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Von Arbeit und Korruption

Karl Zawadzky23. Januar 2006

Aktive Politiker sind gleichzeitig Lobbyisten, politische PR-Agenturen vermitteln Kontakte und in Berlin machen sich die großen Unternehmen breit.

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Bundespresse-StrandBild: walks&talks

Der Bundespresse-Strand unweit des Bundestages ist im Sommer in Berlin ein beliebter Treff von Politikern und Journalisten. Zwischen Bar und Strandkorb werden Kontakte gepflegt und Informationen gestreut. Zur Eröffnung fand sich an der Spreemauer ein Plakat, halb schon im Wasser versunken, mit der Aufschrift: "Uns steht das Wasser bis zum Hals".

Die originelle Idee stammte von der "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft", eine höchst erfolgreiche Lobby des Arbeitgeberlagers. Ziel der Lobby ist es, Einfluss auf die Stimmung und die Diskussion im Land zu nehmen. Vor und hinter den Kulissen.

Diskret und effektiv: Interessenvertretungen

Über 1800 solcher Interessenvertretungen sind in Berlin beim Bundestag registriert. Die Registrierung ist Voraussetzung dafür, zu Anhörungen von Parlamentsausschüssen eingeladen zu werden. Doch diese so genannten "Hearings" sind nur der öffentliche Teil des Geschäfts.

Effektiver ist das, was diskret geschieht. Besonders auf der gehobenen Beamtenebene in den Ministerien. Diskret werden bei der Formulierung von Gesetzen und Verordnungen Sachverstand und Hilfe angeboten. Nicht nur im Ministerium - dann und wann auch in Berliner Nobelrestaurants oder bei so genannten parlamentarischen Abenden.

Fassade des neuen Bertelsmann Gebäudes in Berlin Unter den Linden
Fassade des neuen Bertelsmann-Gebäudes in BerlinBild: presse

Allerdings hat die Durchschlagskraft der Großen, wie etwa des Bundesverbandes der deutschen Industrie oder der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände, nachgelassen. Dagegen haben nun die großen Unternehmen eigene Repräsentanzen eröffnet: Bertelsmann etwa hat die feinste Adresse, nämlich Unter den Linden Nr. 1. Am Prachtboulevard sind die Großbanken, VW, BMW, Opel und Tui ebenso vertreten wie der Stromriese E-on.

Ex-Minister, Ex-Staatssekretäre oder Parteimanager haben die Seite gewechselt. Der ehemalige Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Hansgeorg Hauser beispielsweise vertritt die Commerzbank. Der ehemalige Staatsminister im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer, ist als Türöffner für Geschäfte deutscher Firmen im Ausland tätig. Rudolf Scharping, der als Verteidigungsminister über eine Kleiderspende eines Lobbyisten stolperte, steht nun selbst als Ratgeber zur Verfügung.

Vermischung von Wirtschaft und Politik

Dies alles ist öffentlich und daher wenig problematisch. Doch das sieht anders aus, wenn aktive Politiker gleichzeitig Lobbyisten sind. So gehörte der bayerische DGB-Vorsitzende bis zur Bundestagswahl 2005 der SPD-Bundestagsfraktion an. Der Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände dagegen der CDU/CSU-Fraktion. So mancher fragte sich, in welcher Funktion sie gerade tätig waren, wenn sie im Bundestag sprachen oder in Ausschüssen über Vorlagen von Ministerien berieten. Rund die Hälfte der Abgeordneten hat Nebenbeschäftigungen beim Bundestagspräsidenten angezeigt.

CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer erklärt Rücktritt
Ex-CDU-Generalsekretär Laurenz MeyerBild: AP

Schwierig wird Lobbyismus immer dann, wenn Firmeninteressen im Spiel sind - und das nicht öffentlich ist. Wenn es dann bekannt wird, kommt dies den Lobbyisten meist ungelegen: CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer hat wegen solcher Nebeneinkünfte seinen Job ebenso verloren wie der Vorsitzende der CDU-Sozialausschüsse Hermann-Josef Arentz.

Relativ neu sind politische PR-Agenturen, die gegen horrende Honorare Kontakte vermitteln oder in der öffentlichen Debatte Themen setzen. Neu sind auch die großen, teilweise internationalen Anwaltskanzleien, die neben dem juristischen auch politischen Rat erteilen. Die Bundestagsabgeordneten Matthias Wissmann und Friedrich Merz sind für solche Kanzleien tätig. Ganz offiziell beim Bundestagspräsidenten angemeldet.

Das macht den Unterschied, weswegen Merz seinen Parteifreund Arentz, als dessen Verbindung zu einem Energiekonzern aufflog, mit der Bemerkung zur Rede stellte: "Was ich mache, ist Arbeit. Was Du machst, ist Korruption."