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Wir beobachten euch!

Marc von Lüpke2. September 2013

Überwachung der anderen Art: Watchblogs beobachten Medien, Unternehmen oder auch Parteien. Und kritisieren sie bisweilen heftig. Die meisten Fehltritte finden die Blogger bei der BILD-Zeitung.

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Lupe vor Auge © Robert Kneschke #12783103
Bild: Fotolia

Mittlerweile wissen wir ja, dass wir alle irgendwie beobachtet werden. So bleiben auch die Mitarbeiter der größten deutschen Tageszeitung, der BILD, nicht verschont. Dahinter stecken aber nicht die Geheimdienste, sondern engagierte Blogger und Internetboebachter: Seit fast zehn Jahren nehmen die Macher des BILDblog die BILD (und andere Medien) gründlich unter die Lupe und kritisieren fehlerhafte oder unsauber recherchierte Inhalte. Meldungen der Bild, die die BILDblog-Mitarbeiter als fehlerhaft identifiziert haben, werden dort mit der Wahrheit konfrontiert – für jedermann im Netz sichtbar.

Das BILDblog ist ein prominentes Beispiel für eine bestimmte Art von Blogs im Internet: Es ist ein Watchblog. "Das Watchblog", erklärt der Soziologe Jan-Hinrik Schmidt, der am Hans-Bredow-Institut für Medienforschung an der Universität Hamburg forscht, "widmet sich einem speziellen Thema und beobachtet dieses kritisch". Das könne ein Unternehmen sein, eine Person, verschiedene Medien oder auch eine Partei.

Gratis-Exemplar der BILD-Zeitung zum 60. Jubiläum am 23./24. Juni 2012 Copyright Imago
Die BILD wird ganz genau durchgechecktBild: imago stock&people

"Wir schauen uns das mal genauer an"

Warum aber opfern Menschen ihre Zeit, um beispielsweise eine Zeitung zu beobachten, kritisch zu hinterfragen und die Ergebnisse im Internet publik zu machen? "Es gibt Menschen, die das Gefühl haben, dass in bestimmten Bereichen etwas schief läuft", meint Jan-Hinrik Schmidt. "Oder dass an manchen Stellen kritische Transparenz notwendig ist."

Im deutschsprachigen Netz gibt es viele aktive Watchblogs. "NSU Watch" zum Beispiel begleitet seit einigen Monaten den Prozess um die rechte Terrororganisation "Nationalsozialistischer Untergrund". Das "Schwarze Blog", so ein anderes Beispiel, deckt offene und versteckte Vorurteile gegen Menschen afrikanischer Herkunft auf.

Vor allem den Medien schauen viele Watchblog-Betreiber kritisch auf die Finger. Das Watchblog "topfvollgold" widmet sich den unzähligen Blättern der deutschen Regenbogenpresse, die Titel tragen wie "Adel aktuell", "Glückliche Freizeit" oder "Echo der Frau". Die Blogger haben gute Gründe dafür: "Immer wieder", heißt es auf deren Homepage, "stellen die Autoren dort übelste Behauptungen auf; sie basteln Skandale, sie verdrehen Tatsachen. Sie erfinden schlichtweg Geschichten." Sowas wolle man sich genauer anschauen.

Das Social Media Watchblog kümmert sich um Facebook, Google & Co, durchleuchtet deren Nutzungsbestimmungen und macht seine Leser auf Nutzerfallen aufmerksam.

ein Twitter-Logo. Niall Carson/PA Wire URN:17170392
Über Twitter werden Watchblog-Inhalte schnell verteiltBild: picture-alliance/empics

Das Internet macht es möglich

Schon immer haben sich Menschen kritisch und reflektierend mit ihrer Umwelt beschäftigt und ihre Meinung dazu kundgetan. Früher hat es länger gedauert, bis journalistische Fehler und Missstände an die Öffentlichkeit geraten konnten. Mit dem Internet geht das sehr viel einfacher. In Minutenschnelle können die Macher eines Watchblogs kritische Inhalte auf ihre Seite bringen und über die Sozialen Medien verbreiten - quasi grenzenlos.

"Witwenschütteln"

Ronnie Grob, der Mitarbeiter beim BILDblog ist und dort die Rubrik "6 vor 9" verantwortet, erklärt, warum gerade die BILD in den Fokus der Macher des BILDblogs geriet: "Vieles von dem, was die machen, ist überhaupt nicht in Ordnung. Und wir wollen das an die Öffentlichkeit bringen." Dabei ist die BILD bekannt dafür, dass sie aufgrund ihrer journalistischen Vorgehensweisen öfters kritisiert wird - bis hin zu Rügen des deutschen Presserates, einer Art freiwilliger Selbstkontrolle der Druck-Medien in Deutschland: Oftmals war der Vorwurf die Verletzung von Persönlichkeitsrechten.

"Auch andere Medien machen große, folgenschwere Fehler, über die es sich zu diskutieren lohnt", so Ronnie Grob. "Es gibt faktische Fehler, die unhinterfragt weitergetragen werden, aber auch andere Sachen, die mit journalistischen Standards nicht zu vereinbaren sind. Zum Beispiel der Umgang mit Amokläufen oder ein skrupelloses Vorgehen beim Befragen von Angehörigen eines Verstorbenen." Insider nennen so etwas zynisch "Witwenschütteln".

Die englische Königsfamilie am Hochzeitstag von Kate und William (Photo credit should read Hugo Burnand/AFP/Getty Images)
Königshäuser, Promis und Reichtum - da geht die Fantasie nicht selten mit Reportern durchBild: Getty Images

Schnelle Fehlerkorrektur

Was aber können Watchblogs tatsächlich bewirken? "Diese Blogs verändern einiges", glaubt BILDblogger Ronnie Grob. Im Vergleich zu Portalen wie Bild.de seien die Zugriffszahlen zwar viel kleiner. Gleichwohl könne eine einzelne Story, die auf dem BILDblog publiziert wird, eine große Wirkung entfalten: "Wenn Nutzer diesen Inhalt über die sozialen Netzwerke weiter publik machen."

Auch der Mediensoziologe Jan-Hinrik Schmidt glaubt, dass Watchblogs über einen gewissen Einfluss verfügen: "Das BILDblog wird von den journalistischen Medien, über die dort berichtet wird, wahrgenommen. Das sieht man daran, dass bestimmte Fehler oder Ungenauigkeiten, die BILDblog offenlegt, schnell korrigiert werden."

Über mangelnde Arbeit wird man sich bei BILDblog jedenfalls nicht beschweren können. Berichte über Fehler und journalistische Unsauberkeiten füllen nach wie vor die Seiten des Blogs – und damit vermutlich auch der BILD.