Verfassungsschutz nimmt AfD-Nachwuchs stärker ins Visier
26. April 2023Vier Jahre hat das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die Jugendorganisation der Alternative für Deutschland (AfD) intensiver denn je beobachtet. Würde sich die Junge Alternative (JA) weiter radikalisieren? Gegen Flüchtlinge sowie Migrantinnen und Migranten hetzen? Ein völkisches Gesellschaftskonzept propagieren? Oder deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund als Bürger zweiter Klasse abwerten?
Gezieltes Propagieren von Feindbildern
Die Antwort des BfV auf all diese Fragen lautet: ja. Und deshalb wurde der AfD-Nachwuchs nun vom Verdachtsfall zur gesichert rechtsextremistischen Bestrebung hochgestuft. Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang rechtfertigt diese Entscheidung so: "Das gezielte Propagieren von Feindbildern und das Schüren von Ressentiments in der Bevölkerung sind generell geeignet, den Boden für unfriedliche Verhaltensweisen gegenüber den Betroffenen zu bereiten."
Gleichzeitig mit der Jungen Alternative wurden das "Institut für Staatspolitik" (IfS) und der Verein "Ein Prozent" als gesichert rechtsextremistische Bestrebungen eingestuft. Damit steigt für alle drei Gruppierungen das Risiko, mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet zu werden. Dazu gehört unter anderem die Möglichkeit, Personen und ihre elektronische Kommunikation gezielt zu überwachen.
Demokratiefeindliche Ideologien und Konzepte
Das war auch schon vorher möglich. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass solche Methoden zum Einsatz kommen, ist mit der jetzt getroffenen Entscheidung noch größer geworden. Der Verfassungsschutz richte sein Augenmerk nicht nur auf gewaltorientierte Extremisten, "sondern hat auch diejenigen Personenzusammenschlüsse im Blick, die menschenwürdewidrige und demokratiefeindliche Ideologien und Konzepte permanent verbreiten", betont BfV-Chef Haldenwang.
Die drei nun noch stärker ins Visier genommenen Organisationen zielten auf die Ausgrenzung vermeintlich Fremder und versuchten, "diese Positionen gesellschaftlich anschlussfähig zu machen", heißt es zur Begründung für die verschärfte Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Nächste und letzte Sanktion wäre ein Verbot.
Ein Partei-Verbot ist schwierig
Von dieser Möglichkeit hat das Bundesinnenministerium bei rechtsextremistischen Organisationen und Vereinen schon mehrmals Gebrauch gemacht. Das Verbot einer Partei ist allerdings wesentlich komplizierter. Der Versuch, die rechtsextremistische Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) zu verbieten, ist 2017 gescheitert.
Trotzdem gilt: Für die AfD ist die Einstufung ihrer Jugendorganisation als erwiesen rechtsextremistische Bestrebung ein Alarmsignal. Denn seit März 2022 darf das BfV auch die Gesamtpartei als Verdachtsfall beobachten. Dagegen hatte sie erfolglos vor dem Verwaltungsgericht Köln geklagt. Kurz zuvor war der damalige AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen aus der Partei ausgetreten.
Ehemaliger AfD-Chef sieht totalitäre Züge
Er begründete seinen Schritt damit, die 2013 gegründete Alternative für Deutschland habe sich sehr weit nach rechts mit totalitären Zügen entwickelt und stehe in weiten Teilen nicht mehr auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Eine Sichtweise, die schon länger vom Verfassungsschutz geteilt wird.
Den AfD-Nachwuchs Junge Alternative schätzt die Sicherheitsbehörde jetzt als noch gefährlicher ein: Das in den Äußerungen und Verlautbarungen der JA deutlich zutage tretende Volksverständnis widerspreche dem im Grundgesetz zum Ausdruck kommenden Volksverständnis und sei geeignet, Angehörige vermeintlich anderer Ethnien auszugrenzen.
Pauschalurteile gegenüber Muslimen
Insbesondere Zuwanderer mit (vermeintlich) muslimischem Hintergrund würden in pauschaler Weise Negativeigenschaften zugesprochen: kulturelle Rückständigkeit und ein überproportional stark ausgeprägter Hang zu Kriminalität und Gewalt. Und das allein aufgrund ihrer Herkunft und Religion.
Der Verfassungsschutz hat bei der AfD-Jugendorganisation aber auch ganz grundsätzlich Zweifel an ihrer Verfassungstreue. Beleg dafür sind aus Sicht des BfV eine Vielzahl von Diffamierungen und Verunglimpfungen politischer Gegner, aber auch des Staates und seiner Repräsentanten. Der JA gehe es nicht um eine Auseinandersetzung in der Sache, sondern um eine generelle Herabwürdigung des demokratischen Systems in Deutschland. Deshalb gilt der AfD-Nachwuchs ab sofort als gesichert rechtsextremistische Bestrebung.