1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Atompartner Brasilien

23. November 2009

Brasilien hat Atomkraftwerke und will sich von den USA emanzipieren. Zwei Punkte, die das Land für Irans Präsidenten interessant machen. Ahmadinedschad spekuliert bei seinem Besuch auf eine neue Atompartnerschaft.

https://p.dw.com/p/KdHV
Demonstranten bekunden Solidarität mit Israel (Foto: AP)
Nicht alle sind vom Besuch des Iraners begeistert: Demonstranten bekunden Solidarität mit IsraelBild: AP

"Brasilien hat sich in der Außenpolitik nie von Problemen im Hinblick auf Menschenrechte oder Demokratie beeinflussen lassen", sagt der Brasilien-Experte Thomas Fatheuer. Berührungsängste mit einem Präsidenten wie Ahmadinedschad sind den Südamerikanern fremd. Das Land ist auf der Suche nach neuen Partnern und will von den USA unabhängiger werden – da kommen die Iraner gerade recht.

Wenn Irans Präsident Ahmadinedschad an diesem Montag (23.11.2009) nach Brasilien reist, könnte sich deshalb durchaus mehr ergeben als ein unverbindliches Wirtschaftsübereinkommen. Das Treffen könnte den Weg zu einer strategischen Atompartnerschaft zwischen Iran und Brasilien ebnen.

Gemeinsamkeiten in der Atompolitik

Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva (Foto: AP)
Auf der Suche nach neuen Partnern: Brasiliens PräsidentBild: AP

"Brasilien hat kürzlich damit begonnen, sein Atomprogramm wieder auszubauen und will noch viel weiter hinaus", sagt Fatheuer, der in Rio de Janeiro das Büro der Heinrich-Böll-Stiftung leitet. So will Brasilien künftig angereichertes Uran exportieren und sich so als Nuklearmacht in der Welt etablieren. "Sie wollen nicht unbedingt Atombomben bauen, aber doch den gesamten Kreislauf beherrschen", so Fatheuer.

Im Sinne dieser Strategie kritisiert der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva das iranische Atomprogramm nicht und verteidigt sogar das von Teheran reklamierte Recht auf die friedliche Nutzung von Atomenergie. Die brasilianische Regierung verfolgt die Diskussion um das iranische Atomprogramm mit großer Aufmerksamkeit und gewisser Sorge. Denn sie befürchtet, zukünftig bei der Nutzung der Atomenergie ebenfalls eingeschränkt zu werden. "Die denken, wenn der Iran heute unter zu strenge Aufsicht gestellt wird, könnte es morgen uns treffen", so Fatheuer.

Die Chinesen interessiert das nicht

Dennoch: Fatheuer ist der Meinung, dass Brasiliens Ansehen in der Welt trotz des Treffens keinen Schaden nimmt, auch wenn die provozierenden Ansichten Ahmadinedschads immer wieder von der internationalen Gemeinschaft kritisiert werden. "Lula versteht es auch, mit anderen Ländern zu verhandeln, und nicht nur einseitig mit dem Iran. Innerhalb weniger Wochen wird das Thema in Europa und den USA wieder vergessen sein." Und dem Rest der Welt sei das Verhalten des Iran ohnehin egal. "In Ländern wie China, Indien und einem Großteil Afrikas wird Lula überhaupt keine Probleme mit seinen Positionen haben."

Gute Beziehungen zu allen Seiten

Die brasilianische Strategie, "mit allen gut Freund sein", hat Brasilien wirtschaftliche Vorteile eingebracht, auch wenn das Europa und den USA nicht immer gefällt. "Die Diversifizierung der Außenexportbilanz hat sich gerade in der Wirtschaftskrise als positiv herausgestellt", sagt Fatheuer. Ganz anders Mexiko: Da das Land einseitig von den USA abhängig ist, leidet es viel stärker unter der Krise.

Das Atomkraftwerk in Buschehr im Südiran (Foto: dpa)
Könnte Brasilien bald Iran beim AKW-Bau helfen?Bild: picture-alliance/dpa

"Es geht bei dem Treffen auch darum, den USA zu zeigen, dass Brasilien mit gewissen Entscheidungen der USA nicht einverstanden ist", vermutet Konstantin Kosten, Iran-Experte der Gesellschaft für Deutsche Auswärtige Politik (DGAP). Das alles kommt den Iranern gelegen, die schon seit einiger Zeit engere Beziehungen zu den Lateinamerikanern aufbauen wollen. "Lateinamerika ist strategisch wichtig für den Iran. Teheran möchte neben Venezuela auch andere Länder als Kooperationspartner gewinnen", so Kosten.

Nach Ansicht von Kosten könnte eine Atompartnerschaft mit Brasilien vorteilhaft für den Iran sein, wenn auch nur langfristig. "Es ist denkbar, dass Ahmadinedschad hinter verschlossenen Türen die Frage zur Sprache bringt", sagt er. Teheran sei auf der Suche nach neuen Atompartnern, nachdem Russland als Partner stark in die Kritik geraten ist. Die Russen bauen dem Iran das erste Atomkraftwerk – doch die Inbetriebnahme verzögert sich immer wieder. "Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass Brasilien sich kurzfristig auf eine solche Partnerschaft einlässt", meint Kosten.

Autor: Marcio Damasceno

Redaktion: Manfred Götzke