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Wie geht es weiter mit Griechenland?

Srinvas Mazumdaru / dk19. August 2015

Der Bundestag hat einem erneuten Hilfspaket für Athen zugestimmt und den Weg freigemacht, weitere Milliardenhilfen zur Verfügung stellen zu können. Wie geht es jetzt weiter mit Griechenland?

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Symbolbild - griechische Reeder drücken Steuerlast
Bild: Getty Images/Oli Scarff

Die Bundestagsentscheidung hat einem 86 Milliarden Euro umfassenden Rettungspaket für das von der Pleite bedrohte Euroland den Weg bereitet. Das Programm beinhaltet auch einen Fonds, aus dem die Regierung ihre kurzpflichtigen Zahlungsverpflichtungen bei der Europäischen Zentralbank abdecken kann: Am 20. August muss Athen 3,2 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank (EZB) überweisen.

Der Rettungsplan sieht vor, dass die Hilfszahlung in verschiedenen Tranchen erfolgen soll, die erste Zahlung wird 26 Milliarden Euro umfassen - das haben die Euro-Finanzminister so beschlossen. Rund zehn Milliarden Euro dieser ersten Teilzahlung ist für die Rekapitalisierung der maroden griechischen Banken vorgesehen. Damit soll der Bankensektor stabilisiert werden um die Kapitalverkehrskontrollen, die die griechische Regierung im Juni eingeführt hat, wieder aufheben zu können.

Die Gesundung des Bankensektors ist Grundvoraussetzung dafür, dass die Wirtschaft auf einen Pfad nachhaltigen Wachstums zurückkehren kann. Nur so kann die hohe Arbeitslosigkeit, die derzeit bei rund 25 Prozent liegt, gesenkt und die Schuldenlast verringert werden.

Infografik Griechenlands Rückzahlungen

Politische Unwägbarkeiten

Obwohl die griechische Wirtschaft im zweiten Quartal überraschend um 0,8 Prozent zugelegt hat, befürchten viele Beobachter weiterhin, dass die politische Instabilität die wirtschaftliche Entwicklung beeinträchtigen wird.

Sie befürchten, dass die Reformen, auf die sich Athen gegenüber den Geldgebern verpflichtet hat, die Regierung von Premierminister Alexis Tsipras noch vor sehr viele große Probleme stellen wird.

Die Hauptsorge gilt der Stabilität der Regierung, besonders nachdem rund ein Drittel der Abgeordneten der regierenden Syriza-Partei von Premier Tsipras das Rettungspaket abgelehnt hat - weil die Reformen umfassende Ausgabenkürzungen, eine Reform des Rentensystems und Steuererhöhungen verlangen. Der Ministerpräsident ist seither auf die Unterstützung der Opposition angewiesen.

Es sei "wahrscheinlich und logisch", dass Tsipras im Parlament die Vertrauensfrage stellen werde, sagte das Syriza-Mitglied Dimitris Papadimoulis gegenüber dem griechischen Sender "Skai TV". Außerdem, fügte er hinzu, seien Neuwahlen in den kommenden Monaten doch "sehr wahrscheinlich".

Beobachter in Griechenland gehen davon aus, dass Tsipras die Vertrauensfrage nach der nun anstehenden Ratenzahlung an die EZB stellen wird. Die großen Oppositionsparteien, die bislang die Bemühungen des Premiers, die von den Geldgebern verlangten Reformen umzusetzen, unterstützt haben, haben bereits angekündigt, ihm bei der Abstimmung das Vertrauen nicht auszusprechen.

Inzwischen wird über Neuwahlen bereits im September spekuliert. Diese Wahl würde über die Fähigkeit der Regierung, die vereinbarten Reformen auch umzusetzen, entscheiden.

Die Frage der Schuldentragfähigkeit

Ein anderes großes Problem ist die Frage der Schuldentragfähigkeit. Die griechische Schuldenlast zum Ende des vergangenen Jahres entsprach 177 Prozent des griechischen Bruttosozialproduktes - eine Schuldenrate, die der Internationale Währungsfonds (IWF) für zu hoch hält.

