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Historisch einmalig

Martin Schrader22. September 2008

Die US-Regierung will in einer historisch einmaligen Aktion ein 700 Milliarden Dollar schweres Hilfspaket für die Finanzmärkte schnüren. Was bringt die Aktion, wer bezahlt sie? Antworten auf 10 wichtige Fragen.

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Börsenmakler telefoniert vor fallendem Kurs (AP Photo/Daniel Roland)
Die Börsenkurse sind während der Finanzmarktkrise rapide gesunkenBild: AP

Was passiert mit den 700 Milliarden Dollar?

Mit diesem Geld will das US-Finanzministerium Problem-Hypotheken für Wohn- und Geschäftsimmobilien sowie mit Hypotheken besicherte Wertpapiere von Banken kaufen. Das würde den Banken Liquidität verschaffen. Auf dem Markt ist ein Verkauf derzeit unmöglich. Das Finanzministerium kann solche Wertpapiere länger halten als Geschäftsbanken. Auch ausländische Banken sollen, wenn sie in den USA erheblich tätig sind, nach derzeitigen Plänen von dem Rettungspaket profitieren.

Henry Paulson zeigt die Richtung während Pressekonferenz (AP Photo/J. Scott Applewhite)
Vater des Hilfsfonds: US-Finanzminister Henry PaulsonBild: AP

In welchem Zeitraum wird das Geld verwendet?

Das Gesetz für das Rettungspaket soll noch diese Woche verabschiedet werden. Das Geld soll dann in den nächsten zwei Jahren eingesetzt werden.

Wie viel Geld bekommen einzelne Banken vom US-Finanzministerium?

Details der geplanten Transaktionen sind noch unklar, so etwa die genaue Linie der US-Regierung beim Aufkauf. Offen ist unter anderem, ob der Staat bereit sein wird, über dem Marktwert liegende Preise zu zahlen, oder ob "hart" mit den Instituten verhandeln wird. Auf den Finanzmärkten wird spekuliert, dass eigens eingesetzte Manager die Übernahme der Kreditlasten in einer Art umgekehrter Auktion durchführen könnten. Das heißt, die Regierung würde Papiere von denjenigen Instituten kaufen, die ihre Vermögenswerte zum niedrigsten Preis anbieten.

Kommt das Geld zurück?

Die Problem-Hypotheken und Wertpapiere sollen später wieder verkauft werden. Nach Einschätzung des Wirtschaftsprofessors Irwin Collier vom John F. Kennedy Institut für Nordamerikastudien der Freien Universität Berlin handelt es sich daher bei den 700 Milliarden Dollar um eine Bruttozahl. Sie werde sich nach einem späteren Verkauf verkleinern. "Aber wir sollten uns keine Illusionen machen", warnt er, "ein Drittel davon könnte am Ende noch für die Steuerzahler übrig bleiben."

Gibt es Beispiele für dieses Rettungspaket?

Eine echte historische Parallele gibt es nicht. Das Vorhaben ähnelt nach Ansicht Colliers aber etwas der Resolution Trust Corporation (RTC). Dieses staatseigene Unternehmen wurde während der Krise amerikanischer Spar- und Darlehensbanken in den späten 1980er-Jahren gegründet. Damals kaufte die RTC bankrotte Banken komplett auf und verkaufte sie später wieder. Heute geht es um Kredite und Wertpapiere, die vom Staat gekauft werden. Insofern besteht ein Unterschied zum damaligen Programm. Eine historische Parallele besteht zum Teil auch zur Reconstruction Finance Corporation. Dieses staatseigene Unternehmen wurde unter der Regierung von Präsident Herbert Hoover 1932 gegründet. Es hatte das gleiche Ziel wie das Programm der Regierung Bush: Den Banken soll Liquidität verschafft werden.

Warum gab es in der Weltwirtschaftskrise kein derartiges Hilfsprogramm?

Damals herrschte die orthodoxe Meinung: Man muss schlechtes Wirtschaften bestrafen. Für normale Zeiten ist dies nach Angaben von Collier eine sehr vernünftige Maxime, weil damit Marktdisziplin geschaffen wird. Die heutige Krisensituation verlange jedoch nach einem Eingreifen des Staates, weil ansonsten das Bankensystem wie in der Weltwirtschaftskrise zusammenbrechen könnte.

Wovon hängt der Erfolg des Rettungspakets ab?

Eine Schlüsselgröße für den Erfolg wird der Preis sein, zu dem die Regierung die Hypotheken und Wertpapiere aufkauft. Wenn der Preis zu niedrig ist, hilft das einer Bank nicht aus ihrem Liquiditätsengpass. Wenn er zu hoch ist, wird das die Steuerzähler stark belasten, da das Finanzministerium nach einem späteren Verkauf auf entsprechend höheren Verlusten sitzen bleibt.

Wie ist das politische Verfahren für dieses Hilfspaket einzuschätzen?

"Es ist fast ein Unding", meint Collier, "dass ein Finanzminister ankommt und sagt: 'Ich möchte so viel Geld haben - ein Drittel mehr als der Verteidigungshaushalt des ganzes Jahres -, und das will ich haben ohne wenn und aber, und keiner darf sich da einmischen'." Für eine Demokratie sei das sehr bedenklich. Denn der Kongress habe Anspruch auf eine Kontrolle über dieses Geld. Das brauche jedoch Zeit, um die Art dieser Kontrolle festzulegen. Zeit habe man aber nicht, denn in dieser Situation müsse man sehr schnell handeln, um zu helfen.

Was passiert, wenn es schief geht?

Dann besteht die Gefahr, dass auf die jetzige Kreditklemme ein kompletter Zusammenbruch des Kreditwesens folgt. "Dann werden ganz normale Investitionen von Firmen aber auch von Privathaushalten erheblich erschwert und die volkswirtschaftliche Aktivität wird zurückgehen, und zwar ganz mächtig", sagt Collier. "Wenn wir Glück haben, wird das nur eine kleine Rezession bedeuten und nicht eine große Depression."

Beteiligt Deutschland sich an dem Rettungspaket?

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos hält nichts von einer Beteiligung an dem Rettungspaket. Es sollte nach dem Motto "jeder kehrt vor seiner Tür und sauber ist das Stadtquartier" gehandelt werden, sagte er am Montag (22.09.2008). Da der deutsche Finanzmarkt von den Turbulenzen weniger betroffen sei, plant die Bundesregierung nach eigenen Angaben auch kein eigenes Rettungspaket.