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Daimler stellt sich der Zukunft

31. Oktober 2016

Die Platzhirsche der alten Welt sind nicht unbedingt die der neuen. Digitalisierung und Elektromobilität sind nur zwei der großen Herausforderungen, vor denen Autobauer stehen. Wie Daimler sie bewältigen will.

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Deutschland Mercedes-Benz Generation EQ
Bild: Daimler AG - Global Communications Mercedes-Benz Cars

Noch sind sie die großen Platzhirsche. Deutschlands Gewinnbringer, die großen Autobauer, waren lange nahezu unangreifbar. Diese Zeiten scheinen inzwischen vorbei zu sein. Digitalisierung, Autonomes Fahren, neue Mobilitätskonzepte und Elektromobilität stellen konventionelle Autobauer vor neue große Herausforderungen. 

Fahrzeuge werden immer stärker digital vernetzt, wofür sich Autobauer Hilfe aus der IT-Branche holen, etwa von Microsoft oder der Deutschen Telekom. In anderen Bereichen, wie beim Autonomen Fahren treten ganz neue Konkurrenten auf den Plan, nämlich die IT-Riesen wie Google oder Apple. Startups werden zu Wettbewerbern wie der Fahrdienst Uber, der Verkehrskonzepte verändert.

Googles selbstfahrendes Auto
Prototyp des selbstfahrenden Autos von Google.Bild: picture-alliance/dpa/Google

Hinzukommt, dass sich das Selbstverständnis der Kunden verändert. War lange das Auto ein Statussymbol, das für den Erfolg im Leben steht, setzt die junge Generation andere Schwerpunkte im Leben. Für so manche ersetzt Carsharing das eigene Auto.

Zudem fördern immer mehr Regierungen die Elektromobilität. Die E-Autos werden aber nicht nur von konventionellen Autobauern auf den Markt gebracht, sondern zum Teil von neuen Unternehmen. So produziert Tesla Elektrofahrzeuge ohne jahrzehntealtes Autobauerwissen. "Weiter wie bisher" ist für Autobauer somit keine Perspektive.

Vier Zukunftsfelder

Wer jetzt nicht umdenkt, droht in der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Angesichts der tiefgreifenden Veränderung der Branche hat Daimler sich selbst einen Umbruch verordnet. "Case" heißt das Schlagwort im Konzern. Dabei steht C für Konnektivität, A für autonomes Fahren, S für Shared Services und E für Elektromobilität. "Wenn wir diese vier Zukunftsthemen erfolgreich angehen, dann werden wir ganz vorne stehen", sagte Dieter Zetsche Chef von Daimler im Handelsblatt (31.10.2016). "Sollten wir aber in einem oder zwei Feldern zurückfallen, dann hätten wir Probleme."

Dieter Zetsche
Dieter Zetsche setzt auf eine neue Unternehmenskultur, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.Bild: picture-alliance/dpa/S. Kahnert

Dabei habe sich Daimler von der Idee verabschiedet, alles unter einem Dach zu produzieren, so Zetsche. "Auch Facebook, Google und andere Firmen haben neue Technologien über Akquisitionen erworben. Glauben Sie mir, wir sind ein attraktiver Partner", sagte Zetsche dem Handelsblatt.

Die Daimler AG fertigt heute kaum Elemente für die Elektromobilität selbst. Die Tochter Deutsche Accumotive aus Kamenz (Freistaat Sachsen) baut Batterien. Batteriezellen habe Daimler selber produziert, könne sich inzwischen aber weitaus günstiger auf internationalen Märkten einkaufen, so Zetsche. Elektromotoren produziert der Autobauer zusammen mit Bosch im Gemeinschaftsunternehmen EM-motive. Dagegen produziert der Konzern den Antriebsstrang der Benzin- und Dieselmotoren zu einem großen Teil selbst.

