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Der RIAS Kammerchor zu Gast in Beirut

Suzanne Cords11. Dezember 2013

Als der RIAS Kammerchor eine Einladung vom Beirut Chants Festival erhielt, hatten die Berliner zunächst Bedenken wegen der politischen Lage. Doch dann ging es mit Weihnachtsliedern im Gepäck auf die Reise.

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Der Rias Kammerchor Berlin bedankt sich beim Publikum nach einem Konzert in Beirut. (Foto: DW/Suzanne Cords)
Bild: DW/S.Cords

Von einem Hügel hoch über der Stadt blickt Jesus auf seine Schützlinge in Beirut hinab. Seit zweieinhalb Jahren ist die Statue eingerüstet, ebenso wie das dazugehörige Kloster Zouk Mosbeh der Franziskanerinnen. Seit 1952 betreuten die Schwestern hier alte und pflegebedürftige Priester und Waisenkinder. Jetzt sind sie woanders untergebracht, denn der Zahn der Zeit und zahlreiche Bombeneinschläge während des libanesischen Bürgerkriegs haben die Räume unbewohnbar gemacht.

Doch an einem Dezemberabend 2013 keimt Hoffnung auf. Die Schwestern sind auf Spendengelder angewiesen, um ihren Konvent wieder aufzubauen. Dank der Veranstalter des Beirut Chants Festival of Sacred Music ist jetzt einer der renommiertesten Chöre Deutschlands für ein Benefizkonzert angereist.

Friedliches Miteinander

Zum sechsten Mal finden in den Kirchen der gesamten Stadt weihnachtliche Konzerte statt. Ausländische Künstler sind da gern gesehene Gäste. Man wolle der Welt zeigen, dass der Libanon nicht nur ein Krisengebiet sei, sondern auch eine reiche kulturelle Seite habe, betont der künstlerische Festivalleiter Toufic Maatouk. "In unserem Programm fließen christliche und islamische Musiktraditionen ein und spiegeln so die ganze Vielfalt unseres Landes wider." Ähnliche Töne schlägt auch die Gründerin des Festivals, Micheline Abi Samra, an: "Die Botschaft dieses Events lautet Toleranz. Alle sollen sehen, dass in unserem Land Muslime und Christen friedlich zusammenleben."

Eine Kirche und eine benachbarte Moschee in Beirut. (Foto: DW/Suzanne Cords)
Kirche und Moschee in friedlicher KoexistenzBild: DW/S.Cords

Der Libanon ist ein fragiler Staat. Rigide Vorschriften in der Verfassung sollen ein Gleichgewicht zwischen den Religionsgruppen sicher stellen: Der Staatspräsident muss maronitischer Christ sein, der Regierungschef Sunnit, der Parlamentspräsident Schiit. Noch vor ein paar Jahren waren die Christen in der Mehrheit. Mittlerweile stellen sie aber nur noch 30 Prozent der Bevölkerung. Hinzu kommt, dass drei Millionen Syrer muslimischen Glaubens wegen des andauernden Bürgerkriegs zu Hause in das kleine Nachbarland geflüchtet sind. Viele Christen haben Angst, dass die Unruhen auch den Libanon überrollen.

Christliche Weisen

"Es ist schon etwas Besonders, hier zu singen. Denn man weiß ja, dass die Christen hier eine schwierigere Position haben als bei uns", meint RIAS Kammerchor-Sängerin Ulrike Bartsch. Noch ist die Lage in Beirut ruhig. Nur im Süden der libanesischen Hauptstadt liefern sich die Hisbollah und ihre Gegner Gefechte. So sitzen bei den zwei Auftritten des RIAS Kammerchors Angehörige unterschiedlichster Konfessionen nebeneinander. Immerhin 18 Religionsgemeinschaften gibt es in dem Land mit fünf Millionen Einwohnern: Maronitische Christen, Drusen, Muslime, Orthodoxe.

Das Bild zeigt auf das Konzert gespannt wartende Franziskanerschwestern in den Kirchenbänken. (Foto: DW Suzanne Cords)
Vofreude aufs Konzert bei den FranziskanerinnenBild: DW/S.Cords

Sie alle lauschen gebannt den 34 Sängerinnen und Sängern des Kammerchors, die das "Ave Maria"ebenso wie den Klassiker "Stille Nacht" und das moderne "Gloria in excelsis Deo" des 1988 verstorbenen italienischen Komponisten Giacinto Sceisi im Repertoire haben.

Angst vor dem Abflug

Ergreifend schöne Klänge erfüllen das Kirchenschiff. Vergessen scheinen die in dieser Stadt allgegenwärtigen Sicherheitskräfte mit Maschinengewehr, die auch vor diesem Gotteshaus Wache stehen. Die meisten Chormitglieder waren mit einem mulmigen Gefühl von Berlin nach Beirut gereist, zumal zwei Wochen vor dem Abflug eine Bombe vor der iranischen Botschaft im Libanon explodiert war.

