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Die schreckliche Episode

Peter Philipp21. August 2007

Vor 25 Jahren zog die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) aus Westbeirut ab. Der Druck der israelischen Belagerer war zu gewaltig geworden. Nahost-Kenner Peter Philipp blickt zurück auf den August 1982.

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Arafat vor Bomben-Ruine (AP Photo/Mourad Raouf)
August 1982: Arafat in den Trümmern von WestbeirutBild: AP

Vom Dach der Beiruter Elektrizitätsgesellschaft hat man einen guten Blick auf den Hafen der libanesischen Hauptstadt. Das ist in diesen Tagen Ende August 1982 sehr wichtig: Israelische Militärs und Journalisten haben dort Stellung bezogen und dann kommt auch noch Verteidigungsminister Ariel Scharon: Sie alle wollen beobachten, was sich unten im Hafen abspielt. Abgesichert von französischen Soldaten, die am 21. August in Beirut gelandet sind, fahren Lastwagenkonvois vor, Männer in Khaki-Uniformen springen ab und begeben sich an Bord des ersten von mehreren Fährschiffen der zypriotischen "Solomonides-Linie". Die anderen warten noch außerhalb des Hafens. Sie sollen helfen, ein Kapitel zu beenden, das zu den schlimmsten der Beiruter Geschichte gehört.

Scharon mit Militär-Helm in Panzer (AP Photo/Israeli Defense Ministry)
Der damalige Verteidigungsminister Ariel Scharon fährt in einem Panzer durch BeirutBild: AP

Stellungskrieg vor Beirut

Seit Wochen haben israelische Truppen den Westteil Beiruts belagert und beschossen, wo sich die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO unter der Führung von Yasser Arafat verschanzt hat. Es ist die letzte Zuflucht der palästinensischen Kämpfer, nachdem sie von Israel zuvor aus dem Südlibanon vertrieben wurden. Scharon hat sich in den Kopf gesetzt, die PLO im Libanon ein für allemal auszuschalten, die dieses Nachbarland zu Überfällen auf Israel benützt. Der israelische Vormarsch hat am 6. Juni begonnen, wenig später stehen die Truppen in Beirut und umzingeln den muslimischen Westen der Stadt. Es entwickelt sich ein wochenlanger Stellungskrieg, der vor allem die Beiruter Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft zieht. Schon bald kommt die Idee auf, dass die Lösung nur im Abzug der PLO liegen könne.

Philip Habib, ein Nahost-erfahrener US-Unterhändler, handelt die Modalitäten dieses Abzugs aus: Eine "multinationale Truppe" (MNF) aus Frankreich, Italien, Großbritannien und den USA soll die Absicherung vornehmen und dann Westbeirut kontrollieren. Die ersten treffen am 21. August ein, am 30. kann die Evakuierung der PLO stattfinden. Und obwohl Ariel Scharon Jahre später in einem Interview bedauert, Yasser Arafat damals in Beirut nicht umgebracht zu haben, fühlt der israelische Verteidigungsminister sich am Ziel. "Israel ist in diesem Krieg nicht geschlagen worden", sagt er. "Die PLO-Terroristenorganisationen wurden völlig geschlagen: Sie existieren nicht mehr als PLO-Terroristenorganisation".

Libanon kommt nicht zur Ruhe

Die Kämpfer Yasser Arafats ziehen von Beirut nach Tunis, in den Südjemen, nach Ägypten und in andere Teile der arabischen Welt. Ein Teil von ihnen, darunter auch PLO-Chef Arafat, taucht wenig später im Nordlibanon wieder auf, denn sie wollen den Kampf gegen Israel wieder aufnehmen. So, wie Arafat es beim Verlassen Beiruts angekündigt hatte.

Arafat und die PLO sind noch weit von diesem Ziel entfernt. Aber auch der Libanon soll nicht zur Ruhe kommen. Die Einheiten der multinationalen Truppe werden nach der Evakuierung der PLO in der Hoffnung abgezogen, nun sei der Weg zu einer Normalisierung offen.

Massaker von Sabra und Shatila

Israel besetzt jedoch auch den Westen Beiruts, nur Tage später wird der zum Präsidenten gewählte Beshir Gemayel ermordet und wieder zwei Tage später beginnt das Massaker von Sabra und Shatila: Nach dem Abzug der PLO sind die palästinensischen Flüchtlingslager ohne bewaffneten Schutz und christliche Milizen ermorden in den beiden Lagern Frauen, Kinder und alte Leute. Die Zahl der Opfer ist unklar, die Angaben schwanken zwischen einigen Hundert und 3500. Auf jeden Fall löst das Massaker weltweite Abscheu aus, in Israel kommt es zu einer offiziellen Untersuchung, die Scharon die Fähigkeit abspricht, öffentliche Ämter zu bekleiden. Washington erneuert zusammen mit Italien und Frankreich die multinationale Truppe für den Libanon. Bis diese dann nach einer Reihe schwerer Anschläge den Libanon im Februar 1984 verlassen. Der Abzug der PLO 1982 war eine Episode, eine Lösung der Probleme brachte er weder den Palästinensern, noch Israel, nicht dem Libanon und auch nicht der Bevölkerung von Beirut.