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Das nächste Krisenjahr

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Henrik Böhme
2. Januar 2023

Es sind schwierige Zeiten für realistische Prognosen. Das einzige, was sicher ist: Deutschlands Volkswirtschaft beweist auch im dritten Krisenjahr Stärke. Doch auch 2023 wird herausfordernd, meint Henrik Böhme.

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Gewitter in Hessen
Hohe Energiepreise verunsichern Bevölkerung und WirtschaftBild: Jan Eifert/picture alliance

Es ist nun schon das dritte Jahr in Folge ungemein schwierig, auf das neue Jahr zu blicken. Ende 2020 war der Autor dieser Zeilen sicher, 2021 werde die deutsche Wirtschaft "den Turbo anwerfen". Ein Jahr darauf war es nicht besser: "Zwischen Düsternis und Hoffnungsschimmer", so war die Aussicht auf 2022 überschrieben.

Nun also der Blick auf 2023. Man könnte es sich einfach machen und den Wirtschaftsminister zitieren: "Es wird anders schwierig", so Robert Habeck in einem Zeitungsinterview. Man kann das so stehen lassen oder aber ein wenig genauer hinschauen. Vielleicht die gute Nachricht zuerst: Der Weltuntergang ist vorerst abgesagt, die deutsche Wirtschaft hat nach dem Corona-Schock auch die Folgen des russischen Überfalls auf die Ukraine erstaunlich gut bewältigt, inklusive des Energieschocks durch das Ausbleiben der Gaslieferung aus den sibirischen Feldern.

Ein bislang vergleichsweise milder Winter, prall gefüllte Gasspeicher, volle Auftragsbücher bei den Unternehmen, weniger Lieferengpässe, sinkende Preise für Containerfracht und nicht zuletzt massive staatliche Hilfen haben zu einer deutlichen Entspannung des konjunkturellen Krisenszenarios beigetragen.

Henrik Böhme, DW Wirtschaftsredaktion
Henrik Böhme, DW Wirtschaftsredaktion

Raus mit der Kohle

Zwar bleibt eine Rezession in den kommenden Monaten wahrscheinlich. Aber sie dürfte vergleichsweise mild ausfallen. Die Ausgangsbasis ist so schlecht nicht, immerhin gab es noch im dritten Quartal ein überraschendes Plus beim Wirtschaftswachstum von 0,4 Prozent. Und das trotz einer mittlerweile zweistelligen Inflationsrate.

Das scheint eine Besonderheit dieser sich überlagernden Krisen (Corona, Krieg in der Ukraine) zu sein: Vor allem der sogenannte Binnenkonsum, also die Kauf- und Reiselust der Menschen, trug zu diesem Wachstum bei. Während der Corona-Pandemie haben die Deutschen geschätzte 200 Milliarden Euro angehäuft, die sie jetzt ausgeben (vielleicht im Glauben, dass die Zeiten nicht besser werden und man lieber jetzt als später das Geld ausgibt).
Recht üppige Tarifabschlüsse (zum Beispiel Metallindustrie: plus 8,5 Prozent und 3000 Euro einmalig steuerfrei, Chemieindustrie 6,5 Prozent, oder 9,4 Prozent für die Hafenarbeiter an der Nordseeküste) dürften bei den Beschäftigten die Sorgen einigermaßen gelindert haben, die gestiegenen Rechnungen für Strom und Gas nicht bezahlen zu können. Und natürlich trägt das 200 Milliarden Euro-Paket der Bundesregierung ("Doppelwumms") einen wichtigen Teil zur Entlastung bei.

