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Gesellschaft

Das Internet repräsentativer machen

Julia Jaki
19. Juli 2018

Erstmals findet die Wikimania, das Wikipedia-Jahrestreffen, in Afrika südlich der Sahara statt. Aus gutem Grund: Der "globale Süden" ist auf der Wissensplattform stark unterrepräsentiert. Von Julia Jaki, Kapstadt.

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Südafrika "Decolonizing the Internet"  Konferenz in Kapstadt
Bild: DW/J. Jaki

"Nur circa 20 Prozent des Wikipedia-Wissens stammt aus dem globalen Süden", bringt Anasuya Sengupta das Problem ohne Umschweife auf den Punkt. Mit einer launigen Rede eröffnet die Wissens-Aktivistin und Co-Direktorin der "Whose Knowledge?"-Kampagne am Mittwoch in Kapstadt die Wikimania, das jährliche Treffen rund um Wikipedia und Co. Eigentlich ist es erst die Vor-Konferenz, doch die hat eine der spannendsten und wohl dringlichsten Veranstaltungen in diesem Jahr zu bieten: "Decolonising the Internet" - Das Internet dekolonisieren, so der Titel des Workshops.

"Wir wollen in erster Linie, dass das Internet die echte Welt besser widerspiegelt", erklärt Anasuya Sengupta. "Die Komplexität, die Vielfalt und die Reichhaltigkeit all unserer Geschichten und unseres Wissens."

Südafrika "Decolonizing the Internet"  Konferenz in Kapstadt
Die Aktivistin Anasuya Singupta setzt sich für mehr Diversität im Internet einBild: DW/J. Jaki

Wie das erreicht werden kann, darüber macht sich eine illustre Gruppe geladener Gäste aus aller Welt Gedanken, darunter Wikipedia-Autoren, Bibliothekare, Künstler und Aktivisten. In Kleingruppen und ohne Ablenkung durch Handys oder Fotokameras sollen Wege gefunden werden, mehr nicht-weiße Autoren für Wikipedia zu begeistern. Denn weiße, männliche Europäer und US-Amerikaner liefern aktuell etwa 80 Prozent der Wikipedia-Inhalte. Und insgesamt ist laut der Wikimedia Foundation nur eine von 10 Personen, die für Wikipedia schreiben, weiblich.

Begrenzter Internetzugang als Haupthindernis

In absoluten Zahlen ausgedrückt heißt das: Von circa 70.000 aktiven Wikipedia-Autoren stammen nur 14.000 aus dem globalen Süden - und davon weniger als 1000 aus Afrika. Diese niedrige Zahl an afrikanischen "Wikipedians" habe mehre Ursachen, erklärt Dumisani Ndubani von Wikimedia Südafrika. Einer der Hauptgründe sei etwa begrenzter Internetzugang: "Mobile Daten sind teuer und wenn Leute Datenpakete kaufen, dann wollen sie diese für etwas verwenden, das sie interessant finden. Wikipedia-Einträge zu editieren zählt da nicht unbedingt dazu", so Ndubani.

Südafrika "Wikimania" Konferenz in Kapstadt
Erstmals findet das jährliche Treffen der Wikipedia-Community in Afrika südlich der Sahara stattBild: DW/J. Jaki

Um das zu ändern, hat Wikimedia in ganz Afrika mehrere Projekte angeregt. In Nigeria etwa hat die heimische Filmindustrie "Nollywood" mehrere Kurzfilme produziert, um die Bevölkerung auf Wikipedia aufmerksam zu machen. In Johannesburg haben Dumisani und sein Team "Joburg-Pedia" ins Leben gerufen, ein Projekt rund um historische Bauten in Johannesburg. "Die Menschen finden es aufregend, Wikipedia-Einträge über ihre eigene Stadt zu verfassen", sagt Dumisani. "Und wir haben dadurch ein paar neue Mitglieder gewinnen können."

Vielfalt durch oral history

"Wissenslücken füllen" lautet das übergreifende Motto der Wikimania 2018. Dass das nicht nur durch schriftliche Wissensvermittlung passiert, hat auch die Wikimedia Foundation in den letzten Jahren erkannt. Die mündliche Vermittlung von Wissen, die so genannte oral history, und ihre Integration als nachvollziehbare Wikipedia-Quelle, ist ein weiterer Diskussions-Punkt der Konferenz in Kapstadt. Zwar gebe es in diesem Bereich noch viel zu tun, erklärt Siko Bouterse, Gründerin der Organisation "Whose Knowledge?". Doch gebe es derzeit auch eine Reihe positiver Entwicklungen: "Afrocrowd in den USA zum Beispiel bauen eine Art oral history-Archiv auf, das digitalisiert und dann online abrufbar sein wird", so Bouterse. "Da passiert momentan einiges und wir finden es spannend, daran mitzuarbeiten!"

Südafrika "Wikimania" Konferenz in Kapstadt
Dumisani Ndubani schreibt Wikipedia-Artikel auf seiner Muttersprache XitsongaBild: DW/J. Jaki

Dumisani Ndubani von Wikimedia Südafrika will seinen Landsleuten vor allem vermitteln, dass Wikipedia-Eintrage nicht zwingend auf Englisch verfasst werden müssen. Zwar ist Englisch die Hauptverkehrssprache am Kap, aber für viele Südafrikaner nicht die erste Sprache, die sie lernen. Dumisani selbst hat bis heute mehr als 500 Wikipedia-Einträge verfasst, die meisten davon in seiner Muttersprache Xitsonga. Sein Fokus liegt auf Geschichte, Persönlichkeiten und Kleidung der Tsonga-Kultur. Auf die Frage was ihn motiviere in seiner Freizeit an Wiki-Einträgen zu arbeiten, zögert der 35-Jährige nicht lange: "Mein Kind hat später einmal die Möglichkeit auf Wikipedia etwas über seine Kultur zu lesen, in seiner Muttersprache. Wenn ich es nicht mache, dann macht es niemand."