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Bröckelnder Widerstand

2. März 2012

Von Mitte 2012 an soll der permanente Rettungsschirm ESM 500 Milliarden Euro ausleihen können. Diese Summe hält nur noch Deutschland für ausreichend. Gibt die Kanzlerin ihren Widerstand gegen eine Aufstockung auf?

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Euro-Münze steht auf einer EU-Fahne. (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Mehr Geld für den permanenten Rettungsschirm ESM! So lautet die Forderung aus europäischen Hauptstädten, aber auch aus Washington und vom G20-Finanzministertreffen in Mexiko. Denn auch in Übersee wird über die richtige Strategie zur Euro-Krise diskutiert und von den Europäern verlangt, mehr Geld für die Rettung der Währung in die Hand zu nehmen. Das Kapital für den Internationalen Währungsfonds (IWF) zur Stützung europäischer Staaten wollen die USA Ende April nur aufstocken, wenn die Europäer ihren eigenen Rettungsschirm ESM zuvor aufpumpen.

Dauerhafter Schirm

Der permanente ESM wird den seit zwei Jahren bestehenden Rettungsschirm EFSF ablösen. Der provisorische Rettungsschirm EFSF agiert als privates Unternehmen im Auftrag der Euro-Zone und kann Kredite von bis zu 440 Milliarden Euro an Schuldenstaaten ausgeben. Der EFSF hat keine Bareinlagen, kein Eigenkapital, sondern nur Kreditgarantien. Diese Garantien können aber, einmal gewährt, von den Staaten nicht mehr zurückgenommen werden.

Norbert Walter, Ex-Chefvolkswirt der Deutschen Bank und jetziger Consultant (Foto: Walter & Töchter)
Norbert Walter, Ex-Chefvolkswirt der Deutschen BankBild: Walter&Töchter

Der ursprüngliche Plan war, das verbleibende Volumen des EFSF in Höhe von 250 Milliarden Euro in den ab Juli 2012 geltenden ESM einfließen zu lassen. Dabei soll dieser permanente Rettungsschirm, der eine eigenständige Institution der EU wird, effektiv 500 Milliarden Euro an Krediten vergeben können. Um das tun zu können, soll er mit 80 Milliarden Euro Bareinlagen ausgestattet sein und zusätzlich 620 Milliarden Euro an Garantien über abrufbares Kapital besitzen.

Höhere Brandmauern

Doch in den letzten Wochen wurde ein neuer Plan immer lauter diskutiert: Der ESM sollte um die verbleibenden 250 Milliarden aus dem auslaufenden EFSF aufgestockt werden, sie also zusätzlich bekommen. Damit hätte der ESM insgesamt eine Schlagkraft von 750 Milliarden Euro, die er als maximale Kreditobergrenze ausschöpfen könnte. Der Grund für diese Aufstockung: Angst vor dem Domino-Effekt, der von Schuldenstaaten wie Griechenland ausgehen könnte.

German Finance Minister Wolfgang Schaeuble speaks during a media conference after a meeting of eurozone finance ministers at the EU Council building in Brussels on Tuesday, Feb. 21, 2012. After more than 12 hours of talks, the countries that use the euro agreed early Tuesday to hand Greece euro130 billion ($170 billion) in extra bailout loans to save it from a potentially calamitous default next month, an European Union diplomat said. (Foto:Thierry Charlier/AP/dapd).
Wolfgang Schäuble ist skeptischBild: AP

Nach Ansicht von Ökonomen wie dem Ex-Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, ist das Szenario des Domino-Effekts durchaus ernst zu nehmen. An den Märkten könne man schon beobachten, wie beispielsweise Portugal als nächster Schuldenstaat nach Griechenland ins Visier genommen wird, so Walter im Interview mit der Deutschen Welle. Fiele ein Staat wie Spanien in das Krisenloch, könnten die Brandmauern gar nicht hoch genug sein, so die Überlegungen auch in Brüssel. Deshalb sind nahezu alle Regierungen der EU-Staaten dafür, den ESM aufzustocken.

Internationaler Druck auf Deutschland

Der luxemburgische Regierungschef und Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker sprach sich ebenso wie EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso deutlich für die Aufstockung aus. Und auch der Internationale Währungsfonds (IWF) knüpft seine finanzielle Unterstützung an eine Aufstockung des ESM; IWF-Chefin Christine Lagarde fordert dies bei jeder Gelegenheit.

Nur Deutschland sperrte sich bislang. Bundeskanzlerin Merkel hat sich vom Bundestag nur eine Haftungsobergrenze von 211 Milliarden Euro genehmigen lassen. Würde der ESM ausgeweitet, müsste sie die Obergrenze auf rund 270 Milliarden Euro anheben lassen. Deutschland trägt rund 30 Prozent der Rettungsschirme. Man wolle den Schuldenschnitt für Griechenland abwarten, an dem sich die privaten Gläubiger beteiligen und der in den nächsten Tagen abgewickelt werden soll, abwarten, hieß es aus Berlin. Nach Medienberichten gibt es in der Bundesregierung offenbar erste Signale, dass man über das Volumen des ESM reden könne, aber eben erst nach dem Schuldenschnitt Ende März. Dann treffen sich die Finanzminister der Europäischen Union in Kopenhagen.

Schuldenschnitt abwarten

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble gab sich bei EU-Gipfel am Donnerstag in Brüssel jedenfalls denkbar zurückhaltend. Er verwies darauf, dass der ursprüngliche Fahrplan für die Entscheidungen eingehalten werden müsse. Man prüfe jetzt, ob Griechenland die Voraussetzungen für das zweite Rettungspaket erfülle, sagte Schäuble. "Und wenn die Voraussetzungen gegeben sind, dann können wir heute entscheiden, dass wir die Dinge freigeben, die wir brauchen, damit die Umtauschaktion von Griechenland für die privaten Gläubigern auf den Weg gebracht werden wird." Sprich: Wenn der Schuldenschnitt in den nächsten zehn Tagen erfolgreich war, wird man wohl auch in Berlin über eine Aufstockung des ESM nachdenken. Über ein nächstes Gipfeltreffen Anfang April in Brüssel wird schon laut nachgedacht.

Treffen der G20-Finanzminister und Notenbankchefs im mexikanischen Los Cabos am 25. Februar 2012 (Foto: reuters)
G20-Finanzminister in Los Cabos fordern mehrBild: Reuters

Der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) droht dann allerdings Ärger in der eigenen Koalition. Die konservative Schwesterpartei CSU will eine Ausweitung des Rettungsschirms oder auch das parallele Arbeiten von EFSF und permanentem Rettungsschirm ESM verhindern. Der bayrische Finanzminister Markus Söder (CSU) sagte im Westdeutschen Rundfunk, eine Aufstockung sei nicht notwendig. Jetzt müsse erst einmal das zweite Hilfspaket für Griechenland wirken. Statt über noch mehr Geld und ein drittes Hilfspaket nachzudenken, "wäre es sinnvoller ein Exit-Paket zu diskutieren, wie die Griechen dann aus dem Euro austreten könnten."

Autoren: Daphne Grathwohl/Bernd Riegert
Redaktion: Dеnnis Stutе