Ein Mitarbeiter räumt in einem Deutsche Post DHL Paketzentrum Pakete in einen Lkw.
Gekauft wird wie verrückt, vor allem via Onlinehandel. Bild: Rolf Vennenbernd/dpa/picture alliance

Die düsteren Prognosen einiger Auguren (Robert Habeck zum Beispiel sprach von Massenarmut und Verelendung als Folge, der BASF-Chef sah die schwerste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg kommen) sind nicht eingetreten. Stattdessen hat sich gezeigt, wie flexibel eine Marktwirtschaft auf Schocks zu reagieren vermag. Die Wirtschaft zeigte sich resilient (siehe Wachstum im 3. Quartal) und der BASF-Konzern erwartet für das laufende Jahr ein Umsatzplus von 15 Prozent samt sieben Milliarden Euro Gewinn vor Sondereinflüssen.

Gigantische Verschuldung

Dennoch liegt falsch, wer glaubt, alles sei gut. Denn die hohen Rechnungen für Strom und Wärme, die kommen erst 2023. Und das ist nur ein kleiner Teil der Sorgen. Schon wächst bei Finanzmarktprofis - und zwar bei den wirklichen Profis und nicht bei den üblichen Crash-Propheten, die nur ihre Bücher verkaufen wollen - die Angst vor einem neuen Crash des Finanzsystems.

Es sei nicht ein einzelnes Risiko, sagte beispielsweise der Deutschlandchef einer internationalen Großbank dem Handelsblatt. Es sei die Mischung aus so vielen unterschiedlichen Gefahren, die er "noch nie erlebt habe".

Die Hauptsorge: Die gigantische Verschuldung vieler Staaten ist weiter gewachsen, nach Zahlen des Internationalen Bankenverbandes vom Sommer auf insgesamt 305 Billionen Dollar (das sind 290 Billionen Euro - zum Vergleich: Der Bundeshaushalt für 2023 umfasst 476 Milliarden Euro). Auch China ist ein unsicherer Kantonist, wenn man die weitere Entwicklung betrachten will. Zwar hat sich die kommunistische Führung dazu durchgerungen, offensichtliche Fehler in ihrem Kampf gegen Corona zu korrigieren.

China Guangzhou | Coronavirus:  Abgebaute Barrikaden
Chinas Null-COVID-Strategie hat die heimische Wirtschaft schwer getroffen Bild: CHINATOPIX/AP/dpa/picture alliance

Die Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft sind dennoch verheerend, und die weltweite Nachfrage nach Produkten made in China ist zuletzt deutlich eingebrochen. Für die deutsche Wirtschaft, die trotz aller Bemühungen, sich breiter aufzustellen, nach wie vor stark von China abhängig ist, sind dies eher schlechte Aussichten.  

Die Lösung heißt: Europa

Für eine zusätzliche Eintrübung der Aussichten sorgt zudem der weiterhin eklatante Mangel an Fachkräften, von denen hierzulande weit mehr als eine halbe Million fehlen. Angesichts einer zunehmend älter werdenden Bevölkerung lässt sich das nur durch eine zielgerichtete Zuwanderungspolitik lösen. Bleibt zu hoffen, dass das neue Gesetz der Ampel-Koalition nicht ein ähnlicher Rohrkrepierer wird wie das Gesetz der Vorgängerregierung aus dem Jahr 2020.

Reicht noch nicht? Dann noch das hier: Die Globalisierung stottert. Nicht nur die Exportnation Deutschland hat von der weltweiten wirtschaftlichen Verflechtung stark profitiert. Auch weltweit hat dies Armut reduziert und ein wenig mehr Wohlstand gebracht. 

Doch spätestens als in der Pandemie keine Schutzmasken mehr in Deutschland verfügbar waren und der Kriegsherr im Kreml kein Gas mehr nach Deutschland fließen ließ, wurde klar, dass Globalisierung neben Vorteilen auch Abhängigkeiten bringt. Da absehbar keine Besserung in Sicht ist, ist es umso wichtiger, auf bilaterale Freihandelsabkommen zu setzen - und auf den Heimatmarkt. Und das ist vor allem: Europa.   

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Henrik Böhme Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Auto- und Finanzbranche@Henrik58