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WHO warnt vor Mangel an Cholera-Impfstoff

Veröffentlicht 26. September 2023Zuletzt aktualisiert 21. März 2024

Vor allem in Konfliktregionen steigt die Zahl der Cholera-Fälle, meldet die WHO. Gleichzeitig wird viel zu wenig Impfstoff produziert. Dabei ist es eigentlich leicht, Cholera vorzubeugen und zu behandeln. Eigentlich.

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Kleines Mädchen bekommt eine Schluckimpfung in Syrien verabreicht.
Cholera trifft vor allem Menschen in Krisengebieten schwer. Dabei ist die Krankheit leicht zu behandeln und es gibt sogar eine Impfung.Bild: Anas Alkharboutli/dpa/picture alliance

Durch den extremem Cholera-Impfstoffmangel steigen die Fälle rasant an. Laut WHO wurden im vergangenen Jahr 72 Millionen Dosen von Ländern nachgefragt, aber nur 36 Millionen Dosen wurden produziert.

In den Jahren 2021 bis 2023, so die Weltgesundheitsorganisation, seien damit mehr Impfdosen von den Ländern nachgefragt worden wie im ganzen Jahrzehnt davor. Laut WHO ist die Firma EuBiologics in Südkorea die einzige, die überhaupt noch Cholera-Impfstoff herstellt.

Im Jahr 2022 gab es 473.000 Cholerafälle. Das sind doppelt wo viele wie noch 2021, und die Lage spitzt sich weiter zu. Vorläufigen Daten von 2023 zufolge könnte die Zahl für das vergangene Jahr auf 700.000 Fälle steigen.

Um die Lage etwas zu beruhigen, hatte es bereits im Oktober 2022 seitens der Koordinierungsgruppe die Empfehlung gegeben, nicht mehr wie üblich jeweils zwei Impfdosen zu verabreichen, sondern nur noch eine. So sollte die benötigte Menge an Impfstoff reduziert werden, allerdings hält dann auch der Impfschutz nicht so lange vor.

Am schwersten betroffen sind meist Konfliktregionen, in denen schlechte Hygieneverhältnisse herrschen, denn dort kann sich das Bakterium Vibrio cholerae schnell verbreiten. Zu den von Cholera betroffenen Ländern gehören die Demokratische Republik Kongo, Äthiopien, Haiti, Somalia, der Sudan, Syrien, Sambia und Simbabwe.

Auf lange Sicht sei es nötig, den Hygienestandard zu verbessern und für mehr und bessere Abwassersysteme zu sorgen sowie in sauberes Trinkwasser zu investieren.

Bakterium Vibrio cholerae verseucht Wasser

"Eigentlich ist die Krankheit Cholera sehr gut in den Griff zu kriegen", sagt Daniel Unterweger, Mikrobiologe an der Universität Kiel und am Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön. Denn das Cholera-Bakterium Vibrio cholerae schwirrt nicht durch die Luft und infiziert Menschen über die Atemwege, wie es Viren wie Influenza oder SARS können. Vibrio Cholerae wird oral - also über den Mund - aufgenommen. Das passiert meistens über mit den Bakterien verunreinigtes Trinkwasser.

So gelangen die Bakterien in den menschlichen Körper, wo sie oft unbemerkt bleiben und der infizierten Person keine Symptome bescheren. Diese scheidet die Bakterien dennoch aus und infiziert damit potenziell weitere Menschen. Cholera kann allerdings auch zu schweren Durchfällen bis hin zum Tod führen.

Doch dazu müsste es in vielen Fällen erst gar nicht kommen, denn "die Cholera-Erkrankung ist sehr gut zu behandeln", sagt Unterweger. Infizierte können mit einer Flüssigkeit, die Salze und Zucker enthält, und intravenös oder oral verabreicht wird in den meisten Fällen erfolgreich behandelt werden.

Es gibt auch Impfungen, die oral verabreicht werden und zumindest ein paar Jahre lang einen guten Schutz bieten. Dennoch sterben nach Schätzungen der WHO jedes Jahr zwischen 21.000 und 143.000 Menschen an der bakteriellen Infektion. Denn Cholera mag leicht zu verhindern und zu behandeln sein, allerdings nur dann, wenn die Umstände es zulassen.

Cholera durch Krieg, Katastrophen und Flucht

"An Cholera erkrankt man dadurch, dass man die Cholera-Bakterien oral aufnimmt. Das heißt, es müssen zwei Faktoren gegeben sein: Zum einen muss das Bakterium in der Umwelt vorhanden sein, beispielsweise in einem Fluss. Und zum anderen muss der Mensch mit dem Fluss in Kontakt kommen, indem er beispielsweise Wasser aus dem Fluss trinkt", erklärt Unterweger.

Sauberes Trinkwasser ist die wichtigste Voraussetzung, um Cholera-Erkrankungen vorzubeugen. Naturkatastrophen wie die Fluten in Libyen oder wie das Erdbeben in Marokko zerstören jedoch die Wasserinfrastruktur und erhöhen das Risiko, das mit Fäkalien verunreinigtes Abwasser ins Trinkwasser gerät - und damit auch das Cholera-Bakterium.

Kriege können einen ähnlich zerstörerischen Effekt haben und den Menschen nicht nur den Zugang zu sauberem Trinkwasser verwehren, sondern auch eine rechtzeitige Behandlung der Cholera-Erkrankung unmöglich machen.

Klimakrise hat Effekt auf Cholera

Die Klimakrise ist gleich ein zweifacher Treiber für die Verbreitung des Bakteriums, erklärt der Mikrobiologe Unterweger. "Je wärmer Gewässer werden, desto stärker vermehren sich die Cholera-Bakterien." Das erhöhe auch das Risiko für Infektionen. 

Außerdem trägt das sich aufheizende Klima dazu bei, dass immer mehr Menschen ihre Lebensräume verlassen, weil Dürren oder andere Extremwetterlagen sie zur Migration zwingen. "Diese Menschen gelangen dann leicht an Orte ohne ausreichende lokale Hygieneinfrastruktur und infizieren sich dort", sagt Unterweger. Laut WHO sind Flüchtlingscamps besonders anfällig für Cholera-Ausbrüche.

Wie sich die globale Cholera-Situation in den kommenden Jahren entwickeln wird, darüber kann Unterweger nur spekulieren. Die WHO möchte der Infektion bis 2030 den Garaus gemacht haben. Die Klimakrise und dadurch häufiger auftretende Extremwetterereignisse, die wiederum Infrastruktur zerstören und Menschen zur Flucht zwingen, lassen Unterweger jedoch vermuten, dass wir Cholera nicht so schnell loswerden und noch viele Menschen an der Infektionskrankheit sterben werden.

 

Quelle: 

Millions at risk from cholera due to lack of clean water, soap and toilets, and shortage of cholera vaccine, https://www.who.int/news/item/20-03-2024-millions-at-risk-from-cholera-due-to-lack-of-clean-water-soap-and-toilets-and-shortage-of-cholera-vaccine

 

DW Mitarbeiterportrait | Julia Vergin
Julia Vergin Teamleiterin in der Wissenschaftsredaktion mit besonderem Interesse für Psychologie und Gesundheit.