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Wie weiter nach Fukushima?

20. Juni 2011

Vertreter fast aller Staaten beraten fünf Tage lang in Wien über die Konsequenzen aus der Atom-Katastrophe in Japan. Dass sie auf einen gemeinsamen Nenner kommen, glaubt kaum einer. Zu verschieden sind die Interessen.

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Rauch steigt aus einem Reaktor des AKW Fukushima auf (Foto: AP)
Auch mehr als drei Monate nach dem Unglück ist das AKW Fukushima noch nicht unter KontrolleBild: AP

Zu der am Montag (20.06.2011) beginnenden fünftägigen Sonderkonferenz der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA schicken nur 30 der mehr als 150 Teilnehmerstaaten ihre Außen-, Umwelt- oder Energieminister an die Donau. Aus den übrigen Ländern kommen hochrangige Beamte. Auch für Deutschland reist kein Ressortchef in die österreichische Hauptstadt, sondern Umweltstaatssekretärin Ursula Heinen-Esser. Diplomaten sprechen hinter vorgehaltener Hand von einem bloßen Fototermin.

Vor allem die USA, China und Indien hätten kein Interesse an verbindlichen Aussagen zu den Folgen von Fukushima, sagten Vertreter mehrerer Länder vor dem Treffen. Russland, Österreich und Pazifikstaaten wie zum Beispiel Indonesien wünschen sich dagegen weltweit verbindliche Regeln zur nuklearen Sicherheit, deren Einhaltung die IAEA überprüft. Eine breite gemeinsame Initiative dafür gebe es aber nicht, hieß es.

Bindende Regeln wird es nicht geben

Das vorläufige Abschlussdokument beinhaltet nach Agenturberichten viele Empfehlungen für verbesserte Sicherheit und mehr Informationsaustausch. Auf der Basis des Textes soll IAEA-Chef Yukiya Amano bis September einen Aktionsplan erarbeiten. Bindende Regeln und Kontrollen wird aber auch der vermutlich nicht enthalten.

Es sei noch viel zu früh, um auf der Basis von Fukushima Entscheidungen zu fällen, sagte ein indischer Diplomat der Deutschen Presse-Agentur. Die aufstrebende Wirtschaftsmacht setzt wie die USA und Frankreich zum Stillen ihres Energiehungers auf Atomkraft.

Ein Argument gegen verpflichtende internationale Standards könnte sein, dass diese die Nutzung von Nuklearenergie weiter verteuern, hieß es aus IAEA-Kreisen. Öffentlich wollte sich jedoch kein Regierungsvertreter dazu äußern.

Behörde mit wenig Kompetenzen

IAEA-Gebäude in Wien (Foto: AP)
Das Gebäude der IAEA in WienBild: AP

Bisher haben die Atomwächter in Wien im Bereich nukleare Sicherheit kaum Kompetenzen. Zwar sind als Folge der Katastrophe von Tschernobyl 1986 internationale Standards wie die Konvention zur nuklearen Sicherheit und die INES-Skala zur Einordnung von Atomunfällen erarbeitet worden. Doch nichts ist verpflichtend.

Bezeichnend war das Verhalten der Behörde nach der Katastrophe in Fukushima. Zunächst dauerte es Tage bis zu einer ersten Reaktion, danach hinkten die Informationen der Nuklearexperten in Wien den Geschehnissen in Japan um Stunden hinterher. Nach einiger Kritik für seine zögerliche Haltung forderte Yukiya Amano, der selbst Japaner ist, dann eine Überarbeitung der Standards und lud die Regierungen der Welt zu dem nun stattfindenden Treffen ein.

Uneinigkeit über künftige Rolle

IAEA-Chef Yukiya Amano (Foto: AP)
Sicherheitswächter oder Lobbyist? IAEA-Chef Yukiya AmanoBild: AP

Doch auch wenn zu Beginn der Konferenz unter Diplomaten wenig Optimismus herrscht, hoffen viele zumindest auf eine Stärkung der Rolle der IAEA. Denn die Atombehörde geriet auch in der politischen Debatte nach Fukushima ins Abseits. Bisher wurde diese öffentlich vor allem von den G8-Staaten, der EU oder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) geführt. "Wir brauchen eine Atomenergiebehörde, die bereit ist, ihre Rolle zu spielen, und die sich nicht auf die Position zurückzieht zu sagen: 'Das ist nicht unsere Krise'", erklärte ein europäischer Diplomat.

Experten und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen befürchten, wichtigstes Ziel der Konferenz sei es, das Image der Kernenergie nach Fukushima wieder aufzupolieren. "Die IAEA gibt das Feigenblatt der Sicherheit für die Nuklearindustrie und für die Staaten, die Atomkraft vorantreiben wollen", sagte etwa Shaun Burnie, ein Berater für Atomenergie, der nach dem Unglück in Fukushima für Greenpeace tätig war.

Ihn wundert es gar nicht, dass die IAEA nicht allzu kritisch gegenüber der Atomindustrie ist. "Der Fehler liegt im System", sagt Burnie. Schließlich ist die IAEA als Organisation zwar den Vereinten Nationen beigeordnet und berichte an die UN-Vollversammlung. Doch ihre Aufgabe ist nach den Statuten von 1957, "den Beitrag der Atomenergie zum Frieden, zur Gesundheit und zum Wohlstand zu beschleunigen und zu steigern".

Lob von der Atomlobby

Zwar inspizieren IAEA-Kontrolleure Atomkraftwerke, doch sie kommen nur auf Einladung der jeweiligen Regierung und der Betreiber. Danach formulieren sie Empfehlungen, die völlig unverbindlich sind. Und das soll auch so bleiben. Eine "proaktive Rolle" der IAEA bei Überwachungen sei auch in Zukunft nicht nötig, sagte IAEA-Sprecher Denis Flory vor Journalisten. "Im Fokus muss das internationale Vertrauen in die Sicherheit der Kernenergie stehen."

Das hört auch die Atomlobby gern. "Die IAEA macht einen sehr guten Job bei der Ausarbeitung der harmonisierten Sicherheitsstandards", lobt Christian Taillebois vom Europäischen Atomforum FORATOM. "Wir haben eine sehr gute Zusammenarbeit mit der IAEA."

Kopfschütteln erntete die IAEA auch mit dem vorläufigen Bericht ihrer Untersuchungskommission zu Fukushima, in dem die Maßnahmen der japanischen Regierung als "eindrucksvoll und extrem gut organisiert" bezeichnet wurden. Dass die Regierung sich über Wochen weigerte, die Evakuierungen um Fukushima auszuweiten, obwohl weltweit Experten wegen der Strahlengefahr Alarm schlugen, fand bei der IAEA keine Beachtung.

Autor: Thomas Grimmer (dpa, dapd)
Redaktion: Martin Schrader