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Politik

Viel Polizei gegen neue Proteste in China

29. November 2022

Konfrontiert mit der größten Protestwelle seit Jahrzehnten lässt Peking die Muskeln spielen: Mit einem Großaufgebot an Sicherheitskräften soll der Widerstand gegen die harten Null-COVID-Maßnahmen gebrochen werden.

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China | Corona Proteste | Polizeipräsenz in Shanghai
Wie hier in Shanghai ist die Polizei präsent, um Proteste zu verhindernBild: Hector Retamal/AFP/Getty Images

Polizei in China geht gegen Demonstranten vor

Massive Polizeipräsenz hat in mehreren chinesischen Städten ein mögliches Wiederaufflammen der Proteste gegen die harte Null-COVID-Politik der Regierung verhindert. In der Hauptstadt Peking und in Metropolen wie Shanghai, Guangzhou und Hangzhou waren seit Montag verstärkt Sicherheitskräfte auf den Straßen zu sehen. Vielfach wurden Passanten angehalten, mussten sich ausweisen und ihre Handys zeigen, die auf verdächtige Inhalte oder Programme wie Tunneldienste (VPN) zur Umgehung der chinesischen Zensur untersucht wurden.

"Null-COVID": Anhaltende Proteste in China

In Peking wurde unter anderem die Uferpromenade des Liangma-Flusses in der Nähe des Diplomatenviertels besonders gesichert, nachdem dort am Sonntag hunderte Menschen demonstriert hatten. Auch im Universitätsviertel Haidian waren überall Polizisten auf den Straßen zu sehen. In Shanghai wurde ein Großaufgebot von Sicherheitskräften um den Volksplatz mobilisiert. Ähnlich sah es an der Wulumuqi-Straße aus, wo Sperren errichtet wurden, um Menschenansammlungen wie am Wochenende zu verhindern.

Mehrere Polizeiwagen
Shanghai: Polizeifahrzuge nahe der Wulumuqi-Straße, wo sich viele Demonstranten am Wochenende versammelt hattenBild: Hector Retamal/AFP/Getty Images

Benannt ist die Straße nach der Hauptstadt der Region Xinjiang, Ürümqi (Chinesisch: Wulumuqi). Dort hatten sich am Wochenende viele Menschen versammelt, um der zehn Toten eines Wohnungsbrandes am Donnerstag in Ürümqi zu gedenken. Das Feuer war Auslöser der Proteste in vielen Städten, da die Menschen den Verdacht haben, dass Null-COVID-Maßnahmen die Rettung der Menschen behinderten.

Kleine Demos auch in Hongkong

In der chinesischen Sonderverwaltungsregion Hongkong versammelten sich am Montagabend an der Chinesischen Universität etwa 50 Studenten, zündeten Kerzen an und hielten ähnlich wie die Demonstranten in anderen Städten unbeschriebene weiße Blätter hoch, um der Opfer zu gedenken. Die weißen Blätter sind zum Symbol des Widerstandes und des Protests gegen die chinesische Zensur geworden. 

Frau legt Kerze nieder, am Boden Kerzen, die 1124 darstellen, und Fotos
Hongkong: Mit Kerzen bekunden vor allem Studierende ihre Solidarität mit den Demonstranten in anderen Städten ChinasBild: Peter Parks/AFP/Getty Images

Auch hier riefen die Menschen "Hebt den Lockdown auf" und "Wir wollen keine PCR-Tests, wir wollen Freiheit". Sie verbargen allerdings ihre Gesichter, um offizielle Repressalien zu vermeiden. Diese Versammlung und eine weitere in Hongkong waren die größten Protestveranstaltungen dort seit der Unterdrückung der Pro-Demokratie-Bewegung vor mehr als einem Jahr. 

Demonstranten halten weiße Blätter vor ihre Gesichter
Hongkong: Auch in der "Sonderverwaltungszone" sind die unbeschriebenen Blätter Protestsymbol Nummer einsBild: Anthony Kwan/Getty Images

Aus Protest gegen die rigorosen Null-COVID-Maßnahmen wie Ausgangssperren, Zwangsquarantäne, Massentests und ständige Kontrolle über Corona-Apps waren am Wochenende in mehreren Städten Tausende von Menschen auf die Straßen gegangen. Es waren die größten Proteste in China seit der Demokratiebewegung, die das Militär 1989 blutig niedergeschlagen hatte. Der Unmut im Volk hatte sich verstärkt, während die bislang größte Corona-Welle seit Beginn der Pandemie vor knapp drei Jahren über die Volksrepublik rollt. Ein Fünftel der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt - also Hunderte Millionen Menschen - dürften landesweit von Lockdowns betroffen sein, schätzen ausländische Experten.

Protest aus London

Nach der vorübergehenden Festnahme eines BBC-Reporters in Shanghai hat Großbritannien den chinesischen Botschafter einbestellt. Der mittlerweile wieder freigelassene BBC-Journalist war nach Angaben des Senders im Gewahrsam geschlagen und getreten worden. Das chinesische Außenministerium erklärte, dass sich der BBC-Reporter nicht als Journalist identifiziert und seinen Presseausweis nicht freiwillig vorgelegt habe. Die internationalen Medien müssten in China die chinesischen Gesetze und Regeln befolgen, sagte ein Sprecher.

Leichter Rückgang der Neuinfektionen

Nach einem stetigen Anstieg der landesweiten Infektionszahlen meldete die Gesundheitskommission in Peking an diesem Dienstag erstmals wieder einen leichten Rückgang der täglichen Neuinfektionen auf rund 38.400 Fälle. Am Montag war ein Höchststand von mehr als 40.000 zusätzlichen Ansteckungen gemeldet worden. In Peking nahm die Zahl der neuen Infektionen allerdings weiter zu und stieg auf mehr als 4300. Während Supermärkte und Markthallen zur Versorgung mit Lebensmitteln noch geöffnet haben, sind in Chinas Hauptstadt die meisten Restaurants, Schulen, Geschäfte und Büros geschlossen.

Angesichts der hohen Infektionszahlen und wohl auch der Proteste kündigte Chinas Nationale Gesundheitskommission (NHC) an, die Impfung älterer Menschen gegen das Coronavirus voranzutreiben. In der Volksrepublik sind nur 65,8 Prozent der über 80-Jährigen vollständig geimpft. Außerdem sind noch keine mRNA-Impfstoffe zugelassen. Die niedrige Impfrate wird häufig als Grund für die strenge Null-COVID-Politik in dem Land angeführt, bei der bereits geringe Infektionszahlen zu Ausgangssperren und Massentests führen.

sti/fab (afp, dpa, ap)