Viel Feind, viel Ehr - 70 Jahre "Der Spiegel"
Lässig, lästig, liberal - "Der Spiegel" hat die Bundesrepublik Deutschland von Beginn an begleitet. Wachsam und kritisch hat das Magazin die Regierungen beobachtet. Meist nicht zu deren Freude.
Der Macher
Der Journalist Rudolf Augstein leitet das 1947 gegründete Magazin über Jahrzehnte. Beruflich kennt Augstein weder Freund noch Feind. Alles aufzudecken, was es verdiente aufgedeckt zu werden, das ist sein journalistisches Selbstverständnis. So wird er zum politischen Sittenwächter der Nation.
Stets angriffsbereit
1962 veröffentlicht das Magazin eine Geschichte mit dem Titel "Bedingt abwehrbereit". Darin kritisiert es die Verteidigungspolitik der BRD. Der damalige Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß setzt das Blatt daraufhin massiv unter Druck. "Der Spiegel" wehrt sich - am Ende muss Strauß zurücktreten.
Unter Druck
Während der Affäre selbst steht das Magazin über Wochen unter Hochspannung. Mehrere Mitarbeiter, auch Augstein selbst, werden verhaftet und des "Landesverrats" angeklagt. Erst nach Wochen gibt die Staatsanwaltschaft die von ihr gesperrten Redaktionsräume wieder frei. "Der Spiegel" aber hat gezeigt, wie wichtig freie Medien sind.
Deutscher Herbst
Eine ihrer schwersten Krisen erlebt die Bundesrepublik 1977. Mitglieder der linksextremistischen "Rote Armee Fraktion" (RAF) entführen den damaligen Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer. Nach einigen Wochen ermorden sie ihn. "Der Spiegel" bezeichnet die Terroristen als das, was sie waren: Killer.
Die Aura der Macht
Politisch steht Augstein der FDP nahe, für die er 1972 sogar kurzzeitig als Abgeordneter in den Bundestag einzieht. Darüber hinaus pflegt er ein enges Verhältnis zum SPD-Politiker und späteren Bundeskanzler Willy Brandt (re.). Die beiden kennen sich seit 1948. In regelmäßigem Briefverkehr tauschen sie ihre Ansichten aus. Hier plaudern sie während des Bundespresseballs 1972.
Orangene Revolution
Legendär ist die vom dänischen Architekten Verner Panton entworfene Kantine des Verlags. Hier trifft man sich, isst - und entwickelt nebenbei auch Ideen für neue Geschichten. Ästhetisch war die Kantine damals revolutionär. Sie dokumentiert den Aufbruch Deutschlands in die Hochmoderne und steht heute im Museum.
Kritik und Kapital
"Der Spiegel" wurde über die Jahre zum führenden und meistverkauften Nachrichtenmagazin Deutschlands. Ökonomisch war das Blatt lange erfolgreich - zu sehen auch an dem neuen Gebäude des Verlags in der Hamburger Hafencity. Inzwischen leidet aber auch "Der Spiegel", wie so viele Zeitungen und Magazine, an der Abwanderung der Leser ins Internet.
Der Ärger der Anderen
Rudolf Augstein stirbt im November 2002. Das wichtigste Erbe des Chefs pflegt die Redaktion weiter: den harten journalistischen Biss. Bis heute zählen die Spiegel-Rechercheure zu den besten ihres Faches. Das zeigt sich auch an den vielen Flüchen, die das Blatt auf sich zog - und die nun die Geburtstagsausgabe zieren.