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Vom Frühling und den Männergefühlen

Klaus Deuse21. März 2004

Im Frühling sprießen auch die gleichnamigen Gefühle. Was Sonnenschein und steigende Temperaturen bei Männern anrichten, interessiert auch die Wissenschaft. Ein Gespräch mit einem Experten: einem Biopsychologen.

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Männer werden im Frühling nicht unbedingt müdeBild: AP

Wenn der Frühling wieder sein blaues Band flattern lässt, zwitschern nicht nur die Vögel, dann erwachen auch im Menschen neue Lebensgeister. Diese viel zitierten Frühlingsgefühle lassen sich aber keinesfalls nur im klopfenden Herzen oder im Lendenbereich lokalisieren.

Letztlich, so erklärt der international renommierte Biopsychologe Onur Güntürkün von der Ruhr-Universität Bochum, beginnt alles im Auge. Die Zellen in der Netzhaut, die die Helligkeit wahrzunehmen, regeln den Tag-Nacht-Rhythmus - den Rhythmus, der unser Leben bestimmt. "Die Länge der Tage, die über einen solchen visuellen Eingang registriert werden, spielt eine Rolle bei der Einrichtung saisonaler Zyklen", sagt Professor Güntünkür.

Männer hilflos ausgeliefert

Vor allem Männer sind diesem jahreszeitlichen Phänomen förmlich hilflos ausgeliefert. Wissenschaftlich nüchtern formuliert, klingt das allerdings weitaus weniger gefährlich.

"Die im Frühjahr längeren Tageszeiten finden bei Männern bei der Einrichtung des Testosteronspiegels Verwendung."

Nun könnte der eine oder andere Vertreter der Spezies Mann auf die Idee kommen, um Frühlingsgefühle zu stimulieren, genüge es, sich mit einer leistungsstarken Lampe ins Gesicht zu leuchten. Doch selbst mit einer 100-Watt-Birne in der Schlafzimmerleuchte könne den Lenden kein Lenz vorgegaukelt werden, so Güntürkün. Bei Tierversuchen habe man aber festgestellt, "dass das Hormonsystem und viele andere Prozesse des Gehirns sich auf den Frühling oder den Herbst einstellen".

"Wie bei anderen Primaten"

Sausen die durch Lichtreize auf Trab gebrachten Hormone erst einmal durch den Körper, dann geht es - laienhaft formuliert - quasi Schlag auf Schlag. Und wieder fängt alles im Auge an. Schließlich greifen Frauen bei steigenden Temperaturen zu luftiger, körperbetonender Kleidung. Als Folge davon läuten im Miteinander der Geschlechter bei Männern visuell neuerlich die Glocken. Professor Güntürkün zum erforschten Stand der Dinge. "Ein Faktor kann natürlich sein, dass mit dem Frühling die Wärme einkehrt, dass auch die Leute sich anders bekleiden und dass dadurch optische Stimulationen einsetzen." Und der Mann ist nicht allein. "Auf der Grundlage von vergleichenden Untersuchungen mit anderen Primaten kann man das vermuten."

Die von den Frühlingsfaktoren Licht und Wärme ausgelösten Reaktionen reichen vom Blickkontakt bis zum Herzrasen. Für den Wissenschaftler handelt es sich dabei schlicht um eine Frage der Temperaturregulierung. Im Winter müssen wir einfach mehr Energie investieren, um unsere Körpertemperatur konstant zu halten. Im Frühling ist natürlich die Differenz zwischen den Außentemperaturen und der von uns gewünschten Innentemperatur viel niedriger. Das heißt: Eigentlich haben wir mehr Energie zur Verfügung - da darf wieder vermehrt an die Fortpflanzung gedacht werden.

Fettreserven contra Frühjahrsputz

Für den Biopsychologen handelt es sich dabei letztlich um die Ableitung überschüssiger Energien. Und insofern sollten Frauen im Frühling, was Männer betrifft, merkt Onur Güntürkün nüchtern an, keine all zu hochfliegenden Erwartungen hegen, was Aktivitäten wie etwa den ebenso den berüchtigten Frühlingsputz angeht: "Ich bezweifle, dass das alle in größere Aktivitäten umsetzen. Vielleicht werden das die meisten einfach in höhere Fettreserven investieren" - was dann tödlich für die Frühlingsgefühle, den Frühjahrsputz und die anvisierte Bikini-Figur ist.