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Wie uns der Klimawandel das Wasser abgräbt

Irene Quaile15. Juni 2012

Verheerende Überflutungen, Dürren, steigende Meeresspiegel können Folgen des Klimawandels sein, sagen Experten. Besonders stark seien die Auswirkungen auf die Ressource Wasser, die künftig noch kostbarer wird.

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Mehrere Kinderhände greifen in dem Dorf Dzimbiri (Provinz Mphuka) in Malawi nach einem Wasserhahn (Foto: picture-alliance/dpa)
Malawi Wasser Kinder am WasserkrahnBild: picture-alliance/dpa

Es gibt viele Modelle, um die künftigen Auswirkungen des Klimawandels zu berechnen - und mindestens genauso viele Szenarien, was uns demnächst in punkto Klimaveränderung erwartet. Alle Prognosen hängen davon ab, wie viel Öl, Kohle und Gas verbrannt werden, und wie viel CO2 letztlich ausgestoßen wird, erklärt Klimawissenschaftler Mojib Latif vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel.

Deshalb handele es sich bei den unterschiedlichen Szenarien um Projektionen, "so eine Art 'Wenn-dann-Entscheidung'". Wenn man allerdings wissen möchte, wann Stürme, starke Regenfälle oder Trockenzeiten eine bestimmte Region treffen, wird die Klimavorhersage noch komplexer, so der Klimaexperte. Das Zusammenspiel von veränderten Temperaturen mit Winden, Meersströmungen oder der Wolkenbildung macht Prognosen extrem schwierig. Die Veränderungen sind oft lokal oder regional begrenzt.

Auf die Bedingungen vor Ort kommt es an

Wellen brechen sich an der Felsküste der Cote Sauvage auf der Halbinsel Quiberon in der Bretagne (Foto: picture-alliance/dpa)
Genaue Prognosen über den Meeresspiegelanstieg sind nicht möglichBild: picture-alliance/ dpa

Gerade bei der Anpassung gilt es, sich auf solche lokalen Entwicklungen zu konzentrieren, betont Keith Alverson, Leiter der Abteilung für Anpassung an den Klimawandel bei der UN-Umweltorganisation UNEP. Als Beispiel nennt er die Veränderungen des Meeresspiegels, die regional sehr unterschiedlich sind. "Viele Menschen wissen nicht, dass es sich beim Meeresspiegelanstieg nicht um eine global einheitliche Entwicklung handelt.

Vor der Westküste der USA beispielweise fällt der Meeresspiegel seit 20 Jahren. Für Inseln wie die Malediven ist der Anstieg des Meeresspiegels dagegen von existentieller Bedrohung.

Auch das Beispiel Horn von Afrika zeige die Unzuverlässigkeit der Klimamodelle, sagt Alverson. "Die Modelle des Weltklimarats (IPCC) zeigen für diese Region große Unterschiede auf", so Alverson. "Einige prognostizieren, dass es in den nächsten hundert Jahren dort trockener sein wird, andere, dass es nasser wird."

Wie also soll unter diesen Umständen eine Anpassung an den Klimawandel funktionieren? Man müsse sich auf eine große Bandbreite an möglichen Entwicklungen in bestimmten Regionen vorbereiten, sagt UNO-Experte Alverson. "Wir müssen dafür sorgen, dass wir für Extremsituationen besser gerüstet sind."

Ein Mann steht in Kenia in der Wüste (Foto: picture alliance/dpa)
Dürre am Horn von AfrikaBild: picture alliance/dpa

Ärmere Länder haben größere Probleme mit Stürmen, Überflutungen oder Dürren. Oft fehlen die Technologien oder die Ressourcen, um Menschen vor Katastrophen zu schützen, oder um genügend Wasser zu speichern. Dem könne man nur mit Armutsbekämpfung und einer nachhaltigen Entwicklung begegnen.

Europa spürt den Klimawandel

Auch in Europa wirkt sich der Klimawandel regional sehr unterschiedlich auf den Wasserhaushalt aus. Jeder fünfte Europäer ist bereits in irgendeiner Form von klimatisch bedingten Veränderungen des Wasserkreislaufs betroffen. In einigen Regionen wird das Wasser knapp, während andere immer häufiger von Starkregen und Überflutungen überrascht werden.

Alan Jenkins, stellvertretender Direktor des britischen Centre for Ecology and Hydrology sieht die Unsicherheit der Vorhersage als große Herausforderung an. "Mit ziemlicher Sicherheit wissen wir nur, dass es im Bereich Wasser bestimmte Auswirkungen geben wird," sagte er im Juni auf der "Green Week", einer großen umweltpolitischen Konferenz der EU in Brüssel. "Aber die Größenordung ist komplett unsicher." Wo wird es mehr regnen, wo weniger und wie viel?

