungen interessieren sich Mieter aus dem benachbarten Polen. Und noch ist Polen nicht in der EU. Aus dem Rest der Bundesrepublik oder gar aus westeuropäischen Nachbarstaaten will zur Zeit niemand in das andere deutsche Frankfurt ziehen.

Plattenbauten in Dresden
Jugendlicher auf dem Gelände des ehemaligen Plattenwerks Johannstal in DresdenBild: Kay Herschelmann

Die ostdeutschen Städte verlieren seit der Wende 1989/90 kontinuierlich an Einwohnern, immer mehr Wohnungen stehen leer, ganz besonders in den seit den 1960er Jahren angelegten Groß-Siedlungen in Plattenbauweise. Alleine in Frankfurt an der Oder stehen schon über 7000 Plattenbau-Wohnungen so lange leer, dass die Stadt als Träger der kommunalen Wohnungsbau-Gesellschaft diese abreißen lassen will. Was natürlich auch wieder Geld kostet. Von ehemals 90.000 Einwohnern kurz vor dem Ende der DDR ist die Einwohnerzahl von Frankfurt auf knapp über 67.000 gesunken.

Wohnungs-Mangel in Polen

Auf der polnischen Seite der Oder herrscht dagegen akuter Wohnraum-Mangel. Nach Angaben von Heinz Dieter Walter, Pressesprecher von Frankfurts Oberbürgermeister Patzelt, suchen im polnischen Slubice 500 bis 600 Familien eine Wohnung. Die Ironie der Geschichte dabei ist ohnehin, dass das heutige Slubice einst die so genannte Frankfurter Dammvorstadt war, bis dieser Teil von Frankfurt an Polen abgetreten wurde.

Solche "Doppelstädte", die historisch betrachtet eigentlich geteilte Städte sind, gibt es eine ganze Reihe entlang der deutsch-polnischen Grenze: Görlitz, Guben und Frankfurt an der Oder sind die Größten. Heute steht die wirtschaftliche Entwicklung auf deutscher Seite nahezu still, in den polnischen Teil-Städten dagegen wachsen Wirtschaft und Bevölkerung.

Grenzüberschreitende Stadtplanung

"Wir machen schon längst gemeinsame Stadtentwicklungspolitik und gemeinsame Infrastrukturplanung mit unseren polnischen Nachbarn", sagt Heinz-Dieter Walter im Gespräch mit DW-WORLD. Aber wohnen im Westen und arbeiten im Osten oder umgekehrt? Das kann dauern.

Denn selbst nach dem Beitritt Polens in die EU am 1. Mai 2004 wird es noch auf Jahre hinaus keine Niederlassungsfreiheit für Polen innerhalb der Union geben. Zahlreiche Übergangsbestimmungen sollen verhindern, dass Deutsche massenhaft in Polen preiswert Grund und Boden erwerben oder dass Polen zu niedrigeren Löhnen ihre Arbeitskraft in Deutschland anbieten.

Warten auf den ersten Antrag

Doch die Stadt Frankfurt/Oder hat sich mit den zuständigen Brandenburgischen Ministerien für Inneres und Justiz beraten und wartet nur noch darauf, bald doch einem Wohnungssuchenden aus Polen eine besondere Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Allerdings müsste der Bewerber einige Voraussetzungen erfüllen: Geregeltes Einkommen und die Bereitschaft eine immer noch im Vergleich zu Polen fast dreimal so teure Miete zu zahlen. Und auf Anspruch auf Sozialleistungen in Deutschland sollte er auch verzichten. Auch Heinz-Dieter Walter weiß, dass nur sehr wenige diesen Bedingungen gerecht werden können, doch "wir wollen nicht einfach unsere Wohnungen füllen, wir wollen eine normale Nachbarschaft".

Plattenbau in Ostdeutschland
Fensterfront eines WohnsilosBild: Billderbox

Der massenhaften Abriss von leerstehenden Plattenbauten ist nicht mehr zu verhindern. In Frankfurt werden es in den nächsten Jahren mindestens 7000 sein. Nach Einschätzung von Heike Liebmann vom Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung in Erkner bei Berlin, werden in absehbarer Zeit mindestens 20 Prozent aller Plattenbauten in Ostdeutschland abgerissen. Oder "rückgebaut", wie es ordentlich-technisch heißt.