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PolitikAfrika

Auf der Zielgeraden?

Daniel Pelz
26. Juli 2020

Seit zwei Jahren verhandelt die EU mit fast 80 Entwicklungsländern über eine neue Partnerschaft. Doch es hakt noch. Gerade aus Afrika kommt viel Kritik an der bisherigen Zusammenarbeit.

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Äthiopien Ursula von der Leyen  Addis Ababa
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Dezember zu Gast bei dem AU-Vorsitzenden Moussa Faki Mahamat Bild: Reuters/T. Negeri

Sie reden wieder. Nach monatelanger Corona-Pause verhandeln die Europäische Union und AKP-Staaten seit Anfang Juni erneut über ein neues Abkommen.Virtuell und mit ganz viel Optimismus: "Ich freue mich, dass wir immer näher an die Ziellinie kommen", sagte EU-Verhandlungsführerin Jutta Urpilainen zum Auftakt. Ihr AKP-Kollege Robert Dussey hielt es dagegen lieber mit diplomatischer Zurückhaltung: Die Verhandlungen liefen "zufriedenstellend". 

Beide Seiten betonen, dass sie bald zum Ende kommen wollen. Notwendig wäre es. Der Cotonou-Vertrag, seit 20 Jahren Grundlage für die gemeinsamen Beziehungen, läuft zum Jahresende aus. Seit 2018 schleppen sich die Verhandlungen über einen neuen Pakt dahin. Dabei geht es um viel: um die politischen Beziehungen, Wirtschaft, Handel und Entwicklungspolitik. Im Kern um die Beziehungen zwischen 106 Ländern - der EU und 79 ehemaligen europäischen Kolonien in Afrika, der Karibik und dem Pazifikraum. Die meisten der sogenannten AKP-Staaten liegen in Afrika. 

Ein Marathon mit ungewissem Ausgang

"Wir sind in der Schlussphase der Verhandlungen", teilt eine EU-Kommissionssprecherin auf DW-Anfrage mit. Über 95 Prozent des Vertragstextes sei man sich einig. Genaue Angaben oder ein Interview lehnt die Kommission jedoch ab.

Straßenaufnahme und Hochhäuser in Cotonou (Foto: Picture Alliance)
Benins Hauptstadt Cotonou - Nach ihr ist der seit dem Jahr 2000 gültige Vertrag benanntBild: picture-alliance/maxppp/E. C. Ahounou

Experten bleiben trotz dieser Meldung vorsichtig: "Jeder, der schon mal einen Marathon gelaufen ist, weiß, dass die letzten fünf Prozent die schwersten sind. Sie entscheiden am Ende darüber, ob man mit einem guten Ergebnis oder mit Muskelkater dasteht", sagt Niels Keijzer vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) zur DW.

Denn die Dinge sind längst nicht mehr so einfach wie 2000, als das Cotonou-Abkommen in Kraft trat. "Afrika und Europa wollen ihre Beziehungen ausbauen und vertiefen. Aber die afrikanische Seite will auch, dass ihre Prioritäten stärker berücksichtigt werden", sagt John Maré, der als südafrikanischer Diplomat mehrere Abkommen mit der EU ausgehandelt hat.

Togos Außenminister Robert Dussey am Rednerpult bei den Vereinten Nationen (Foto: Reuters)
Togos Außenminister Robert Dussey ist Verhandlungsführer der AKP-StaatenBild: Reuters/E. Munoz

Vor allem bei den Handelsbeziehungen fordern viele afrikanische Staaten einen neuen Kurs. Das Cotonou-Abkommen legte den Grundstein für die umstrittenen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, nach ihrem englischen Titel EPAs genannt. Die EU hat in den letzten Jahren mit verschiedenen AKP-Staaten solche Verträge ausgehandelt. Im Kern vereinbaren beide Seiten, Zölle und andere Handelshemmnisse abzubauen und ihre Märkte für die Produkte des anderen zu öffnen. "Die Abkommen werden in Afrika als unfair empfunden", sagt Ex-Diplomat Maré. Kritiker werfen der EU vor, lokale Märkte mit Billigimporten wie Fleisch zu fluten und die lokale Wirtschaft zu zerstören. Die EU weist das zurück.

Konkurrenz zur pan-afrikanischen Freihandelszone

Die afrikanischen AKP-Mitglieder stoßen sich auch daran, dass die EU die EPAs mit einzelnen Staaten verhandelt hat. Gleichzeitig versucht die Afrikanische Union (AU) aber eine afrikaweite Freihandelszone aufzubauen. Doch wenn verschiedene Staaten mit der EU eigene Regelungen haben, macht das die Sache schwierig. "Diese Abkommen haben viel Spaltung und Zersplitterung der afrikanischen Position bewirkt", schimpfte Carlos Lopes, Beauftragter der AU für die Beziehungen zu Europa, Anfang Juni.

LKWs und Schiffe an einem Kai (Foto: Getty Images/AFP/G. Guercia)
Die EU könnte afrikanische Länder beim Ausbau der Infrastruktur unterstützen, um den Handel mit Europa zu erleichternBild: Getty Images/AFP/G. Guercia

Experten sehen im Streit um die EPAs das größte Hindernis auf dem Weg zu einem neuen Abkommen. Doch es sieht nicht so aus, als ob die EU nachgeben wird. Es wäre auch schwierig: "Ein neues Abkommen kann die Partnerschaftsverträge nicht grundlegend beeinflussen. Es sind eigenständige internationale Verträge, die durch ein neues Abkommen nicht wesentlich geändert werden können", sagt DIE-Experte Keijzer. Stattdessen werde die EU eher zusätzliche Hilfen versprechen, um afrikanische Staaten den Handel mit Europa zu erleichtern: Geld für Infrastrukturmaßnahmen oder beim Grenzmanagement zum Beispiel.

Einigung erst nächstes Jahr?

Streit gibt es auch ums Geld. Das Cotonou-Abkommen regelte auch die finanziellen Beziehungen. In den letzten sechs Jahren erhielten die AKP-Staaten über 30 Milliarden Euro Entwicklungshilfe aus Brüssel. Regierungen armer Länder wollen, dass das so bleibt. "Die AKP-Staaten haben darauf gedrängt, dass ein Finanzprotokoll Teil des Abkommens wird", sagt Experte Keijzer. Die EU dagegen ist vorsichtig und möchte nur allgemeine Zusagen machen. Gelder sollen künftig aus dem regulären Haushalt kommen. Der muss aber jedes Jahr von den Mitgliedsländern neu beschlossen werden. Ein Risiko für die AKP. 

So bleiben viele offene Fragen. Trotz des offiziellen Optimismus bleibt Ex-Diplomat Maré skeptisch, was den Abschluss der Verhandlungen angeht: "Ich rechne nicht mehr mit diesem Jahr. Ich glaube eher, dass der Cotonou-Vertrag noch einmal verlängert wird." 

Ghanas letzte Geflügelzüchter