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Opfer werden zum Täter

Sabrina Pabst27. November 2014

Sexy gekleidet und Alkohol getrunken? Dann bist du selber schuld, wenn du Opfer sexueller Gewalt wirst. Diese Botschaft eines Präventionsvideos der ungarischen Polizei für den Schulunterricht sorgt für Empörung.

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Junges Mädchen als Opfer von häuslicher Gewalt (Foto: picture-alliance/Photoshot)
Bild: picture-alliance/Photoshot

Das Video fängt harmlos an. Drei junge Mädchen trinken Alkohol, sind sexy angezogen und auffällig geschminkt. Sie lachen und hören laute Musik. Eigentlich wollen sie nur in einem Klub Spaß haben. Sie feiern ausgelassen, trinken noch mehr Alkohol, lernen Jungen kennen, flirten, küssen. Doch: Aus dem Spaß wird bitterer Ernst.

Schnitt. Eines der Mädchen sitzt kurze Zeit später in einer dunklen Seitenstraße. Ihre Jeans ist zerrissen, ihre Schminke verschmiert. Traumatisiert blickt sie vor sich. "Du kannst etwas dafür, du kannst etwas dagegen machen", so der Text, der eingeblendet wird.

Das Video der südungarischen Polizei will eine Warnung sein und gleichzeitig Mädchen für das Thema Gewalt gegen Frauen sensibilisieren. In der Studentenstadt Pécs wird es in Schulen gezeigt - um Vergewaltigungen vorzubeugen. Als Darsteller wurden extra bekannte nationale Schauspieler ausgesucht, sogar eine Aktivistin für Gleichberechtigung spielt mit. Die Botschaft wird deutlich: Du bist selber schuld, wenn Opfer sexueller Übergriffe wirst.

Das Opfer wird zum Täter

Ein Aufschrei geht durch die ungarischen Medien. Das Video wurde auf Youtube innerhalb kürzester Zeit über 130.000 mal geklickt. Frauenrechtsorganisation sehen das Video der ungarischen Polizei kritisch. Mehrere ungarische Frauenrechtsbewegungen haben an die zuständigen Behörden appelliert, das Video nicht weiter an Schulen zu zeigen und es zurückzuziehen. Es vertausche die Rolle von Opfer und Täter und schüre Aggressionen gegenüber Frauen. Es sei eine ultrakonservative und patriarchalische Sicht auf die Gesellschaft. Auch die Männer würden als instinktgeleitete potentielle Gewalttäter dargestellt. Das sei ein Gesellschaftsbild, das der Realität nicht entspräche.

Auch in Deutschland stößt das Video in sozialen Medien auf Unverständnis.

"Es spricht eindeutig die Mädchen und ihr Verhalten an und gibt den Opfern somit die Schuld an ihrer Vergewaltigung", sagt Birte Rohles von Terres des Femmes der DW. Leider sei diese Ansicht sehr verbreitet - nicht nur in Ungarn - und werde bei Präventionskampagnen gerne verwendet. "Es wird versucht die Opfer zu sensibilisieren, und zu warnen, dass sie sich besser schützen müssen." Aufklärung und Prävention der potentiellen Täter? Nein, die finde nicht statt, so Rohles.

Täter meist im direkten Umfeld

"Das Video vermittelt auch den Mythos, dass die meisten Vergewaltigungen nachts auf der Straße nach der Disco passieren würden", kritisiert Rohles von Terres des Femmes. "Dabei passieren die meisten sexuellen Übergriffe viel eher innerhalb einer Beziehung, innerhalb des Freundeskreises oder der eigenen Wohnung als nachts auf der Straße." Dieser Mythos würde von der Polizei auch noch verbreitet, die es eigentlich aufgrund ihrer vorliegenden Statistiken besser wissen müsse.

Weder die zuständige Polizeibehörde noch die führende Landespolizei haben sich zu dem Video geäußert. Die Kommentarfunktionen auf ihren Youtube- und Facebook-Seiten sind abgeschaltet. Die westungarische Polizeibehörde solidarisiert sich auf ihrer Internetseite sogar mit den Kollegen aus Pécs. Dort schreiben sie über ihre Erfahrungen, die zeigten, dass das weibliche Verhalten bei der Gewaltprävention durchaus eine sehr große Rolle spiele. Es seien die Reize junger Mädchen, die Gewalt provozierten.