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Konferenz in Berlin

20. Mai 2010

Es ist eine der ganz großen Fragen unserer Zeit: Wie viel Macht hat die Politik eigentlich über den Finanzsektor? Und wie beteiligt man die Banken an den Kosten der Krise? Eine Konferenz in Berlin suchte nach Antworten.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Konferenz in Berlin (Foto: AP)
Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Konferenz in BerlinBild: AP

Ihr Lächeln ist verbindlich, ihre Stimmlage ist freundlich und werbend. Nur wer genau hinschaut und hinhört, der ahnt, unter welchem Druck die Bundeskanzlerin und ihr Finanzminister an diesem Donnerstag (20.05.2010) beim Vorbereitungstreffen für den nächsten G20-Gipfel, der Ende Juni in Kanada stattfinden wird, stehen. Der Euro taumelt, der Verteidigungsschirm ist alles andere als stabil. So viel steht für die Europäer inzwischen auf dem Spiel, doch weder Angela Merkel noch Wolfgang Schäuble haben eine Handhabe, um den Rest der Welt in die vermeintlich richtige Richtung zu lenken.

Da bleibt für die Kanzlerin nur ein fast flehender Appell, in Kanada und ein halbes Jahr später in Südkorea zu greifbaren Ergebnissen zu kommen. "Deswegen auch meine Bitte an die kanadische G20-Präsidentschaft und auch an die südkoreanische. Auch wenn ihre Länder selbst von bestimmten Erscheinungen nicht so betroffen waren, ist, glaube ich, die Aufgabe, den Prozess als Ganzes voranzubringen, auch eine Aufgabe, die in Ländern geleistet werden muss, die selber im Augenblick in einer besseren Situation sind." Ansonsten – so sieht es die Kanzlerin zumindest in Deutschland – "werden die Menschen an uns verzweifeln."

Viel ist nicht passiert

Logo des G20-Gipfels Pittsburgh 2009 (Foto: DW)
Logo des G20-Gipfels Pittsburgh 2009

Ein dreiviertel Jahr ist es nun her, dass die G20, die großen Industrie- und Schwellenländer, in Pittsburgh beschlossen haben, die Finanzmärkte stärker zu regulieren. Doch seitdem, so beklagt Merkel auf der Konferenz in Berlin, sei zu wenig Konkretes geschehen. Angesichts der sich erholenden Weltwirtschaft bestehe sogar die Gefahr, dass nationale Egoismen Überhand nähmen. Tatsächlich ist innerhalb der G20 der Widerstand gegen eine umfassende Beteiligung der Finanzbranche an den Kosten der Krise gewachsen. Weder eine Bankenabgabe noch andere Instrumente zur Regulierung der Kapitalmärkte, wie eine Finanzmarkttransaktionssteuer oder Finanzaktivitätssteuer gelten als durchsetzbar.

Das weiß auch die Kanzlerin und hofft doch, dass sich in Toronto etwas bewegen lässt. "Ich gebe nur zu bedenken, dass die Probleme in allen Ländern ähnlich sind. Und insofern könnte es ein Element der Gerechtigkeit sein, das die Finanzmärkte nicht ruiniert, wenn wir uns hier zu einer internationalen Besteuerung durchringen könnten. Ich und wir werden jedenfalls dafür werben." Aber so etwas werde man nicht schon beim ersten Abenddinner beschließen.

Die Mühen der Ebene

April 2009: Weltfinanzgipfel in London (Foto: AP)
April 2009: Weltfinanzgipfel in LondonBild: AP

Während die Politiker mit dem Druck der Bürger im Rücken werben und drängen, sitzen hinter den Kulissen die Experten in Arbeitsgruppen zusammen und suchen nach einem gemeinsamen Nenner. Auch in Berlin traf man sich in zwei großen Foren. Eins wurde vom Chef der Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, Thomas Mirow, geleitet. Der verwies gegenüber DW-WORLD.DE auf die ungeheuer komplexe Materie, die zu bewältigen sei: "Jetzt haben wir es zu tun mit den Mühen der Ebene. Es müssen ganz konkrete Regeln und Mechanismen gefunden werden. Das ist leider nicht ganz einfach zu kommunizieren mit der Öffentlichkeit und das ist das Stadium, in dem wir sind."

Das hofft auch der Chefvolkswirt der Allianz, Michael Heise. Er möchte das Verhandlungstempo unbedingt beschleunigt sehen. Die Absichtserklärungen der G20-Staaten lägen auf dem Tisch, sagt Heise im Gespräch mit DW-WORLD.DE. Wenn jetzt nicht bald gehandelt werde, schließe sich das Zeitfenster für eine gemeinsame Lösung. Das einseitige Vorpreschen Deutschlands mit einem Verbot für ungedeckte Leerverkäufe und den Handel mit Kreditausfallversicherungen auf Euro-Staatsanleihen erscheint Heise dabei nicht besonders hilfreich. "Im Moment müssen wir leider feststellen, dass die einzelnen Länder ihre eigenen Wege gehen. Das führt zu einer Renationalisierung der Finanzmärkte."

Viele Fragen, keine Antworten

Blick in den Handelssaal der Börse Frankfurt (Foto: AP)
Bewegte Zeiten auch an der BörseBild: AP

Genau das will die Bundesregierung zwar vermeiden, angesichts der Euro-Krise und der zögerlichen Konsensfindung auf internationaler Ebene sieht sie sich jedoch zum Handeln gezwungen. Das Verbot ungedeckter Leerverkäufe, die Einführung einer Bankenabgabe und die Neuausrichtung der Finanzaufsicht mit eingerechnet, hat der Bundesfinanzminister insgesamt sieben Maßnahmen auf nationaler Ebene geplant

Damit will Schäuble auch international ein Zeichen setzen. "Es sind längst nicht alle Fragen beantwortet. Wir fangen gerade erst damit an, die großen, schwierigen Fragen zu beantworten." Und zählt dann die ganze Liste auf: Wie sieht eine große, international abgestimmte Regulierung der Finanzmärkte aus? Wie verringern wir die Gefahr und die Auswirkungen künftiger Krisen über die bereits getroffenen Maßnahmen hinaus? Welche Möglichkeiten gibt es, Krisenkosten fair zu verteilen? Wie können wir die Volatilität der Märkte verringern und ihre Neigung zum Überschießen zugleich? Und wie kann all das gelingen, ohne gleichzeitig die Finanzmärkte und die Finanzinstitute in ihrer ja grundsätzlich die Wohlfahrt mehrenden Funktion zu schwächen? Antworten darauf gab es auf der Berliner Konferenz nicht wirklich.

Autorin: Sabine Kinkartz

Redaktion: Henrik Böhme

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