1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Wir können nicht alles überwachen"

Gesine Dornblüth20. Oktober 2008

225 zivile Beobachter aus 22 Nationen sind im Auftrag der EU in Georgien. Ihr Problem: Zu den abtrünnigen Provinzen Südossetien und Abchasien verwehren die Russen den Beobachtern den Zutritt.

https://p.dw.com/p/FdKD
Ein russischer Offizier steht mit einem EU-Beobachter an einem russischen Checkpoint in Georgien (7.10.2008/AP)
Die EU-Beobachter haben es schwer. Ihre Arbeit ist mit mühseligen Recherchen verbunden.Bild: AP

9 Uhr morgens in Gori, der ehemals von Russen besetzten georgischen Stadt nahe Südossetien. Helmut David, Gendarm der französischen Armee, und Tichomir Yotov, Zivilist aus Bulgarien, stehen vor dem Hotel "Viktoria" und beugen sich über eine Karte. "Heute geht es hinauf in das Dorf Nikozi, dort hat es Plünderungen gegeben", erklärt Yotov. Danach müssten sie überprüfen, ob eine Bombe geräumt wurde, und sie sollten der georgischen Polizei einen Besuch abstatten.

Die Beobachter tragen zivil. EUMM, EU Monitoring Mission, steht groß auf ihren blauen Westen und auf den gepanzerten Fahrzeugen. Am Ortsausgang von Gori passieren sie eine Großbaustelle. Hier lässt die Regierung eine ganze Siedlung mit Einfamilienhäusern für die Vertriebenen aus Südossetien bauen. Kurz darauf dann Kühe am Straßenrand, Pferde, ein Eselgespann.

"Manchmal haben die Leute Informationen für uns"

Russische Panzer fahren aus der Provinz Abchasien.(08.10.2008/AP)
Russische Panzer ziehen sich Anfang Oktober aus der Provinz Abchasien zurück.Bild: AP

Nach einer halben Stunde der erste Halt. Zwei georgische Polizisten stehen in einem Dorf am Straßenrand. Ob sie nachts patrouillieren würden, wollen die Beobachter wissen. Nein, sagen die Georgier, sie stünden hier an ihrem festen Posten. Aber es sei alles ruhig gewesen in der letzten Nacht. Tichomir Yotov nickt zufrieden. Zwei Nächte zuvor gab es Schüsse, angeblich von georgischer Seite aus nach Südossetien hinein. Das haben die Südosseten gemeldet. Die EU-Mission konnte den Vorfall nicht klären.

"Wir können nicht rund um die Uhr selbst alles überall überwachen", sagt Yotov. "Unser Mandat sieht nur Beobachtung vor, und das heißt, wir sprechen mit der Bevölkerung. Manchmal haben die Leute Informationen für uns: Da geht es um Diebstahl und Plünderungen. Wie kürzlich in dem Dorf, in das wir gleich fahren."

Gespräche mit Russen und Südosseten

Das nächste Dorf ist das letzte vor der Verwaltungsgrenze nach Südossetien. Die beiden georgischen Polizisten, die hier stehen, tragen amerikanische Waffen und Schutzhelme, es sind Eliteeinheiten des georgischen Innenministeriums. Wer geplündert hat, Südosseten oder Russen, wissen auch sie nicht. Sechs Personen seien es gewesen, und sie seien aus Südossetien herübergekommen. Die beiden Polizisten wollen ein russisches unbemanntes Aufklärungsflugzeug am Himmel gesehen haben – über georgischem Gebiet.

Helmut David macht sich Notizen. Etwa die Hälfte der Häuser in dem Dorf soll beschädigt sein. Das Vieh ist gestohlen, von Südosseten, sagen die Georgier. Die EU-Beobachter haben keine Möglichkeit, diese Angaben bei den Südosseten zu überprüfen. Denn ihre Mission hat bisher keinen Zutritt zu den abtrünnigen Provinzen.

In einem Büro in Tiflis sitzt der Chef der EU-Mission, der Diplomat Hansjörg Haber. Haber gibt sich zuversichtlich: "Wir werden versuchen, mit der anderen Seite eine Zusammenarbeit einzuleiten, und wir wollen eine Zusammenarbeit auf der Ebene der Polizei herstellen, wo dann über solche Vorfälle geredet wird und man weiter versucht, sie aufzuklären." Die Gespräche mit Südosseten und Russen über solche Pläne hätten aber gerade erst begonnen.

"Die EU-Mission hilft uns auch nicht"

Symbolbild mit den Flaggen von Abchasien und Südossetien
Von Sicherheit könne noch immer keine Rede sein, berichten Bewohner aus Abchasien und Südossetien.Bild: AP Graphics/DW

In Nikozi, dem Grenzdorf zu Südossetien, haben sich ein paar Bewohner versammelt. Seit die EU-Beobachter durch die Dörfer führen, werde weniger geplündert, sagen einige. Tamaz ist schon etwas älter, seinen Nachnamen möchte er nicht sagen. Er guckt missmutig. Von Sicherheit könne keine Rede sein, sagt er. "Wir bangen jede Nacht, dass wir erschossen werden."

Tamaz glaubt, dass Georgien völlig unschuldig am Krieg sei – und dass die Europäer den Georgiern helfen müssten, Südossetien so schnell wie möglich zurückzugewinnen, mit allen Mitteln. Die Tatsache, dass die Georgier den Krieg mit ihrem Angriff auf das südossetische Zchinvali selbst ausgelöst haben, wird zwar in der Hauptstadt Tiflis diskutiert. Aber hier, auf dem Land, und gerade unter den Vertriebenen, will kaum jemand etwas von einer georgischen Schuld hören. Und dementsprechend sieht Tamaz auch keinen Sinn in der Mission, die beide Seiten kontrollieren soll: "Die EU-Mission hilft uns auch nicht. Die tun doch gar nichts. Die kommen und gehen wieder. Das ist alles."