Der Washingtoner Schuldner fordert daher von den Regierungen der übrigen Euroländer, Griechenland ein Teil der Schulden zu erlassen. Dieser Forderung widersetzen sich einige Länder, allen voran Deutschland, ganz vehement.

Die deutsche Regierung argumentiert, dass ein Schuldenerlass die EU-Verträge verletze. Sie sei aber weiterhin bereit, über eine Verlängerung der Rückzahlungsfristen nachzudenken.

Dies ist in Deutschland ein besonders heikler Punkt, weil es eine breite Opposition gegen jede Form eines "Haircut" gibt. Eine große Gruppe von Parlamentariern der regierenden Unionsparteien widersetzt sich dabei der Parteivorsitzenden, Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie haben am Mittwoch gegen den Griechenland-Rettungsplan gestimmt - trotz der mannigfachen Versuche der Parteispitze, die Abweichler innerhalb der Unions-Fraktion zu disziplinieren.

Was macht der IWF?

Um diese Abweichler doch noch zu einem "Ja" zu motivieren, hat Angela Merkel immer wieder betont, dass der IWF sich weiterhin an der Griechenland-Rettung beteiligen werde.

IWF-Chefin Christine Lagarde hat jedoch kürzlich noch ihre Meinung zum Schuldenproblem wiederholt und gesagt, dass Griechenland seine "Schuldentragfähigkeit verloren habe und sie - nur durch eigene Anstrengungen - auch nicht wiedererlangen kann". Und sie fügte hinzu, dass der IWF nicht vor dem Oktober entscheiden werde, ob der dem Rettungsplan zustimme.

Dagegen beharrt die Europäische Kommission darauf, dass die Schulden, die Athen bei der Eurozone hat, keinen Einfluss auf die Schuldentragfähigkeit des Landes hätten. Schließlich seien Athen großzügige Fristverlängerungen eingeräumt worden und das Land tilge zurzeit weder seine Schulden noch zahle es Zinsen.

Demgegenüber weisen Ökonomen darauf hin, dass Athen große Problem mit der Schuldenrückzahlung an IWF und EZB habe: Die Verpflichtungen bei diesen beiden Organisationen belaufen sich auf mehr als 24 Milliarden Euro bis zur Jahresmitte 2018. Es erscheint unwahrscheinlich, dass Griechenland dabei ein Zahlungsaufschub gewährleistet wird.

Der Weg aus der Krise?

Experten beklagen, dass bei den Rettungsverhandlungen das Augenmerk lediglich auf Sparprogramme und Strukturreformen gelegt worden sei und zu wenig darüber geredet worden sei, wie das Wachstum in Griechenland stimuliert werden kann.

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat einen Investitionsplan über 35 Milliarden Euro angekündigt, die aus regulären EU-Mitteln stammen . Aber das Angebot ist an die Bedingung geknüpft, dass Athen selbst auch Geld in dieses Investitionsprogramm einzahlt. Inzwischen hat die EU ihre Forderungen an eine griechische Co-Finanzierung etwas gelockert.

Viele Ökonomen fordern hingegen weitere Investitionen, um die Nachfrage anzukurbeln.

Kürzlich schlug Gustav Horn, Leiter des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung, in einem DW-Gespräch vor, das Griechenland für ein Jahr auf das Geld aus Junckers Investitionsprogramm zugreifen sollte, ohne selbst Geld bereitstellen zu müssen: "Damit die Regierung sofort ein Investitionsprogramm auf den Weg bringen kann."

Griechenland, so Horn, könne nur aus der Krise herauskommen, wenn es Investitionen gäbe: "Bleibt die Rettungsstrategie hingegen auf eine verschärfte Fortsetzung der Kürzungen im Staatshaushalt beschränkt, wird auch dieses Programm wie seine Vorgänger scheitern."