Neue Führungskultur: Leadership 2020

Der Umbruch betrifft aber auch die internen Strukturen des Konzerns. Die neuen Konkurrenten arbeiten anders als die alte Autoindustrie. Um den Konzern flexibler zu machen, hat Zetsche ein Großprojekt angestoßen, in dem rund 1000 Führungskräfte und Mitarbeiter ihrer Phantasie freien Lauf lassen durften, um die Unternehmenskultur von morgen zu erarbeiten.

"Leadership 2020" heißt das Ganze. Dabei sollen Hierarchien flacher und Entscheidungsprozesse beschleunigt werden. Entscheidungen sollen nicht mehr über sechs Hierarchiestufen laufen müssen, sondern nur noch über zwei. So will Daimler Innovationen vorantreiben und Risikofreude fördern. Künftig sollen nicht mehr vorgegebene Anforderungskataloge abgearbeitet werden, sondern man will für unscharfe Aufgaben schrittweise Lösungen finden."Wir wollen Akzeptanz dafür schaffen, dass Projekte mit höherem Innovationsgrad angeschoben werden, die einen technologischen Durchbruch bringen können. Dazu gehört aber auch zu akzeptieren, dass solche Projekte manchmal nicht gelingen können", meint Zetsche im Handelsblatt.

In diesem neuen Konzept müssten Führungskräfte nicht mehr nur diktieren, sondern vielmehr in ihre Mitarbeiter Vertrauen haben, loslassen,  und die Mitarbeiter müssten im Gegenzug mehr Verantwortung übernehmen.

Bis etwa in einem Jahr solle jeder fünfte Daimler-Beschäftigte der rund 280.000 Beschäftigten in einer Schwarmorganisation arbeiten, wie es bei Startups üblich sei, hatte Zetsche bereits im September erklärt. Die Mitarbeiter könnten dann über Hierarchiestufen und Abteilungsgrenzen hinweg zusammenarbeiten. Und es würde weniger die Einzel-, sondern mehr die Teamleistung belohnt. Bis 2020 soll das Konzept zur neuen Führungskultur vollständig umgesetzt werden.

"Das hat es so noch nie gegeben. Das war ein richtig gutes Gefühl, quer durch die Welt über Hierarchiestufen hinweg vernetzt zu sein und in verschiedenen Runden zu diskutieren: Was würdest Du verändern?", sagte Betriebsratschef Michael Brecht im September.

Elektroautos von Car2Go werden aufgeladen.
Der Carsharing-Anbieter Car2Go, der auf E-Autos der Marke Smart setzt, ist Teil des Daimler Konzerns.Bild: imago/A. Prost

Große Pläne

Case hin oder her. Trotzdem setzt Daimler noch lange auf Verbrennungsmotoren, sagte Bernhard Heil, Leiter des Bereichs Antriebstechnik am Sonntag vor Journalisten. Daimler setzt bislang vor allem auf Hybridmotoren, die verschiedene Antriebsstränge vereinen. 2017 sollen zehn Modelle als Hybrid verfügbar sein.

Bislang bietet Daimler nur den Smart und die B-Klasse als reine Elektrovarianten an. Erst 2019 soll das erste reine Elektrofahrzeug unter der neuen Marke EQ auf den Markt kommen. Bis 2025 wollen die Stuttgarter mehr als zehn reine Elektrofahrzeuge anbieten. Bis 2025 plant Daimler zehn Elektrofahrzeuge in Serie zu bringe.

Angst vor Konkurrenz aus China scheint Daimler dabei nicht zu haben. So ist Zetsche ist auch gegen einen Schutz deutscher Unternehmen durch die Politik. Dass Chinesen nur klauen und kopieren würden, hält er für Unsinn. "China bildet mehr Ingenieure aus als wir. Das Land hat daher ein hohes Eigeninteresse, Patente zu schützen", sagte Zetsche gegenüber dem Handelsblatt. Dirigistische Eingriffe würden nicht zum Erfolg führen, meint er. Wenn man Zäune hochziehe, dann würden die Unternehmen müde und träge.