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Deutsch lernen

Was Worte alles sein können

Birkenstock, Günther17. August 2011

Süße Früchte, scharfe Gewürze, kühle Getränke. Gibt's hier und heute alles nicht. Dafür aber jede Menge Worte, die süß, scharf und kühl sind - und noch vieles mehr. Lassen Sie sich überraschen …

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Die Art, wie jemand spricht, drückt viel von seinem Charakter aus. Deshalb sind Bezeichnungen für Redeweisen oft gleichzeitig auch solche für Persönlichkeiten. Hier hat allein schon die Hochsprache einen üppigen Schatz an Differenzierung zu bieten.

Reden und Sein

Fanatisch spricht der Fanatiker, gelehrt der Bildungsbürger, plump der Prolet. Akzentuiert und präzise formuliert der geübte Redner, verklausuliert und umständlich derjenige mit viel Faktenkenntnis, aber ohne Begabung und Übung in der Vermittlung seines Wissens.

Manche Theaterschauspieler neigen zu theatralischen Worten, weil sie das dramatische Überbetonen von der Bühne gewohnt sind. Politiker werden in flammenden Wahlkampfreden gerne pathetisch, um die Herzen der Wähler zu erreichen und provozierend gegenüber den Gegnern.

Nüchterne Menschen - trockene Worte

Beinahe unendlich groß wird das Spektrum der Wortcharaktere im Bereich der Umgangssprache. Nüchtern ist derjenige, der keinen Alkohol getrunken hat. Nüchterne Worte sind solche ohne besondere Betonung und Emotion. Sie können zwar korrekt, sogar präzise sein, aber der Mensch, der sie vorträgt, scheint wenig Leidenschaft zu entwickeln für das, was er beschreibt. Pathos ist ihm fremd.

Sparsam, ja karg ist seine Wortwahl. Manchmal sind seine Sätze sogar trocken und spröde. Sie haben so wenig Ausdruck, wie ein drei Tage altes Brötchen Geschmack besitzt und ein morscher Ast Biegsamkeit.

Des Guten zuviel

Betonung ist also wichtig. Zuviel Betonung hingegen wirkt schnell angeberisch. Wer derartig großspurig auftritt, möchte beeindrucken mit dem, was er sagt und wie er es sagt - und oft genug auch mit teurer Kleidung oder einem luxuriösen Auto. Wer derart daher schwadroniert, sich aufbläht wie ein stolzer Hahn, prunkt und protzt mit Worten, mit angeblichen Fähigkeiten und Reichtümern, der kann vielleicht kurzfristig beeindrucken. Langfristiges Ansehen und gute Freunde wird er so kaum bekommen.

Prahlerisch wirkt nicht nur die übermäßige Betonung von Worten. Auch allzu korrekte und komplexe Sätze können Zuhörer abstoßen. Was in Buch oder Zeitung als normal empfunden wird, gilt in der Alltagssprache schnell als abgehoben, geschwollen oder gestelzt, besonders Feinsinniges gilt sogar als schwülstig.

Am besten weder scharf noch süßlich

Botschaften leben von der Form - das wissen Schriftsteller so gut wie Marketing-Fachleute. Werbung wird deshalb oft in freundliche Worte verpackt, damit sie ansprechend wirkt. Übertrieben freundliche Beschreibungen aber gelten als anbiedernd und süßlich, was man in der Umgangssprache auch gerne mit Süßholz raspeln beschreibt.

Wer andere von sich überzeugen will, sollte freundlich sein - und klar sagen, was er will. Aber Vorsicht: genau zutreffende Worte sind nicht immer beliebt. Eine solche Redeweise wirkt schnell kühl und gefühllos - absolut präzise Worte werden nicht selten als scharf und schneidend empfunden. Außerdem sollte man seine Zuhörer nicht überfordern, zum Beispiel mit zu schnellem Reden. Wer wie ein Maschinengewehr spricht, wirkt rasch nervig. Außerdem sind Menschen schwer verständlich, die ohne Punkt und Komma formulieren, wie es eine Redewendung ironisch auf den Punkt bringt.

Frank und frei

Viele kritische Bezeichnungen aus der Umgangssprache zeigen: es ist viel leichter, die falschen als die richtigen Worte zu finden. Man muss ausreichend laut reden, um verstanden zu werden, aber nicht zu laut, sonst wirkt das vielleicht polternd. Natürlich geht es beim Reden um den Austausch von Informationen, aber wer darin allein den Sinn sieht, wirkt schnell steif und gefühllos. Wer dagegen nicht zu bremsen ist und immer neue Geschichten erzählt, die vielleicht gar nicht alle hören wollen, der erhält so hübsche Titel wie Quasselstrippe oder Plaudertasche.

Ganz klar positiv wirkt allerdings derjenige, der frank und frei seine Meinung sagt, sich also von Mächtigen nicht einschüchtern lässt, offen und direkt ausspricht, was er denkt. Frank und Frei ist eigentlich eine Doppelung: Frank ist die deutsche Kurzform für Franziskus, was in früheren Jahrhunderten einmal franko hieß und frei bedeutete. Deshalb ist ein frankierter Brief einer, der mit einer Briefmarke frei gemacht wurde.

Andere Zeiten, andere Worte

Nicht zuletzt haben Worte einen Zeitgeschmack. Viele Bezeichnungen, die vor 40 Jahren gängig waren, wirken heute altertümlich. Der Zeitungsladen klingt inzwischen verstaubt. Heute spricht man eher von einem Presse-Shop. Abgesehen von zahlreichen Markennamen, käme heute auch kaum jemand auf die Idee von Brause zu sprechen, wenn er eine Limonade möchte, auch wenn es dasselbe ist.

Andere Zeiten, andere Sitten, andere Worte. Mit Attributen wie prima, klasse und super ist man in den meisten Gesellschaftskreisen auf der sicheren Seite, wenn man ausdrücken will, dass einem etwas gefällt, zum Beispiel ein Kinofilm. Würde man hingegen von einem außerordentlich angenehmen Streifen sprechen, der beeindruckend war, mit wunderbaren Schauspielern und großartiger Inszenierung, würde das abgehoben und antiquiert klingen.

Wie cool!

Für heutige Jugendliche ist die Sache ganz einfach: cooler Film, coole Schauspieler, coole Inszenierung. Prima, klasse, schön, lecker, angenehm, beeindruckend - alles lässt sich in diesem Wort zusammenfassen. Echt superpraktisch, um nicht zu sagen, cool!

Fragen zum Text

Die Sprache von Angebern wird als … bezeichnet.

1. angestaubt

2. großspurig

3. steif

Jemand, der präzise seine Meinung äußert, …

1. spricht frank und frei.

2. wirkt prahlerisch.

3. ist gefühlvoll.

Eine Quasselstrippe …

1. redet ohne Punkt und Komma.

2. poltert herum.

3. spart mit Worten.



Arbeitsauftrag

Analysieren Sie in der Gruppe das Auftreten und die Redeweise einer bekannten Persönlichkeit aus Ihrem Land - am Besten anhand eines Audio- oder Filmbeispiels. Versuchen Sie, möglichst passende (attributive) Adjektive für sein Auftreten und für seine Redeweise zu finden.

Autor: Günther Birkenstock

Redaktion: Beatrice Warken