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PolitikEuropa

Vizechef der "Morgenröte" sucht das Weite

23. Oktober 2020

Viele Führungsleute der griechischen Neonazi-Partei müssen ins Gefängnis - weil sie einer kriminellen Organisation vorstehen. Im Gegensatz zu seinen Gesinnungsgenossen will sich Christos Pappas der Bestrafung entziehen.

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Griechenland Athen Parlament Abgeordnete Streit
Christos Pappas in Aktion: Bei einer Debatte im Mai 2016 wird er nach beleidigenden Äußerungen von einem Saaldiener aus dem griechischen Parlament gebrachtBild: picture-alliance/dpa/P. Saitas

Nach dem Urteil in Griechenland gegen die Führungsspitze der griechischen Neonazi-Partei "Goldene Morgenröte" hat sich deren Vizechef seiner Festnahme entzogen. Christos Pappas werde sich den Behörden nicht stellen, teilte sein Anwalt mit. Beamte durchsuchten daraufhin mehrere Wohnungen, konnten ihn jedoch nicht ausfindig machen, wie der Fernsehsender TV ERT berichtete. Der 58-Jährige muss wegen Führung einer kriminellen Organisation für 13 Jahre in Gefängnis.

Auch der frühere Parlamentsabgeordnete Ioannis Lagos ist noch nicht in Haft. Er sitzt derzeit im Europaparlament und genießt daher Immunität. Diese will Griechenland aber aufheben lassen.   

Rund 50 Parteimitglieder verurteilt

Der Chef der "Goldenen Morgenröte", Nikos Michaloliakos, und etliche weitere Verurteilte hatten sich dagegen am Donnerstag der Polizei gestellt, um ihre Haftstrafen anzutreten. Auch Michaloliakos erhielt eine 13-jährige Haftstrafe. Insgesamt rund 50 Parteimitglieder waren in der vergangenen Woche nach einem fünfeinhalbjährigen Mammutprozess zu Gefängnisstrafen verurteilt. Sechs ehemalige Führungsmitglieder und Abgeordnete der Partei erhielten Haftstrafen zwischen zehn und 13 Jahren.

Die Ermordung des Sängers Pavlos Fyssas 2013 war Auslöser des Verfahrens gehen die Führung der rechtsextremen Partei (Foto: picture alliance/AP Photo)
Die Ermordung des Sängers Pavlos Fyssas 2013 war Auslöser des Verfahrens gehen die Führung der rechtsextremen Partei Bild: picture alliance/AP Photo

Der Prozess galt als einer der wichtigsten in der politischen Geschichte Griechenlands. Die Verurteilung der Parteispitze wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung wird als wegweisend gesehen. Auslöser des Verfahrens war der Tod des linksgerichteten Rappers Pavlos Fyssas, der 2013 von einem Anhänger der "Goldenen Morgenröte" erstochen worden war. Der Täter gestand und sitzt eine lebenslange Haftstrafe ab. Auf die Tat folgten Hausdurchsuchungen und Ermittlungen gegen die Parteispitze sowie zahlreiche Funktionäre wegen weiterer Vergehen, darunter Waffenbesitz und Bildung einer kriminellen Vereinigung.

Anschläge auf Ägypter und Kommunisten

Michaloliakos hatte von dem Prozess stets als politische Verschwörung gesprochen und betont, er sei kein Nazi, sondern Nationalist. Vor und nach seiner Festnahme 2013 hatte er jedoch vor laufenden Kameras immer wieder auf griechisch "Sieg Heil" gerufen. Die Flagge der Partei, das antike Symbol des Mäanders, erinnert an die Hakenkreuzfahnen im Dritten Reich.

Parteichef Nikos Michaloliakos wird in Polizeibegleitung ins Gefängnis gebracht (Foto: Sotiris Dimitropoulos/AFP/Getty Images)
Parteichef Nikos Michaloliakos wird in Polizeibegleitung ins Gefängnis gebrachtBild: Sotiris Dimitropoulos/AFP/Getty Images

Die "Goldene Morgenröte", die enge Kontakte zur Neonazi-Szene unterhält, ist wegen ihrer Angriffe auf Migranten und politische Gegner seit langem berüchtigt. Zu den Hauptverbrechen der Partei zählen nach Erkenntnissen der Justizbehörden neben der Ermordung von Fyssas Anschläge auf ägyptische Fischer und kommunistische Gewerkschafter in den Jahren 2012 und 2013. Die Partei war jahrelang im griechischen Parlament vertreten. Während der schweren Finanzkrise des Landes war sie sogar drittstärkste Kraft. Bei der Wahl 2019 scheiterte sie aber an der Drei-Prozent-Klausel.

sti/mak (afp, ap, dpa)