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"Viele Antragsteller scheuen den Prozess"

18. Juni 2011

Wer an die üppigen Fördertöpfe der Europäischen Union herankommen will, muss zuerst viele bürokratische Hürden überwinden. Wie man trotzdem an die lukrativen Gelder kommt, erklärt Heike Kraack-Tichy in unserem Interview.

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Heike Kraack-Tichy. (Foto: DW)
Heike Kraack-Tichy kümmert sich um erfolgreiches EU-FundraisingBild: DW

DW-WORLD: Frau Kraack-Tichy, wie muss man sich Ihre Arbeit vorstellen?

Wir sind ein Team von 12 bis 15 Europäern, die sich für die Akquisition von europäischen Fördergeldern einsetzt. Wir haben unser Büro in Berlin und haben weitere Sitze in München und in Düsseldorf. Zu uns kommen Organisationen, die Unterstützung brauchen bei der Beantragung von europäischen Fördergeldern. Wir bieten dann Kurse, Workshops und Seminare an, aber auch eine berufsbegleitende, sechsmonatige Weiterbildung. Unser Ziel ist, Organisationen zu befähigen, diese europäischen Gelder selbstständig zu beantragen. Es kommen auch Organisationen, die das nicht lernen möchten, die das also als Dienstleistung von uns in Anspruch nehmen möchten. Das machen wir auch. Dann schreiben wir gemeinsam mit den Organisationen den Antrag.

Welche Organisationen wenden sich an Sie?

Das sind Organisationen im Non-Profit-Bereich, Vereine, Verbände. Sie kommen aus dem sozialen Bereich, aus dem Umweltbereich, aus dem Bereich Jugend, aus dem Bereich politische Bildung, Erwachsenenbildung, berufliche Bildung und allgemeine Bildung.

Sind es nur deutsche Organisationen oder auch solche aus dem europäischen Ausland, die sich an Sie wenden?

Es sind indirekt auch Organisationen aus dem europäischen Ausland. Denn wenn man europäische Projekte durchführen möchte, muss man das in einem europäischen Konsortium machen, das heißt, man muss sich zusammenschließen mit weiteren Organisationen in Europa. Bei europäischen Projekten geht es darum, dass man den Herausforderungen in Europa, zum Beispiel im Bereich politische Bildung, gemeinsam begegnet. Dass man Lösungen gemeinsam findet und Projekte gemeinsam konzipiert und sie dann auch gemeinsam durchführt.

Können Sie ein Beispiel eines größeren Konsortiums nennen, das Sie beraten haben?

Eigentlich kann ich kein Konsortium nennen, das besonders hervorsticht. Wir beraten ja die ganze Bandbreite von Organisationen. Manchmal sind es kleine Organisationen, die zum Teil fast nur ehrenamtlich arbeiten. Manchmal sind es aber auch große Organisationen, die im zwei- und dreistelligen Bereich feste Mitarbeiter haben. Aber nehmen wir die politische Bildung im Umweltbereich: Wir haben ein Projekt begleitet, in dem sich verschiedene Umweltorganisationen aus Deutschland, aus Frankreich, aus Polen und Rumänien zusammengeschlossen haben. Sie beschäftigten sich mit dem Thema Papierverbrauch und dem Vergleich, wie viel Papier in welchem Land verbraucht wird. Es geht dann darum, voneinander zu lernen. Diese Organisationen haben dann eine Photoausstellung gemacht, die durch die betreffenden Länder gereist ist.

Warum braucht man eine Agentur wie die Ihre, um Fördergelder der EU zu erlangen?

Weil das Verfahren recht komplex ist. Viele Antragsteller scheitern aufgrund formaler Mängel, was sehr schade ist. Denn es wird viel Zeit investiert, Arbeitszeit und Geld werden damit sinnlos verbraucht, wenn der Antrag dann abgelehnt wird. Und wer nicht an den formalen Hürden scheitert, scheitert häufig an den inhaltlichen. Deshalb scheuen viele Antragsteller überhaupt diesen Prozess anzugehen. Und da ist es gut, wenn es einen Übersetzer gibt, der die Organisationen, an die Idee der Europäischen Union, an die europäische Integration und die europäische Politik heranführt.

Ihre Hilfe in Anspruch zu nehmen ist aber sicher nicht so billig, wenn es eine so anspruchsvolle Arbeit ist?

Das stimmt. Unsere Dienstleitung wird in Deutschland teilweise gefördert, in anderen Ländern gibt es andere Förderprogramme. In Deutschland wird nicht unsere Dienstleistung gefördert, wenn wir einen Antrag stellen, aber unsere Dienstleistung, wenn wir Weiterbildungen oder Fortbildungen anbieten.

In Deutschland entwickelt sich Fundraising seit etwa 20 Jahren langsam zu einer ernstzunehmenden Einnahmequelle. Da gibt es aber ein paar brisante Fragen: Landet das Geld dort, wo es hin soll, wie viel Verwaltungskosten fallen an? Wie gehen Sie mit dieser Kritik um?

Was für die Fundraiser gilt, dass sie nicht überall besonders beliebt sind, das gilt für die EU-Fundraiser auch. Das ist oft gar kein Verständnis dafür da, dass man sich helfen lassen muss, dass es Unterstützung für die Akquisition europäischer Gelder und öffentlicher Gelder gibt. Bei den Geldern, die direkt aus Brüssel kommen für die Aktionsprogramme, wie zum Beispiel für das Jugend-Förderprogramm "Jugend in Aktion", oder für "Grundtvig", dem Förderprogramm für Erwachsenen-Bildung, oder für das Förderprogramm "Europa für Bürger und Bürgerinnen", bei dem zivilgesellschaftliches Engagement gefördert wird, gilt folgendes: Man reicht Budgetpläne für ein Projekt ein und muss nachher in einem Verwendungsnachweis darlegen, dass das Geld der EU wirklich in das Projekt geflossen ist.

Reicht das an Kontrolle?

Zugegeben, Europa ist groß und Menschen sind kreativ. Es passieren trotzdem viele Veruntreuungen von Geldern. Aus unserer Erfahrung kann ich sagen, die Kontrollen sind da. Man bemüht sich zu schauen, wo wird Geld nicht rechtmäßig eingesetzt? Wir erleben es häufig, dass Projektträger kontrolliert werden, dass der Europäische Rechnungshof oder die EU-Kommission kommt. Man muss sich auch darauf gefasst machen, dass man geprüft wird.

Heike Kraack-Tichy ist Geschäftsführerin von emcra, einem der führenden Weiterbildungs- und Beratungsunternehmen im Bereich EU-Fördermittel. Sie bietet in ihrem Unternehmen die Weiterbildung zum EU-Fundraiser an und hilft Organisationen, EU-Fördergelder zu beantragen.

Die Fragen stellte Daphne Grathwohl
Redaktion: Arne Lichtenberg