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Wie Deutschland von Chinas Erholung profitiert

Thomas Kohlmann
2. Dezember 2020

Die neuen Daten sind in diesen Zeiten außergewöhnlich; außergewöhnlich gut. Sie zeigen, dass Chinas Konjunkturerholung weitergeht. Und das freut auch deutsche Unternehmen, die besonders viel nach China exportieren.

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Mercedes-Maybach auf Automesse in Peking
Bild: picture alliance/dpa

Viele Beobachter reiben sich beim Blick nach China ungläubig die Augen, denn die wirtschaftliche Erholung geht dort ungebrochen weiter. Der Einkaufsmanagerindex, ein zentraler Wasserstandsmelder für die Produktion in chinesischen Fabriken, stieg im November auf den höchsten Stand seit einem Jahrzehnt. Das Konjunkturbarometer wird jeden Monat von der auf Finanzthemen spezialisierten Mediengruppe Caixin in Zusammenarbeit mit den Datenanalysten von IHS Markit erstellt. Das Zahlenwerk, das auf den sperrigen Namen Caixin China General Manufacturing Purchasing Managers' Index (PMI) hört, kletterte von zuletzt 53,6 im Oktober auf 54,9 Punkte. Höher lag der Index zuletzt im November 2010.

Das Besondere am Caixin-Index: Er spiegelt die Aktivität in kleineren und mittleren Industrie-Unternehmen wider. Werte oberhalb von 50 zeigen eine Zunahme der wirtschaftlichen Aktivitäten an, Werte darunter stehen für einen Produktionsrückgang. Einkaufsmanager- oder Purchasing Managers Indizes (PMI) gelten als Frühindikator für die künftige wirtschaftliche Entwicklung und werden rund um den Globus für viele Volkswirtschaften regelmäßig veröffentlicht.

Infografik - BIP-Wachstum in Prozent - DE
Alleinstellungsmerkmal: Chinas Wirtschaft wird auch im Corona-Krisenjahr wachsen und sich 2021 stärker erholen als andere Volkswirtschaften

Auch Chinas staatliche Statistikbehörde veröffentlicht einen Einkaufsmanager-Index. Dieser "offizielle" PMI reflektiert aber eher die Geschäftslage in den großen Staatsbetrieben. Auch hier zeigen die aktuellen Zahlen für den November, dass die Konjunkturerholung seit dem Frühjahr stabil ist. Der Index stieg nach einem Wert von 51,4 im Oktober im November auf 52,1 Punkte und kletterte auf den höchsten Stand seit September 2017.

Chinas Bedeutung wächst 

Für Chinas Handelspartner in Europa sind das gute Nachrichten: Denn das Reich der Mitte ist nach den USA der zweitwichtigste Handelspartner der EU. Zwischen 2000 und 2019 hat sich das bilaterale Handelsvolumen fast verachtfacht, auf insgesamt 560 Milliarden Euro.

Viele Unternehmen schlüsseln nicht auf, wie groß ihr China-Geschäft im Detail ist. Aber eine Stichprobe von 25 europäischen Unternehmen aus unterschiedlichen Mitgliedsstaaten, die das Mercator Institute for China Studies (MERICS) in Berlin für eine aktuelle Studie durchführte, erlaubt Rückschlüsse über die Abhängigkeit von Unternehmen vom chinesischen Markt: 2019 erwirtschafteten diese Unternehmen durchschnittlich 11,2 Prozent ihres Umsatzes in der Volksrepublik.

Max J. Zenglein
China-Experte Zenglein: Wenn sich andere Exportmärkte erholen, geht auch das aktuell stärkere Gewicht Chinas im Außenhandel wieder zurückBild: MERICS

Innerhalb der EU dürfte vor allem Deutschland vom positiven Konjunkturverlauf in China profitieren. Denn kein Land ist ökonomisch so stark mit China verflochten wie Europas größte Volkswirtschaft: Fast die Hälfte (48,5 Prozent) aller EU-Exporte nach China kamen 2019 aus Deutschland, fast viereinhalb Mal so viel wie aus Frankreich, der Nummer Zwei unter den China-Exporteuren in der EU.
Besonders viel exportieren Deutschlands Auto- und Maschinenbauer ins Reich der Mitte, aber auch Agrarprodukte wie Schweinefleisch spielen zunehmend eine wichtige Rolle.

Durch die Folgen der Pandemie ist China für Deutschland noch wichtiger geworden: Im zweiten Quartal 2020 wurde die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt zum ersten Mal zum größten deutschen Exportmarkt. Kein Wunder, wenn man bedenkt, wie stark die wichtigsten Zielmärkte für deutsche Waren und Dienstleistungen in Europa und den USA unter der COVID-19-Pandemie litten - und noch immer leiden.

Chinas habe zwar ebenfalls noch mit den Nachwehen der Pandemie zu kämpfen, erklärt Max Zenglein, Chefvolkswirt der China-Denkfabrik Merics gegenüber der DW. Immerhin sei das chinesische Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den ersten neun Monaten 2020 insgesamt nur um 0,7 Prozent gewachsen. "Aber der Aufschwung gewinnt zunehmend an Fahrt, und das ist natürlich gut für deutsche Unternehmen. Davon werden vor allem die klassischen deutschen Industrien profitieren, die bereits in China sehr präsent sind: Insbesondere der Pkw-Absatz hat kräftig zugelegt.”

China Shanghai Automesse 2019
Gefragtes Gut: Ein Mercedes GLB, hier auf der Automesse in Schanghai 2019Bild: Reuters/Aly Song

Daimler zum Beispiel hat 2019 rund 700.000 Mercedes-Autos in China verkauft, mehr als doppelt so viele wie in den USA. Der Volkswagen-Konzern ist einer der weltweiten Pioniere im China-Geschäft. VW produziert seit den 1980er Jahren in Anting bei Schanghai Pkws und verkauft mittlerweile rund 40 Prozent seiner Autos in China, das längst die USA als wichtigsten Automobilmarkt der Welt abgelöst hat. 

Daten verlässlicher als früher

Dass Deutschland durch die Corona-Folgen zu abhängig von China werden könnte, glaubt Merics-Chefvolkswirt Zenglein aber nicht. "Sicherlich kommt es aufgrund der Pandemie zu Verschiebungen in den Handelsstrukturen. Allerdings werden diese primär kurzfristiger Natur sein. Die EU und die USA werden auch noch eine Erholung erleben und zu China aufschließen. Jetzt zu denken, es geht auch in Zukunft nur noch mit China, halte ich für übertrieben”, sagt Zenglein. Er warnt aber, dass die Stärke des deutschen Außenhandels in der Diversifizierung liegen sollte: "Der momentan eskalierende Konflikt zwischen China und Australien sollte da als warnendes Beispiel dienen.”

Dass die Zahlen aus China unzuverlässig sind und der Aufschwung doch nicht so robust ist, wie die Daten es zeigen, glaubt Zenglein nicht. "Auf nationaler Ebene haben die chinesischen Behörden in den letzten Jahren daran gearbeitet, die Datenqualität zu verbessern.” Natürlich gebe es dabei noch "noch einige Hürden”, gibt der China-Experte zu bedenken. "Aber insgesamt gibt es keinen Anlass, den Aufschwung in Frage zu stellen."