Überflutetes Gebiet in Polen aus der Luft aufgenommen (Foto: AP)
Überflutung - eine riesige Herausforderung für die örtlichen Behörden in Polen 2010Bild: AP

Kein Grund zum Abwarten

Trotzdem könne man nicht einfach abwarten und nichts tun, sagt Jenkins. Diese Ansicht teilt Rosario Bento Pais, die im Klimadirektorat der Europäischen Kommission für Anpassungsmaßnahmen zuständig ist. Bento Pais verweist auf einen IPCC-Sonderbericht, wie man das Risiko von Extremereignissen und Katastrophen besser kontrollieren kann.

Der Bericht unterscheide zwischen dem, was wir wirklich wissen und den zahlreichen Unsicherheiten, so Bento Pais. Regionale oder örtliche Regierungen müssen lernen, damit umzugehen. "Man weiß, was in den nächsten 50 Jahren mit Sicherheit passieren wird. Dann muss man entscheiden, ob man sich nur darauf vorbereitet, oder ob man Vorkehrungen trifft, die darüber hinausgehen."

Schon heute beobachte man Auswirkungen des Klimawandels, auf die manche Mitglieder der EU nicht vorbereitet seien, erklärt Monica Scatasa, Wirtschaftsberaterin und Wasserspezialistin bei der Europäischen Investitionsbank (EIB). Es sei nicht möglich, alle Auswirkungen und Schäden des Klimawandels zu verhindern. Man könne aber wohl Vorkehrungen treffen. "Es geht darum, zu verstehen, wo das System für bestimmte Klimarisiken anfällig ist. Dafür müssen wir ein gewisses Ausmaß an Flexibilität bewahren, wenn wir unsere Entscheidungen treffen.

Wasser aus Entwicklungländern für Konsumgüter in Europa

Seit 2009 betreibt die EU ein Forschungsprojekt über die Kosten des Klimawandels. "Jede Forschung hat bisher gezeigt, dass es teurer wird, wenn wir nicht rechtzeitig agieren", sagt Rosario Bento Pais vom Klimasekretariat der EU. "Wenn wir es nicht schaffen, eine gewisse Resilienz gegen den Klimawandel aufzubauen, werden die Kosten wesentlich höher ausfallen."

Ein Tropfen Milch fällt spritzend in eine Tasse Kaffee (Foto: picture alliance/dpa)
Für die Herstellung einer Tasse Kaffee braucht man 140 Liter WasserBild: picture-alliance/ dpa

Jacqueline McGlade, Exekutivdirektorin der Europäischen Umweltagentur EEA, betont die Notwendigkeit, Wasser als lebensnotwendige Ressource besser zu schützen. "Wir müssen ganz klar verstehen, wer, wann auf die Wasserressourcen Zugriff hat und wer entscheiden darf, wann Wasser beispielsweise entnommen werden darf. Welcher Preis soll für den Wasserverbrauch in der Industrie gelten, und wie viel ist es uns dagegen wert, wenn das Wasser im Ökosystem bleibt?"

Letztendlich geht es der europäischen Umweltchefin darum, wer für den Verbrauch, aber auch für die Verschmutzung von Wasser zahlen soll. "Sowohl in den Entwicklungsländern als auch in den Industrieländern wird man in Zukunft über den Wasserverbrauch Buch halten, damit wir verstehen, welches Reichtum wir haben und wie wir damit umgehen."

41 Prozent des europäischen "Wasserfußabdrucks" - also des direkten aber auch des indirekten Wasserverbrauchs in der Herstellung von Waren und Dienstleistungen, besteht aus Wasser von anderen Kontinenten. Das Wasser wird für die Produktion von Gütern eingesetzt, die nach Europa exportiert werden. Wenn Wasser nicht als kostenloser Faktor, sondern als wertvolle und knapp werdende Ressource behandelt würde, müssten die Industrieländer die Entwicklungsländer für den Verbrauch ihres Wassers kompensieren.

Virtuelles Wasser - Wieviel Wasser verbraucht man im täglichen Leben? (21.08.2008) 09 tt1

McGlade und andere Experten fordern standardisierte Systeme, um den Wasserverbrauch zu messen und zu bezahlen. Das könnte die Industrieländer motivieren, effizienter mit der lebensnotwendigen Ressource umzugehen und die Lebensbedingungen für die fast 900 Millionen Menschen weltweit verbessern, die zurzeit keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben.

Die Experten sind sich einig, dass diese Herausforderung nur durch eine Zusammenarbeit aller Wirtschaftssektoren - vor allem der Energiewirtschaft und der Landwirtschaft - mit der Politik aber auch mit den Verbrauchern gelingen wird.