Volksentscheid oder Verfassungsklage
"Volksentscheid! Sonst klagen wir". Unter diesem Motto hat sich ein Bündnis von Nichtregierungsorganisationen und Juristen zusammengefunden, das gegen den Eurorettungsschirm ESM und den europäischen Fiskalpakt vorgehen will. "Wir fordern ein Referendum in allen europäischen Staaten", sagte Roman Huber (in Foto links), Vorstand des Vereins "Mehr Demokratie" bei der Vorstellung der Initiative in Berlin.
"Wenn Parlamente nicht mehr gestalten, ist die repräsentative Demokratie in Gefahr und das wollen wir ändern", sagte er. Da aber die Parlamente selbst offensichtlich nicht mehr in der Lage seien, sich diesem Sog zu entziehen, müssten die Bürger "mit auf die Bühne." Sollte es nicht zu Volksentscheiden kommen, werde man vor dem Bundesverfassungsgericht klagen.
Klage gegen ESM und Fiskalpakt
Der Europäische Rettungsschirm führe zu einer Vergemeinschaftung von Staatschulden und greife auf unzulässige Weise in die Rechte des Bundestages ein, erklärte der Leipziger Staatsrechtler Christoph Degenhart (re.), der eine Verfassungsklage unterstützt. Der Fiskalpakt, der eine Schuldenbremse verbindlich vorschreibt, hebele zudem das Haushaltsrecht der Parlamente aus. Dies betreffe nicht nur den Bundestag, sondern auch die Landtage.
Darüber hinaus sei er zeitlich nicht befristet und nicht kündbar und dies sei mit den Grundsätzen demokratischer Selbstgestaltung des Parlaments nicht vereinbar. Beides zusammen, ESM und Fiskalpakt, führe letztendlich zu einem europäischen Bundesstaat, der einer stärkeren demokratischen Legitimation bedürfe. Damit sei der Rubikon überschritten, sagte Degenhart. Auch das Europäische Parlament habe keine Mitwirkungsmöglichkeiten. "Das heißt also, es wird auch das zarte Pflänzchen europäische Demokratie zertreten."
Für ein demokratisches Europa
Der Staatsrechtler Degenhart ist zusammen mit der SPD-Politikerin Herta Däubler-Gmelin (großes Foto Mitte) Beschwerdeführer in Karlsruhe. Die Juristin und ehemalige Justizministerin unterstrich, dass sich die geplante Verfassungsbeschwerde nicht gegen Europa und nicht gegen den Euro richte. "Wir sind für ein demokratisches Europa", sagte sie. Däubler-Gmelin beklagte, dass die Mitwirkungsrechte der nationalen Parlamente zunehmend verloren gingen und auch nicht auf das Europäische Parlament übertragen würden. Sie finde es auch unmöglich, dass der Deutsche Bundestag bereits Ende März in erster Lesung über die Verträge beraten habe, obwohl die endgültige Fassung noch gar nicht vorliege.
Ausweichend antwortete Däubler-Gmelin auf die Frage, warum die SPD-Fraktion dem Rettungsschirm und dem Fiskalpakt im Bundestag zustimme. Diese Frage solle man an SPD-Fraktionschef Frank Walter Steinmeier richten, sagte sie. Es könne jedoch kein Zweifel darüber bestehen, dass die SPD für ein demokratisches Europa eintrete.