Vier Kammerchor-Sänger sagten ihre Teilnahme an der Konzertreise ab, obwohl Chordirektor Bernhard Heß ständig mit dem Auswärtigen Amt in Kontakt stand: "Viele Musiker hatten natürlich eine Stadt im Kriegszustand vor Augen; dass die Kämpfe auf ganz bestimmte Punkte in Beirut begrenzt sind, sieht man ja von Berlin aus nicht."

Zwei Polizisten in Militäruniform auf Posten in Beirut. (Foto: DW/Suzanne Cords)
Polizeipräsenz allerortenBild: DW/S.Cords

Doch schon am ersten Tag überwiegt nicht mehr die Angst, sondern etwas ganz Anderes: die Herzlichkeit, mit der der RIAS Kammerchor von den Veranstaltern empfangen wird. "Sie geben sich wirklich Mühe, ihr Land im besten Sinne zu präsentieren", so Heß im Interview. "Das hat sicherlich auch zur Beruhigung beigetragen."

Stadt der Kontraste

Untergebracht sind die 34 Sänger aus sieben Nationen in einem Kloster, in dem schon Papst Benedikt weilte. Hier ist alles sehr spartanisch, doch der Blick über die 1,5-Millionen-Menschen Metropole ist grandios. Beirut liegt auf einer Halbinsel, eindrucksvoll ragen in der Ferne schneebedeckte Berge auf. Viele Choristen nutzen die knappe Freizeit für einen Stadtrundgang.

Hohe Wolkenkratzer, Baustellen mit Kränen und flache historische Gebäude in Beirut, einer Stadt im Aufbruch. (Foto: DW/Suzanne Cords)
Beirut - Stadt im AufbruchBild: DW/S.Cords

Schnell wird klar: Beirut ist eine Stadt der Gegensätze. Zwischen Hochhäusern ducken sich malerische Villen im osmanischen Stil. Dann wieder sieht man zerfallene Gebäude mit Einschusslöchern aus dem libanesischen Bürgerkrieg, der das Land von 1975 bis 1990 entzweite. Unzählige Kirchen und Moscheen stehen einträchtig nebeneinander. Auf Verkehrsinseln wachen Marienstatuen. Und da Libanesen, egal welcher Glaubensrichtung, Weihnachtsschmuck lieben, sieht man überall am Straßenrand beleuchtete Rentierschlitten, Nikoläuse, Schneemänner und bunten Lichterschmuck. Drumherum wälzen sich die Autolawinen, und nur mit einer gebieterischen Handbewegung kann man den Verkehr stoppen, um auf die andere Straßenseite zu gelangen.

Besonderer Farbtupfer

Beirut wirkt wie ein "Paris des Orients". Aber kaum ein Kammersänger aus Berlin traut sich an die allgegenwärtige "Shisha", die arabische Wasserpfeife, heran, die libanesische Frauen und Männer einträchtig rauchen. Dafür probieren sie die "Mezze" aus tausenderlei libanesischen Vorspeisen.

RIAS Sängerstimmen

Und im Gespräch mit den Einheimischen freuen sich die Berliner, wenn man sie lobt: "Eine Frau sagte, unser Chor habe einen besonderen Farbtupfer nach Beirut gebracht und hat sich ausdrücklich bedankt, dass wir trotz der Berichte über den Libanon eingereist sind", erzählt Sänger Achim Schwesig. Dass beim zweiten Konzert ein ständiges Kommen und Gehen herrschte, schiebt der Sänger auf das südländische Temperament. "Der Applaus war trotzdem sehr warm und herzlich, das hat mich sehr berührt." Und Andrea Effmert ergänzt: "Ich werde nie das Gefühl vergessen, Weihnachtsfreude hierher gebracht zu haben."

Intensivierter Kontakt

Die Auftritte des RIAS Kammerchors deswegen völkerverbindend zu nennen, hält Chordirektor Bernhard Heß allerdings für etwas übertrieben. "Aber vielleicht können wir den Kontakt ja intensivieren", sagt er, "und im nächsten Jahr gemeinsam mit einem libanesischen Chor auf die Bühne treten."

Die Franziskanerinnen des Klosters Zouk Mosbeh würde es freuen. Denn auch wenn der Besuch der deutschen Sängerinnen und Sänger Geld in die leeren Kassen gespült hat, ein weiteres Konzert des RIAS Kammerchors würde ihrer Jesusstatue vielleicht endgültig wieder zu neuem Glanz verhelfen.