1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wahltag Kongo

29. November 2011

Tote, brennende Wahllokale, geklaute Stimmzettel – der Wahlauftakt in der Demokratischen Republik Kongo hätte nicht schwieriger verlaufen können. Eine Herkulesaufgabe in einem Herkulesland.

https://p.dw.com/p/13IpE
Wähler in Kinshasa beschweren sich vor einer Wahlstationam Montag, 28. November 2011. Foto: AP Photo/Jerome Delay
Gewalt, Pannen, Verspätungen - Wähler in Kinshasa beschweren sich vor einem WahlbüroBild: AP

Es fällt ihm nicht leicht, das zu sagen, aber Ekkehard Forberg, Experte für Friedensförderung der Nichtregierungsorganisation World Vision, muss zugeben: "Ich glaube, dass man aufgrund der vielen Manipulationsmöglichkeiten und der schwierigen logistischen Bedingungen keinesfalls von wirklich freien und fairen Wahlen sprechen kann."

Gewalt, Pannen, Verspätungen

Anhänger von Oppositionskandidat Tshisekedi protestieren in Kinshasa gegen unleserliche Wahlzettel. Am 28.11.2011. Foto:Jerome Delay/AP/dapd
Energischer Protest: Anhänger von Oppositionskandidat TshisekediBild: dapd

Gewalt und Unregelmäßigkeiten überschatteten dann auch den ersten Wahltag (28.11.2011) in der Demokratischen Republik Kongo. In Lubumbashi, der zweitgrößten Stadt des Landes, kamen mehrere Menschen bei Angriffen auf einen mit Stimmzetteln beladenen Lastwagen und Schießereien auf ein Wahllokal ums Leben. Unter den Toten sollen drei der Angreifer sein, die von Polizisten erschossen wurden, sagte der Innenminister der Provinz Katanga.

In der zentralkongolesischen Stadt Kananga, einer Hochburg von Oppositionsführer Etienne Tshisekedi, standen mehrere Wahllokale in Flammen, andere wurden verwüstet.

Die Hauptstadt Kinshasa kämpft weniger mit Gewalt als mit logistischen Problemen: In einigen Wahllokalen fehlte die Tinte zur Markierung der Finger von Wählern, die ihre Stimme bereits abgegeben hatten. Justin Tshibangu, Präsident des Wahllokals St. Joseph in Kinshasa hielt das für Anfangsschwierigkeiten. "Es läuft gut. Außer, dass einige Dokumente spät angekommen sind. Deswegen haben wir das Wahllokal ein wenig später geöffnet. Die Tinte für die Briefumschläge kam zu spät, ebenso wie das Amtssiegel, um die Wahlurnen zu schließen. Ohne dieses kann man nicht wählen." Eigentlich war nur ein Wahltag vorgesehen, doch weil viele Wahlunterlagen nicht rechtzeitig eingetroffen sind, wird der Wahlprozess am 29.11.2011 fortgesetzt.

63.000 Wahllokale

Eine der 32 Millionen Wahlberechtigten ist Nadine Tshole. Bis zu den tageszeitungs-dicken Kandidatenlisten ist sie nicht einmal vorgedrungen. Vergebens suchte sie in Kinshasa ihren Namen auf der Liste der registrierten Wähler. "Ich habe mich angemeldet, aber als ich im ersten Wahllokal war, fanden sie meinen Namen nicht", erzählt Nadine Tshole. Man habe sie zu einem anderen Wahllokal geschickt. "Aber auch dort fand ich meinen Namen nicht. Jetzt möchte ich wissen, was ich machen soll. Ich will unbedingt wählen. Das ist meine Pflicht!"

Wahlen in einem Land, so groß wie Westeuropa - eine Herkulesaufgabe. 32 Millionen Stimmberechtigte hatten die Wahl zwischen elf Präsidentschafts-Bewerbern und fast 19.000 Kandidaten für die 500 Parlamentsmandate in über 63.000 Wahllokalen.

Dennoch, die Menschen lassen sich nicht entmutigen. Auch nicht in den Unruheprovinzen Nord- und Süd-Kivu. Die Gegend im Osten des Kongo um Goma gilt als Konflikt-Region. Während der Bürgerkrieg in den meisten Landesteilen 2002 beendet wurde, hält die Gewalt hier bis heute an. Etliche bewaffnete Gruppen kämpfen über die Kontrolle der Minen, in denen vor allem Diamanten, Gold, und Koltan gefördert werden.

Blickpunkt Kivu-Provinzen

Miserable Infrastruktur im Ostkongo, Nord-Kivu Kitshanga Foto: Dagmar Wittek 10/2011
Geschundene Region: die Kivu-Provinzen. Die Menschen haben große ErwartungenBild: Dagmar Wittek

Groß sei der Wählerandrang in Goma gewesen, berichteten Wahlbeobachter. "Ich habe gerade gewählt und es ist gut gelaufen", erzählt Christina Msaidisi fast ein wenig erleichtert. "Es dauerte nicht lang. Ein Mann überprüfte, ob ich tatsächlich auf der Liste stehe, und setzte einen Haken hinter meinem Namen. Ich finde es ist gut organisiert." Sie habe eine Analphabetin beobachtet, erzählt Christia Msaidisi, wie sie von zwei Personen in die Wahlkabine begleitet wurde. Einer von der Mehrheitspartei und einer von der Opposition.

Doch auch aus Goma berichteten unabhängige Wahlbeobachter von Unregelmäßigkeiten. Die Wahlurnen seien bei ihrem Eintreffen vor Öffnung des Wahllokals bereits mit Wahlzetteln gefüllt gewesen. Darauf angesprochen hätten die Wahlhelfer erklärt, sie hätten ihre Stimmen bereits abgegeben. Allerdings berichteten die Wahlbeobachter, dass mehr Stimmzettel in der Urne gewesen seien, als Wahlhelfer anwesend.

Den Wahlen eine Chance geben

Chaotische Wahlvorbereitung, Gewalt, Übergriffe der Polizei, Manipulation? Ungeachtet all der Widrigkeiten gibt der Experte für Friedensförderung, Ekkehard Forberg, den Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo trotzdem eine Chance. "Natürlich kann man die Wahlen im Kongo nicht mit Wahlen in Deutschland oder Europa vergleichen", sagt Forberg. Unregelmäßigkeiten seien im Falle Kongos offensichtlich. "Aber solange das Wahlergebnis noch einigermaßen die Meinung der Bevölkerung widerspiegelt, wird das meist akzeptiert."

Autorin: Stefanie Duckstein
Redaktion: Katrin Ogunsade