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USA erwarten mehr Engagement von Deutschland

Spencer Kimball / ng16. September 2013

Die NSA-Spähaffäre und der Syrien-Konflikt sind Themen des deutschen Wahlkampfs - die deutsch-amerikanischen Beziehungen sind angespannt. Aber beim Thema Eurokrise setzt Washington auf den Einfluss Deutschlands.

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German Chancellor Angela Merkel (L) and U.S. President Barack Obama walk together during the family picture event during the G20 summit in St.Petersburg September 6, 2013. REUTERS/Anton Denisov/RIA Novosti/Pool (RUSSIA - Tags: POLITICS BUSINESS) ATTENTION EDITORS - THIS IMAGE HAS BEEN SUPPLIED BY A THIRD PARTY. IT IS DISTRIBUTED, EXACTLY AS RECEIVED BY REUTERS, AS A SERVICE TO CLIENTS
Bild: Reuters/Anton Denisov/RIA Novosti

Während des G-20-Gipfels in Sankt Petersburg unterschrieben fast alle bedeutenden europäischen Länder eine gemeinsame Erklärung, in der sie sich für eine Unterstützung der US-amerkanischen Position gegenüber Syrien aussprechen. In dem Dokument wird das Assad-Regime als mutmaßlicher Verursacher des Giftgasanschlags vom 21. August 2013 in Damaskus bezeichnet und eine "massive internationale Reaktion" gefordert.

Nur Deutschland, Europas größte Volkswirtschaft und politisches Schwergewicht, zierte sich zunächst und unterschrieb die Erklärung nicht. Erst einen Tag später entschied sich Berlin um und unterzeichnete.

Obwohl Außenpolitik im Wahlkampf sonst eine eher untergeordnete Rolle spielt, nutzen sie die Oppositionsparteien im Vorfeld der bundesdeutschen Wahlen, die am 22.September 2013 abgehalten werden, für Kritik. "Frau Merkel hat dafür gesorgt, dass das größte europäische Land in der Außenpolitik führungslos ist und ohne Haltung", sagte zum Beispiel SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles nach dem G-20-Gipfel.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Politik der USA in Deutschland zum Streitthema zwischen den Parteien gerät. Es dürfte der Koalition von CDU/CSU und FDP wohl kaum zupasskommen, dass der Spiegel beispielsweise regelmäßig neue Enthüllungen zur Spähaffäre der NSA (National Security Agency) und der vermeintlichen Rolle der Bundesregierung in dem Skandal herausbringt.

"Es ist ein schmaler Grat - die Kandidaten dürfen sich nicht zu kooperativ gegenüber den US-Amerikanern zeigen, gerade wenn es um die NSA-Affäre geht", so Stephen Szabo von der Transatlantic Academy im Gespräch mit der DW. "Andererseits dürfen sie auch nicht zu distanziert erscheinen, denn die USA sind immer noch einer der wichtigsten Handelspartner Deutschlands. Auch sicherheitspolitisch sind die USA für Deutschland wichtig", meint Szabo.

Die Spähaffäre im Wahlkampf

Der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück spricht am 03.09.2013 in Berlin während der Sitzung des Bundestages. Weniger als drei Wochen vor der Wahl ist der Bundestag zu seiner voraussichtlich letzten Sitzung zusammengekommen. Foto: Soeren Stache/dpa
Steinbrück macht die NSA-Affäre zum WahlkampfthemaBild: picture-alliance/dpa

Merkel behauptet, sie habe vor Edward Snowdens Enthüllungen nichts von den umfassenden Überwachungsprogrammen der NSA gewusst. Die Beteuerungen der USA, dass sie deutsche Gesetze zum Schutz der Privatsphäre auf deutschem Boden respektieren, genügten der Bundesregierung - das Thema wurde für beendet erklärt.

Doch die Opposition wirft Merkel vor, gegenüber den Wählern nicht mit offenen Karten zu spielen. SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück unterstellt Merkel sogar, ihren Amtseid gebrochen zu haben, da sie darin versagt habe, die Öffentlichkeit vor Spähangriffen der amerikanischen Geheimdienste zu schützen.

