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Umstrittene Entscheidung

Ina Rottscheidt27. November 2008

Das irakische Parlament hat das umstrittene Stationierungs-Abkommen mit den USA verabschiedet. Jetzt sollen US-Truppen bis 2011 im Land bleiben können. Die Entscheidung war begleitet von Protesten.

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US-Soldaten in Bagdad, Foto: AP
Bis 2011 sollen die US-Truppen aus dem Irak abziehen

Die Abstimmung, die am Donnerstag (27.11.2008) live im staatlichen Fernsehen übertragen wurde, wurde vom Protest der Fraktion des radikalen Schiiten-Predigers Muktada al-Sadr überschattet. Die 30 Abgeordneten der Bewegung, die enge Beziehungen zum Iran unterhält, riefen während der Lesung des Beschlusses und während der Abstimmung immer wieder lautstark "Nein, nein zum Abkommen!", "Ja, Ja für den Irak!" und schlugen dabei auf ihre Stühle. Abgestimmt wurde per Handzeichen. Nach Angaben von Parlamentspräsident Mahmud Maschhadani sprachen sich 149 der 198 Anwesenden für das Vertragswerk aus.

Parlamentsmitglied Osama al-Najaifi, Foto: AP
Das Abkommen wurde mit 149 Stimmen angenommenBild: AP

Die 31 Artikel sehen unter anderem vor, dass sich die US-Streitkräfte bis Ende 2009 aus allen irakischen Städten zurückziehen und bis Ende 2011 aus dem ganzen Land. Bisher regelt ein UN-Mandat die Rechtsgrundlage des US-Einsatzes, es läuft jedoch Ende des Jahres aus. Daher hatten Unterhändler des Irak und der USA sich im Oktober auf den Entwurf dieses neuen Sicherheitsabkommens geeinigt, das den Verbleib der US-Truppen im Irak legitimieren soll. Momentan sind knapp 150.000 US-Soldaten im Irak stationiert. Die Truppenkontingente aus anderen Staaten werden das Land - mit Ausnahme der Briten - voraussichtlich bis zum Jahresende verlassen.


Stabilisierende Kraft

Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin hält diesen Abzugsplan für gut, weil er auf drei Jahre terminiert ist und so die irakische Regierung unter Druck setze, endlich eigene Sicherheitskräfte aufzubauen. Zum anderen seien die Iraker derzeit noch nicht in der Lage, selbst für ihre Sicherheit zu sorgen: "Zwar waren die Amerikaner auch Ursache des Sicherheitsproblems im Irak", sagt Steinberg, "aber insbesondere seit 2005 waren sie dort die einzige Kraft, die ein Auseinanderfallen des Landes verhindert hat."

Noch am Mittwoch war eine geplante Abstimmung im irakischen Parlament in Bagdad verschoben worden, weil Regierung und Opposition sich nicht über Details einigen konnten. Zwar hatte sich eine Mehrheit für das Abkommen abgezeichnet. Die Koalition von Ministerpräsident Nuri al-Maliki wollte jedoch erreichen, dass zwei Drittel der Parlamentarier mit "Ja" stimmen und einen größtmöglichen Konsens zwischen Schiiten, Kurden und Sunniten erreichen.




Innenpolitisches Problem

Rauchwolken über der Grünen Zone nach einem Rakteneinschlag im März 2008, Foto: dpa
Bislang seien die Iraker noch nicht in der Lage, selbst für ihre Sicherheit zu sorgen, glaubt Guido SteinbergBild: picture-alliance/ dpa

Bei der ablehnenden Haltung einiger Abgeordneter gehe es allerdings weniger um die USA als vielmehr um ein innenpolitisches Problem und die zwei Lager, die sich in Bagdad gegenüber stehen, so Steinberg: "Sunnitische Organisationen befürchten, dass dieses Sicherheitsabkommen jetzt zu einer weiteren Stärkung der Regierung Maliki führt und die sich zur dominanten politischen Kraft entwickelt."


Am Ende einigte man sich auf einen Kompromiss: Mehrere Parteien, die den Vertrag ursprünglich abgelehnt hatten, hatten der Regierung angeboten, doch mit "Ja" zu stimmen, falls die Regierung im Gegenzug einer Reihe von Reformen zustimmen sollte. Dabei ging es etwa um die Freilassung von begnadigten Gefangenen. Auch war das Abkommen umbenannt worden in eine "Vereinbarung über den Abzug der US-Truppen aus dem Irak und über die Organisation ihrer Aktivitäten während ihres zeitlich begrenzten Aufenthaltes im Irak". Zudem einigten sich die Abgeordneten auf ein Referendum: Demnach sollen die Iraker am 30. Juli 2009 in einer Volksabstimmung noch einmal endgültig über das Abkommen entscheiden.


Al-Sadr-Anhänger protestieren

Brennende Bush-Puppen bei einer Demosntration der Sadr-Anhänger am 18.11.2008, Foto: AP
Anhänger von Al-Sadr verbrannten aus Protest gegen das Abkommen auch Bush-PuppenBild: AP

Die USA begrüßten die Verabschiedung des Abkommens. Der US-Botschafter in Bagdad, Ryan C. Crocker, erklärte, die Vereinbarung schaffe eine Grundlage, um "die entscheidenden Fortschritte in puncto Sicherheit, die wir gemeinsam erreicht haben, zu sichern und künftige Aggressionen abzuschrecken."

Die schiitische Sadr-Bewegung lehnt das Abkommen, wie überhaupt die gesamte US-amerikanische Präsenz, generell ab. Ein Sadr-Abgeordneter sagte im Interview mit dem Nachrichtensender Al-Arabija, das Abkommen heiße zwar "Abkommen über den Abzug der US-Truppen". Dies sei aber ein Etikettenschwindel, weil der Vertrag vielmehr die "Verlängerung der Besatzung" festschreibe. Schiitische Demonstranten hatten im Vorfeld zu tausenden protestiert. "Die Besatzungstruppen müssen den Irak jetzt verlassen", stand auf ihren Transparenten und: "Das Sicherheitsabkommen ist beschämend und erniedrigend". Sie waren dem Aufruf des radikalen Schiitenpredigers Moktada Sadr gefolgt, der einen sofortigen Abzug der US-Soldaten gefordert hatte.

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