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Diplomaten ausgewiesen

Sandra Petersmann28. Dezember 2007

Harte Strafe für heikle Verhandlungen: Afghanistan hat zwei Top-Diplomaten von UN und EU ausgewiesen. Die Regierung wirft ihnen vor, mit Taliban-Vertretern zu verhandeln - angeblich ein Verstoß gegen afghanisches Recht.

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Der afghanische Präsident Hamid Karzai (27.12.2007, Quelle: AP)
Kam der Ausweisungsbeschluss direkt von ihm?Bild: AP

Der amtierende Chef der EU-Vertretung, Michael Semple, und der UN-Delegierte Marvin Patterson sind am Mittwoch (26.12.2007) aus Afghanistan ausgewiesen worden - unter dem Vorwurf der Gefährdung der staatlichen Sicherheit. Die beiden Diplomaten hätten sich mit Taliban-Rebellen getroffen und damit gegen die Gesetze verstoßen. Inzwischen haben die beiden Afghanistan verlassen.

Die Ausweisung der Spitzendiplomaten aus Europa fällt zeitlich zusammen mit Berichten in der britischen Presse, dass es im Sommer mehrere Gesprächsrunden zwischen dem britischen Geheimdienst und hochrangigen Vertretern der Taliban gegeben haben soll. Diese Gespräche hätten in der umkämpften Provinz Helmand in Südafghanistan stattgefunden, berichtet der "Daily Telegraph" unter Berufung auf Geheimdienstkreise.

Brown schloss Verhandlungen aus

UN-Sprecher Aleem Siddique (27.12.2007, Quelle: AP)
Protestiert gegen die Ausweisung: UN-Sprecher Aleem SiddiqueBild: AP

Der britische Premierminister Gordon Brown hatte allerdings nach einer kurzen Stippvisite in Afghanistan in einer Rede vor dem britischen Parlament am 12. Dezember direkte Verhandlungen mit dem Führungszirkel der Taliban kategorisch ausgeschlossen. "Lassen Sie mich das ganz klar sagen: als Teil einer Koalition werden wir den Kampf gegen die aufständischen Taliban gewinnen. Wir isolieren und vernichten die Führer der Taliban, wir verhandeln nicht mit ihnen", so Brown damals.

Keine Verhandlungen mit den Taliban. Das ist die offizielle Linie der internationalen Staatengemeinschaft - Vereinte Nationen und Europäische Union eingeschlossen. Zwei ihrer Top-Diplomaten sind jetzt allerdings zu unerwünschten Personen erklärt und des Landes verwiesen worden, weil sie angeblich Geheimverhandlungen mit Vertretern der Taliban geführt haben sollen. Diplomatische Kreise in Kabul gehen davon aus, dass die Anweisung zur Ausweisung direkt von Präsident Hamid Karzai kommt, der sich gerade zu Gesprächen im benachbarten Pakistan aufhält.

Beleidigter Karzai?

Karzai hat sich schon oft darüber beklagt, dass ihn die Vertreter der internationalen Gemeinschaft bei wichtigen Entscheidungen übergehen. Betroffen von der Ausweisung sind Michael Semple, der stellvertretende Sondergesandte der EU in Kabul und Mervyn Patterson, der politische Berater der Vereinten Nationen in der afghanischen Hauptstadt. Der Ire und der Brite sind ausgewiesene Afghanistan-Kenner und so vertraut mit Sprache, Geschichte und Kultur wie es nur ganz wenige westliche Diplomaten sind.

Die Vereinten Nationen protestieren gegen die Ausweisung und sprechen von einem Missverständnis. Sie wollen sich für eine schnelle Rückkehr ihres Beraters Mervyn Patterson nach Afghanistan einsetzen, der vor Ort ihr drittwichtigster Mann ist. In Kabul bestätigte UNO-Sprecher Aleem Siddique, dass die beiden ausgewiesenen Europäer tatsächlich Gespräche geführt haben, allerdings mit Stammesältesten und lokalen Würdenträgern und nicht mit Vertretern der Taliban. Die Gespräche hätten in der gerade erst zurück eroberten Taliban-Hochburg Musa Qala in der umkämpften südafghanischen Provinz Helmand stattgefunden. "Wenn wir in Helmand wirklich den Frieden für die Menschen zementieren wollen, dann müssen wir mit allen Betroffenen vor Ort reden", so Siddique. Und das schließe auch die ein, die der afghanischen Regierung feindlicher gegenüber stünden "als wir das alle gerne hätten."

Dialog mit Stammesführern neue Strategie

Gerade in einer Taliban-Hochburg wie Helmand ist es schwierig, Taliban-Sympathisanten aus Verhandlungen auszuschließen. Die Provinz gehört zum Stammland der Volksgruppe der Paschtunen, aus denen sich die Taliban rekrutieren. Ein Stammesältester, der die afghanische Regierung ablehnt und Sympathien für die bewaffneten Religionsschüler hat, ist nicht automatisch ein Vertreter der Taliban. Immer mehr westliche Diplomaten setzen auf Gespräche mit diesen traditionellen Machthabern, um den Frieden zu gewinnen. Auch die afghanische Regierung selber hat längst ein Versöhnungsprogramm gestartet, um die Sympathisanten vom harten Kern zu trennen.