Aber laut Jeffrey Anderson sei es unwahrscheinlich, dass Steinbrück Altkanzler Gerhard Schröder nacheifern und die US-Politik im Wahlkampf angreifen werde. "Die Sozialdemokraten sind da eher vorsichtig, sie wollen die NSA-Affäre nicht als Knüppel benutzen", so Anderson, Direktor des BMW Center für Deutsche und Europäische Politik an der Georgetown University.

Im Bundestagswahlkampf 2002 nutzte Schröder die anti-amerikanische Stimmung im Land und machte die Pläne der US-Regierung für einen Militärschlag im Irak zum Wahlkampfthema. Diese Taktik hatte "die Beziehungen dauerhaft beeinflusst", so Anderson. "Mein Eindruck ist, dass sie [die Sozialdemokraten] die Wiederholung einer solchen Situation vermeiden wollen."

Syrien-Konflikt sorgt für Unruhe

In Washington haben der Syrienkonflikt und die diesbezügliche Debatte über eine angemessene Strategie derweil alle anderen Themen von der Tagesordnung verdrängt. Szabo glaubt, dass der Wankelmut Washingtons es auch Deutschland schwer mache, sich zu positionieren. "Die Bundesregierung hat klargestellt, dass sie nicht erneut so reagieren wird, wie im Fall Libyens geschehen, dass sie gemeinsame Maßnahmen des Westens oder Maßnahmen der Amerikaner unterstützen will."

Im März 2011 enthielt sich Deutschland, als der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Militäraktion in Libyen genehmigte, und isolierte sich damit von seinen amerikanischen, britischen und französischen Partnern. Dennoch haben sich sowohl Merkel als auch Steinbrück im Fernsehduell von einem militärischen Einsatz deutscher Truppen in Syrien ausdrücklich distanziert.

"Wenn bestimmte Optionen auf dem Tisch liegen, besonders wenn man einen möglichen Militärschlag androht, weiß man in Washington, dass man von den Deutschen keine große Unterstützung erwarten kann. Und das hat Washington auch akzeptiert", so Anderson.

Deutsche Führung gefragt

Die USA erwarten zwar nicht, dass Deutschland militärische Stärke demonstriert, aber Washington achtet die Wirtschaftsmacht Deutschlands und würde es begrüßen, wenn Berlin seinen Einfluss stärker zur Geltung brächte, besonders im Hinblick auf die Eurokrise.

Euromünzen liegen am auf einer Dollarnote. Foto: Federico Gambarini dpa/lnw (zu dpa 0616 vom 08.08.2011)
Die USA erwarten mehr von Europas WirtschaftsmotorBild: picture-alliance/dpa

Angesichts der europäischen Schuldenkrise, kämen in Washington zunehmend Zweifel auf, ob die Europäer fähig seien, Krisen zu meistern, sagt Szabo. Daher hofft die US-Regierung, dass Deutschland das Machtvakuum füllen kann. "Die Amerikaner wollen wissen, ob Deutschland bereit ist, eine Führungsrolle in Europa - und eventuell auch über Europa hinaus - einzunehmen. Wird Berlin seine enorme Wirtschaftsmacht mit entsprechendem politischen Engagement begleiten?", fragt Szabo

Ein wichtiger Prüfstein sind die Verhandlungen über das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP). Wird hier ein Abkommen erzielt, könnte die größte Freihandelszone der Welt entstehen. Szabo ist der Ansicht, ein solches Abkommen könne - besonders zu Zeiten, in denen autoritäre Mächte wie China und Russland weltpolitisch an Bedeutung gewinnen würden - dazu beitragen, liberale Werte zu verbreiten.

Als größte europäische Volkswirtschaft spiele Deutschland hierbei eine zentrale Rolle, so Szabo: "Es geht hier nicht nur um Wirtschaft und Handel", es geht auch darum, westliche Werte und Normen weltweit zu etablieren und zu festigen."