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Alaska: Die Klimabombe tickt

Gero Schließ31. August 2015

Es war eines der schlimmsten Jahre in der Geschichte Alaskas. Selten gab es so viele und so große Waldbrände. Die Auswirkungen auf den Klimawandel sind noch nicht abzuschätzen.

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Alaska Waldbrand
Bild: picture alliance/AP Photo/Sgt. B. O'Neal

Genau 33 Meilen am Highway Nr. 2 nordwestlich von Fairbanks hört die grüne Vegetation plötzlich auf. Abgebrannte Baumstümpfe und schwarze Erde, soweit das Auge reicht. Dazwischen verläuft das Rohr einer Ölpipeline. Jetzt ist es hier gespenstig still. Ein kühler Wind weht, irgendwo raschelt ein Eichhörnchen. Vereinzelt wächst schon wieder grünes Gras aus der aufgeweichten schwarzen Erde.

Klimawandel und Waldbrände

An diesem Ort brannte vor wenigen Wochen eines der großen Waldfeuer. "Jedes Jahr verbrennen mehr Flächen”, stellt Scott Rupp vom International Artic Research Center der Universität Alaska fest. "Die Häufigkeit der Jahre mit großen Waldbränden hat mit der Zunahme von extremem Wetter und zuletzt mit den langfristigen Veränderungen der Klimatrends zu tun", analysiert der Wissenschaftler im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Der nördlichste Bundesstaat der USA ist wie kaum ein anderer Landstrich dieser Erde vom Klimawandel betroffen. Hier ist die Erderwärmung zweimal so hoch wie im Rest der Welt. Im Mai dieses Jahres wurden in Alaska die höchsten Temperaturen seit mehr als 90 Jahren gemessen.

Kent Slaughter - Leiter des Alaska Fire Service zeigt seinen Schutzhelm (Foto: DW Schließ)
Kent Slaughter - Leiter des Alaska Fire ServiceBild: DW/G. Schließ

Zu den folgenreichsten Auswirkungen des Klimawandels gehören die großen Waldbrände. "Es gab hier vorher noch nie so viele und so große Feuer wie in den letzten 15 Jahren", sagt Kent Slaughter der Deutschen Welle. "Zwei der schlimmsten Feuerjahre waren 2004 und 2015", so der Leiter des Alaska Fire Service, der für die Bekämpfung der Waldbrände in der nördlichen Hälfte des US-Bundesstaates zuständig ist. Dort haben die meisten der großen Feuer gebrannt.

Im Juni, so Slaughter, seien täglich mehr als 70 neue Feuer ausgebrochen. Eine Fläche von der Größe El Salvadors oder Dschibutis brannte so insgesamt bisher ab. Es war das zweitschlimmste Jahr in der Geschichte Alaskas. Das habe die Kräfte seiner Leute - darunter fast 1000 Freiwillige - überfordert.

Mehr als 3000 Feuerwehrmänner aus Kanada und dem Rest der USA halfen aus. "Die Waldbrände tragen einen erheblichen Teil zur Klimawandel-Geschichte bei", sagt Scott Rupp, "wegen der Masse an Kohlendioxid, die durch die Brände in die Atmosphäre gelangt". Ein einziges "großes Jahr wie 2015" könne das gesamte Kohlendioxid, das sich im letzten Jahrzehnt angesammelt habe, in die Atmosphäre entlassen. Wegen der Weitläufigkeit Alaskas und der häufigen Waldbrände kommt da einiges zusammen: "Von 1950 bis 2009 ist durch Waldbrände in Alaska genauso viel CO2 ausgestoßen worden wie die Hälfte aller CO2 Emissionen der gesamten Europäischen Union", so Rupp.

Permafrost und Methangas

Der Klimawandel hat in Alaska einen Teufelskreis in Bewegung gesetzt, dessen Ende noch nicht abzusehen ist. Je wärmer es hier wird, desto trockener die Sommer und umso größer die Wahrscheinlichkeit von Waldbränden.

Doch damit ist die dramatischste Konsequenz der Waldbrände noch nicht benannt: Die immer häufigeren Brände beschädigen und reduzieren die obere Bodenschicht, die eine isolierende Wirkung habe, so Scott Rupp: "Durch das Abtragen der Bodenschicht wird die darunter liegende Permafrostschicht anfällig für äußere Einflüsse. Das verstärkt das rasante Abtauen noch."

Ein Eichhörnchen hüpft über einen Baum (Foto: DW-Schließ)
Wieder etwas Leben nach dem verheerenden WaldbrandBild: DW/G. Schließ

Permafrost müsse man sich vorstellen wie eine "schützende Winterjacke", sagt sein Kollege Bob Bolton von der Universität Alaska. In einem Waldstück in der Nähe seines Büros in Fairbanks gräbt der Permafrost-Experte mit dem Spaten ein ellbogentiefes Loch in den aufgeweichten Boden. Darunter wird es hart, das ist die Permafrostschicht, erklärt er. Permafrost ist nichts anderes als gefrorene Erde und erstreckt sich noch auf 80 Prozent der Landmasse Alaskas. Seit Jahrhunderten hat er die darunter liegenden organischen Abfälle luftdicht eingeschlossen. Sie enthalten neben Kohlendioxid das noch weit klimaschädlichere Methangas.

Es brauche nicht viel an äußeren Einflüssen, um die schützende Oberschicht anfällig für die Erwärmung zu machen, sagt Bolton. Die eindringende Hitze löst dann den Tauprozess aus, der danach kaum noch aufzuhalten ist.

Durch den durchlässigen Permafrost dringen dann die darunter liegenden Methangase in die Atmosphäre. Sie sollen 25-mal klimaschädlicher als Kohlendioxid sein, sagen Klimawissenschaftler.

Es wird noch schlimmer

Deren Zukunftsprojektionen gehen davon aus, dass sich dieser Prozess in den nächsten Jahrzehnten noch beschleunigt. Nach jüngsten Schätzungen der "Environmental Protection Agency", einer Umweltbehörde der US-Regierung, wird sich die Fläche, die von Waldbränden betroffen ist, bis Mitte des Jahrhunderts verdoppeln. Durch die weitere Zunahme des Kohlendioxid- und Methanausstoßes werde sich die Erde in Alaska weiter erwärmen, sagt eine andere Studie voraus, die ebenfalls die Obama-Regierung in Auftrag gegeben hat und letzte Woche im International Journal of Wildland Fire veröffentlicht wurde.

Bob Bolton von der Universität Alaska zeigt die Permafrost-Schicht (Foto: DW Schieß)
Bob Bolton von der Universität AlaskaBild: DW/G. Schließ

Umstrittene Ölbohrungen

Die fast zeitgleich getroffene Entscheidung der Obama-Regierung, dem Shell-Konzern Öl-Bohrungen vor der Küste Alaskas zu gestatten, hat bei Klimaexperten wie Scott Rupp allerdings Stirnrunzeln ausgelöst: "Auch wenn es nur indirekt ist: Es wird den Ausstoß von Treibhausgas erhöhen mit Auswirkungen auf die Erderwärmung und die Waldbrände hier", hält Rupp fest.