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HandelUruguay

Uruguay: Flirt mit China

Tobias Käufer aus Montevideo
3. Juli 2023

Während sich Europa und die Mercosur-Staaten um eine Annäherung bemühen, fährt Uruguay, dem dabei eine Schlüsselrolle zukommt, zweigleisig. Montevideo verhandelt gleichzeitig mit Peking über ein Freihandelsabkommen.

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Die Flaggen der Mercosur-Staaten Paraguay, Uruguay,  Brasilien und Argentinien
Die Flaggen der Mercosur-Staaten Paraguay, Uruguay, Brasilien und Argentinien Bild: Isac Nobrega/Palacio Planalto/dpa/picture alliance

Bundeskanzler Olaf Scholz war da, Wirtschaftsminister Robert Habeck ebenso, auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warb in Brasilia für einen baldigen Abschluss des Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union und den Mercosur-Staaten.Brasiliens alter und neuer Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hatte noch im Wahlkampf angekündigt, mit ihm als Sieger sei es möglich, innerhalb von sechs Monaten das Vertragswerk zu unterzeichnen.

Doch nun sind die ersten sechs Monate der Lula-Amtszeit um, und es gibt große Ungewissheit, ob, wann und zu welchen Bedingungen das Abkommen unterzeichnet werden kann. Ein Scheitern ist genauso denkbar wie ein kurzfristiger Durchbruch.

Zu den Mercosur-Staaten zählen derzeit Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Vor allem das kleinste Land, Uruguay, gerät zunehmend in den Fokus. Uruguay gilt als das politisch und wirtschaftlich stabilste aller Länder. Präsident Luis Lacalle Pou treibt Verhandlungen auch mit China voran, wohl auch um Alternativen zu haben, sollten die inzwischen von Brasilien dominierten Verhandlungen mit der EU scheitern.

Hemmschuh Bolsonaro ist Geschichte

Eigentlich lag das Abkommen schon unterschriftsreif vor, doch mit dem rechtspopulistischen Präsidenten Jair Bolsonaro (2019 – 2022) wollten die EU-Politiker nicht auf ein Foto. Nun haben sich die Verhandlungspositionen verändert: Durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine suchen die Europäer weltweit neue Partner, um die Lieferkettensicherheit auf neue Füße zu stellen.

Brasilien als mächtigster Faktor im Mercosur-Bund weiß das und weist zur Überraschung insbesondere der europäischen Grünen schriftlich fixierte Waldschutzforderungen zurück. Unter Partnern müsse man sich vertrauen können, sagte Lula da Silva jüngst. Sanktionen seien kontraproduktiv. Die Europäer wollten unter anderem ein Importverbot für Produkte, die von Flächen stammen, die von jetzt an gerodet worden sind, durchsetzen und nahmen Lulas Versprechen vom Stopp großflächiger Abholzung aus dem Wahlkampf beim Wort. Doch schriftlich darauf festlegen, will sich Lula nicht.

Portrait von Agustin Iturralde vom "Zentrum für Entwicklungsstudien (CED)" in der uruguayischen Hauptstadt Montevideo
Agustin Iturralde vom "Zentrum für Entwicklungsstudien (CED)" in der uruguayischen Hauptstadt MontevideoBild: Tobias Käufer/DW

Mercosur: träge und langsam

"Der Mercosur hat bislang kein einziges bedeutendes Freihandelsabkommen abgeschlossen, die EU wäre der erste Partner, der das tun würde", sagt Agustin Iturralde vom „Zentrum für Entwicklungsstudien (CED)" im Gespräch mit der DW in der uruguayischen Hauptstadt Montevideo. "Die Annäherung Uruguays an China ist meines Erachtens Teil der Notwendigkeit Uruguays. Der Mercosur ist eines der am meisten geschützten Regionen der Welt."

Montevideo und die aktuelle Regierung hätten sehr darauf geachtet, dass Uruguay in den internationalen Beziehungen vorankomme. China sei eine der wichtigen Optionen gewesen. "Aber es ist nicht so, dass sie eine Präferenz für China hatten. Es war vielmehr so, dass die USA nichts Konkretes angeboten haben und Europa das Abkommen verzögert hat", sagt Iturralde.

Auch in Europa umstritten: Protestaktion gegen das EU-Mercosur-Abkommen in Brüssel im Mai 2023
Auch in Europa umstritten: Protestaktion gegen das EU-Mercosur-Abkommen in Brüssel im Mai 2023Bild: Adrian Burtin/Belga/dpa/picture alliance

Offensichtliche Vorteile

Die Vorteile für Europa durch den Freihandelsvertrag lägen auf der Hand: "Europa würde einen bevorzugten Zugang zu einer Region erhalten, auf die niemand sonst einen vergleichbaren Zugriff hat. Niemand hat einen solchen Zugang zum brasilianischen Markt, der besonders protektionistisch ist. Europa wäre der erste Wirtschaftsraum, das Abkommen wäre in diesem Sinne einzigartig für Europa", sagt Iturralde.

Uruguay sieht in China Partner

In Deutschland forderte jüngst Volker Treier von der Deutschen Industrie- und Handelskammer bei einer Anhörung im Wirtschaftsausschuss des Bundestages: "Wir sollten jetzt ratifizieren." Nachverhandlungen seien kontraproduktiv: "Wenn wir das Abkommen jetzt wieder aufschnüren, bekommen wir es nicht mehr zu."

Kira Potowski, Leiterin der Deutsch-Uruguayischen Industrie- und Handelskammer in der uruguayischen Hauptstadt erklärte bei der gleichen Anhörung, Montevideo sehe in China einen "abschlussfreudigen Partner". Momentan gingen bereits 50 Prozent der in Uruguays produzierten Güter nach China. Doch Uruguay wolle die Zusammenarbeit mit Europa verbessern: Die EU sei der absolute Wunschpartner, wenn es darum geht, gewisse Standards beim Handel zu implementieren. "Doch Uruguay ist es auch wichtig, dass Verhandlungen auf Augenhöhe geführt werden und nicht einseitig Forderungen gestellt werden."